二月 Ni Gatsu - Februar

Kasumi tachi
ko no me mo haru no
yuki fureba
hana naki sato mo
hana zo chirikeru
Dunst steigt auf,
an den Bäumen schwellen Knospen -
und da es jetzt, im Frühling schneit,
schweben auch in blütenlosen Dörfern
Blüten nieder.

Kokin Wakashu 

Obwohl der Februar noch große Kälte bringt, ist er in Japan der Monat, in dem der Frühling beginnt und in dem die Winterpflaume zaghaft ihr Blüten zeigt. Der alte Name für den Monat Februar - 如月 Kisaragi - zeigt diese Doppeldeutigkeit.
gotoshi wird im Monatsnamen zusammen mit dem Schriftzeichen für den Monat als "Kisaragi - eine weitere Schicht anziehen" gelesen. Es ist immer noch kalt, die Räume werden innen allmählich feucht, so daß man gern unter dem Kimono noch eine weitere wärmende Schicht anlegt. Die Winterkleidung in Japan ist nicht so warm wie in unseren Breiten. Man behilft sicvh dann, indem man Schicht auf Schicht unter dem Kimono anzieht.
Aber Kisaragi kann auch ganz anders gelesen werden.

如月 Kisaragi läßt sich etymologisch herleiten von 更生 Kosei, Wiedergeburt.
生更 wird kisara gelesen. 生更ぎ Kisaragi ist dann die allmähliche Rückkehr von Wärme und Leben und die Wiedergeburt von Bäumen und Pflanzen und Gräsern.

Alte Namen für den Februar

  • 初花月 Hatsu Hana Tsuki
    Monat der ersten Blumen. Noch im Schnee zeigen sich die ersten zarten Blüten der Winterpflaume.

  • 梅見月 Ume mi Tsuki
    Der Monat der Pflaumenblüten - Schau.
    Michizane, der gelehrte Minister und Dichter der Haianzeit liebte die Winterpflaume über alles. Später wurde ihm der Kitanoschrein gewidmet. Zu seiner Freude ist der Schrein dicht bepflanzt mit den Bäumchen der Pflaume, die im Februar ihre kleinen weißen Blüten zeigen. Darum hat auch der Kitanoschrein die Pflaumenblüte als Wappen.
    Rikyû veranstaltete 1587 für Hideyoshi am Kitano-Schein das 大北野茶会, das große Kitano Teetreffen , wo unter den Pflaumenbäumen hunderte von Teehütten standen. Noch heute ist der Kitano-Schrein mit seinen vielen Pflaumenbäumchen ein bevorzugter Ort für das Ume Mi.
    Auch Rikyû hat die Pflaumenblüte als Wappen und ein Stoffmuster mit der "Rikyu-Ume", einer stilisierten Pflaumenblüte wurde nach seinem Geschmack entworfen.

    一点梅花蕚
    三千世界香
    I Ten Bai Ka gaku
    San Sen Sekai Kaoru
    Der Blütenkelch einer einzigen Pflaumenblüte :
    Duft in dreitausend Welten.

    Die Winterpflaume ist klein und unscheinbar, ihr Duft ist kaum wahrzunehmen. Dennoch genügt ein einzigen Blütenkelch in einer kalten und rauhen Zeit, die Hoffnung wachzurufen. Ihr zarter Duft durchdringt die dreitausend Welten und verbreitet die Freude auf das Kommende.

    haru no yo no
    yami wa ayanashi
    ume no hana
    iro koso miene
    ka ya wa kakururu
    Die Dunkelheit der Frühlingsnacht
    steckt voll Widersinn -
    der Pflaumenblüte
    Farbe zwar ist nicht zu sehen,
    der Duft jedoch, ist er denn zu verbergen?

    Kokin Wakashu

    Die Pflaumenblüte, der Bambus und die Kiefer bilden eine sehr alte Dreiheit in der chinesischen und japanischen Bilderwelt. Die Pflaume steht für die Hoffnung und den Neubeginn, der Bambus für die Weichheit, Anpassung und Überlebensfähigkeit, die Kiefer für die Dauer und Langlebigkeit. Als Shô / Chiku / Bai - Kiefer, Bambus, Pflaume bilden sie ein festes Bild.
    Die japanische Lesung der Schriftzeichen lautet: MATSU, TAKE, UME (Kiefer, Bambus, Pflaume), aber in der Dreierkombination werden sie chinesisch gelesen als Shô Chiku Bai. Shô Chiku Bai ist eine Kombination, die als glückverheißende Zeichen sehr viele Gegenstände des alltäglichen Gebrauches und viele Teegeräte ziert.

