Furu ike ya | Der alte Teich. |
Kawazu tobikomu | Ein Frosch springt hinein - |
Mizu no oto | das Geräusch des Wassers |
Robert Aitken 1
der erste amerikanische Zen - Roshi, der über Bashô eine Dissertation geschrieben hatte, übersetzt in seinem Buch
"A Zen wave" :
The old pond;
A Frog jumps in -
The sound of the water.
Der alte Teich!
Bashô springt hinein,
Ton des Wassers!
Vielleicht ist Bashô wirklich hineingesprungen – mitten in
die dichte und konzentrierte Atmosphäre um den alten Teich; in einem Augenblick der Sammlung mitten in den Ursprung. Auf jeden Fall ist dieses kurze Haiku von außerordentlicher Intensität und Dichte.
Der „alte“ Teich war schon „immer“ da: er ist wie der Ursprung aller Dinge. Seine Oberfläche spiegelt den Himmel und alle Dinge und verbirgt zugleich seine Tiefe. Im antiken Griechenland wurde in Lerna ein kleiner, fast völlig mit Schilf zugewachsener Teich gezeigt, in dem Dionysos in die Unterwelt verschwand. Nero soll versucht haben, die Tiefe dieses Teiches auszumessen, aber das Senklot kam niemals am Boden an.
Aber die reale „Tiefe“ dieses Teiches ist unerheblich. In tiefer Stille und Sammlung liegt er da und spiegelt alles, ohne sich selbst zu verändern.
Shibayama Zengai hat in einer berühmten Zeichnung dem Frosch
seine Reverenz erwiesen. Mit breitem Grinsen hockt er da. Die krakelige und ironisch unordentliche Inschrift auf der Zeichnung besagt: „Ja, wenn der Mensch nur durch Sitzen Buddha werden kann .....!“ Da
sitzt ihr nun ihr Zenmönche und bemüht euch ernsthaft und mit aller
Aufrichtigkeit und Strenge, durch die Übung des Sitzens die Buddhaschaft zu
erreichen und in den Ursprung der Dinge zurückzukehren! Das habe ich, der dumme
Frosch sowieso!
Eine andere Lesung für das Schriftzeichen 蛙 Kawazu - Frosch - ist Kaeru, lautgleich mit „zurückkehren“. Kehrt der Frosch etwa mit einem Sprung zurück in den
Ursprung? Schon von seiner grünen Farbe gehört er in das Grün der ganzen Szene. Wenn er in den alten Teich springt, kehrt er dorthin zurück, wo er hingehört.
Aber wohin springt der Frosch überhaupt? Nach der kausalen Ordnung der Dinge springt er ins Wasser und dadurch entsteht ein Ton! So lautet aber der Text des Gedichtet nicht!
Furu ike ya:
Das ya am Ende der Zeile ist ein
Schneidewort, eine Zäsur im Haiku. Die beiden nächsten Zeilen sind nicht durch
eine Zäsur gebrochen, sie gehen ohne Trennung ineinander über: Kawazu tobikomu / Mizu no oto.
Mizu no oto ist
eine Form, die im Japanischen anders zu lesen ist, als in westlichen Sprachen.
Die Formel spricht nicht von mizu – Wasser, obwohl es am Anfang der Zeile steht,
sondern von oto, dem Ton, hier vom Ton
des Wassers. Der Frosch springt in: mizu
no oto , in - diesen Ton