  • 雪消月 Yuki Shi Tsuki
    Der Monat, in dem der Schnee verschwindet

Chadô im Februar

Der Februar bringt zwar schon die ersten Anzeichen des neuen Lebens in der Natur, ist aber doch noch durch Dunkelheit und Kälte gekennzeichnet. Es wird noch recht früh dunkel, so daß man gern in den frühen Abendstunden Yobanashi-Chaji veranstaltet. Die Stimmung im Teeraum ist warm und herzlich, was noch durch die Verwendung der Öllampe und von Kerzen unterstrichen wird. Das Legen der Holzkohle vermittelt ein Gefühl der Wärme und Nähe. Unmittelbar nach dem Legen beginnt die Holzkohle knackend die Glut zu übernehmen, das Rot der Glut leuchtet im dunklen Raum und bald beginnt der Kessel zu singen wie "der Wind in den Kiefern". Wenn der Dampf aus dem Kessel aufsteigt, vergißt man die Kälte draußen und empfindet eine große Nähe zueinander.

Ein ganz besonderes Gefühl der Wärme und der Verbundenheit von Gast und Gastgebern ist eine Form der Holzkohlezeremonie, bei der nach dem Koicha die Holzkohle neu von einem der Gäste gelegt wird. Dazu räumt der Gastgeber die gesamte Glut aus der versenkten Feuerstelle, arrangiert aus dem Rest der glühenden Kohlen ein erstes Feuerbett und einer der Gäste legt dann die neue Holzkohle. Bei dieser Zeremonie steht nicht nur das Feuer mit seiner Wärme im Mittelpunkt. Dadurch, dass Gast und Gastgeber zweitweise ihre Rollen tauschen, entsteht eine ganz bosondere Innigkeit.

Bei der Zubereitung von Usucha - Dünnem Tee - wird gern der Tsutsu-Chawan, eine hohe, zylinderförmige Teeschale verwendet, die den Tee nicht so leicht abkühlen läßt, die aber wunderbar warm und wohlig in den Händen liegt und die Kälte vergessen macht.
Am Ende der Einladung, die in lockerer und entspannter Gesprächsatmosphäre stattfindet, holt der Gastgeber den Holzkohlenkorb aus Maulbeer-Holz, der sonst nur im Vorbereitungsraum verwendet wird, um Holzkohle nachzulegen. Diese informelle Handlung ist die wortlose Einladung an die Gäste, gern noch zu einem kleinen Plausch um das Feuer zu bleiben, falls sie genügend Zeit haben.

Jahreszeitenworte

  • 雪間 Yuki Ma
    Das Schriftzeichen 間 'Ma' zeigt die Sonne, die durch die Flügel einer Tür lugt. Ma ist der 'Zwischenraum'. Yuki Ma, der Zwischenraum im Schnee: zwar liegt noch Schnee, aber die ersten Blüten leuchten bereit in diesem schneefreien Zwischenraum.

  • 薄氷 Usurai
    Dünnes Eis. Usurai ist nicht einfach dünnes Eis. Eis, das beginnt zu frieren und langsam dicker wird, kann nicht so bezeichnet werden. Eis das schmilzt, langsam dünner wird und verschwindet ist 'Usurai'. Noch nicht ganz "... vom Eise befreit sind Flüsse und Bäche", aber bald ist Ostern! Zu 'Usurai' gehört die Vorfreude auf die neue Wärme, die sicher kommt.
    Usurai ist aus zwei Kanji zusammengesetzt, nämlich 薄 haku oder usu(i), 'dünn' und 氷 hyô oder kôri, Eis. Beide zusammen werden gelesen als "hakuhyô". Teemenschen werden beim Schriftzeichen für 'dünn' 薄 sofort an Usucha, dünnen Tee denken und lesen die beiden Kanji darum als 'USU - RAI'.

  • 野山焼 No Yama Yaki
    Das Abbrennen der Berge und Felder. Früher hat man auch bei uns die verwelkten Gräser abgebrannt, um Raum für das neue Grün zu schaffen und mit der Asche den Boden zu düngen.
    In Nara findet seit Jahrhunderten am 15. Januar ein großes Feuerfest statt, bei dem der gesamte Waka kusa yama (Berg des jungen Grases) angezündet wird. Angeblich soll das Fest zurückgehen auf einen Streit zwischen den Mönchen des Todaiji und des Kofukuji, vermutlich ist es aber ein altes Fruchtbarkeitsfest, bei dem das Alte weggebrannt wird, um Raum für das Neue zu schaffen. Der Wakakusa Yama ist für Nara von großer Bedeutung. Das ganze Jahr über liegt er brach. Nur die heiligen Rehe dürfen ihn betreten. Wie eine ständige Mahnung liegt er oberhalb des Ortes am Weg zwischen dem Todaiji mit dem Großen Buddha und dem Kasuga-Schrein.

    kasuga no
    tobuhi no nomori
    idete miyo
    ima ikuka arite
    wakana tsumitemu
    Du Wächter
    des Signalfeuers auf den Kasuga-Feldern,
    gehe hin und schau!
    wieviele Tage sind es noch,
    bis man junge Kräuter pflückt?

    Kokin Wakashu

  • 下 燃 Shitamoe
    "Unten brennen". Shitamoe meint aber kein reales Feuer, das "unten" brennt.
    Allmählich beginnt sich die Vegetation wieder zu regen. Die ersten Gräser schieben zaghaft ihre Spitzen nach oben ans Licht, vorsichtig zeigen sich die ersten Knospen an Büschen und Sträuchern. Unter der Oberfläche brennt zaghaft des neue Feuer des Lebens, das nun immer stärker wird, bis endlich im Mai der 青嵐 Seiran, der 'Grüne Sturm', losbricht.

  • 雨水 Usui
    wörtlich: Regenwasser, gemeint ist: Frühlingsregen

  • 春寒 Shun Kan
    Frühlingskälte

名物 Meibutsu: Namen für Teegeräte

    茶入 Chaire - Behälter für den dicken Tee

  • 山の神 Yama no Kami
    Berg Kami. Niemand weiß genau, was "Kami" sind. Berge, Quellen, Seen, Steine, Bäume, die Ur-Ahnen, der verbannte Minister Michizane, der im Zorn in die Hauptstadt zurückkehrt, dann aber zum Schützer aller Lernenden wird? Manchmal sind Kami bedrohlich, manchmal hilfreich oder sogar rettend, immer aber ein klein wenig unheimlich. Nur mit Ehrfurcht sollte man sich ihnen nähern. Jedenfalls aber birgt eine Chaire mit diesem Namen einen kostbaren Schatz wie wohl auch mancher Berg.

  • 暮雪 Bosetsu
    Schnee im Zwielicht. "Gibt man eine Teegesellschaft an einem Tag, an dem es geschneit hat, muß man darauf achten, so wenig Fußspuren auf dem Gartenpfad zu hinterlassen wie möglich. Die Schneehaufen auf dem Wasserbecken und den Sträuchern bieten den reizvollen Anblick eines Schneelandes, die man unverändert lassen soll. Wenn Schnee bei einem Yobanashi, einem Abendtee liegt, soll man die Steinlaterne nicht anzünden, weil das Licht gegenüber dem Schnee wie aufgesogen wirkt und fahl und unansichtig scheint." Rikyû im Namboroku

     

    茶杓 Chashaku - Teelöffel

  • 籬の雪 Magaki no Yuki
    Schnee auf einem ländlichen Zaun. In kleinen Hauben sitz lustig der Schnee auf den Zaunspitzen.

  • 春の水 Haru no Mizu
    Wasser des Frühlings. Wenn die Sonne stärker wird, schmilzt der Schnee, Wasser tropft von den Dächern und Bäumen und der gefrorene Boden steht vor Nässe. Vorsichtig umquert man die Pfützen und muß darauf achten, die Füße trocken zu halten. Aber die Luft duftet rein und frisch nach geschmolzenem Schnee.

  • 洗心 Sen Shin
    Reinigen des Herzens. Der Duft des schmelzenden Schnees und das zunehmende Licht reinigen das Herz von der Dunkelheit des Winters.

     

    茶碗 Chawan - Teeschalen

  • 雪国 Yukiguni Schneeland

  • 夜寒 Yosamu
    Kalte Nacht. Auch wenn die Tage manchmal so warm werden, daß man genußvoll in der Sonne sitzen und sich an den ersten Sonnenstrahlen wärmen kann, so werden doch die Abende und Nächte oft noch empfindlich kalt.

  • 東雲 Shino Nome
    Ost-Wolken: In der Morgendämmerung färben sich die Wolken am östlichen Himmel rot. Aus der Dunkelheit leuchtet in kaltem Feuer der neue Tag, der verspricht, die Kälte der Nacht zu vertreiben.

  • 宿の梅 Yado no Ume
    宿 Yado ist eine Herberge oder eine Relaisstation, in der man sowohl Unterkunft als auch Nahrung findet und die Pferde versorgen kann. Die "Pflaumenblüte der Herberge" leuchtet dem Reisenden in der Kälte und Entbehrung seiner beschwerlichen Reise und verheißt den heimatlichen Duft in der Fremde. Was könnte auf dem beschwerlichen Weg des Lebens Besseres geschehen als das Aufleuchten dieser Verheißung?

Eine Wintergeschichte in Jahreszeitenworten.

Es scheint so, dass die klimatischen Verhältnisse in Deutschland und in Japan sehr unterschiedlich sind. Aber ist wirklich ALLES so anders? Und: Ist der Februar tatsächlich wie in Japan der offizielle Beginn des Frühlings?

Wir sitzen jetzt hier in den Hügeln der Fränkischen Schweiz.
Die Nächte sind noch sehr sehr kalt (Yosamu 夜) und wir ziehen eine weitere Schicht über (Kisaragi 如月).
Aber heute früh waren die Wolken am Osthimmel leuchtend rot (Shino Nome 東雲) und man wusste, es wird ein schöner Tag. Manchmal fällt sogar noch ein wenig Schnee im Morgengrauen (Bosetsu 暮雪), und lustige kleine Schneehauben liegen auf den Zaunspitzen hier im Dorf (Magaki no yuki 籬の雪). Aber er bleibt nicht mehr lange auf den Bäumen und Zweigen liegen, sondern fällt bald wieder herunter (kosue no yuki 梢の雪).
Das ganze Land ist zwar noch mit Schnee bedeckt (yuki guni 雪国) aber überall zeigt sich schon in den Zwischenräumen (yukima雪間) das Gras (yukima no kusa 雪間草), das frisch nach den Schmelzwasser duftet, das überall herunter rinnt (Haru no Mizu 春の水).
Der kleine Teich unten im Garten war mit einer dicken Eisschicht bedeckt, aber das Eis wird dünner und dünner (usurai 薄氷). Die Vögel kommen zwar noch zu den Futterkästen, aber in der Mittagszeit zwitschern sie erwartungsvoll (saezuri囀り), sie können den Frühling kaum noch erwarten.

Wir haben zwar in Deutschland, zumindest in dieser Jahreszeit keine roten Pflaumenblüten (Kobai 紅梅), aber die Büsche und Zweige beginnen sich zu färben und zaghaft erste Knospen zu bilden. Man kann schon ahnen, dass bald aus dem Verborgenen heraus das neue Leben kommt (shitamoe 下萌).
Der Frühlingshimmel ist hell und klar (haru no sora 春の空) und das Frühlingslicht (Shunkoo 春光) erfrischt und reinigt unser Herz (Sen Shin 洗心) von der Dunkelheit der vergangenen Tage. p> So spüren wir, trotz der Kälte und des Schnee um uns herum auch ohne die Pflaumenblüte, wie die neue Zeit kommt und alles sich wieder erneuert (Kissaragi 如月 Kisaragi läßt sich etymologisch herleiten von 更生 Kosei, Wiedergeburt. 生更 wird kisara gelesen. 生更ぎ Kisaragi ist dann die Wiedergeburt von Bäumen und Pflanzen.

So begrüßen wir in diesen kalten klaren Wintertagen den Frühling.


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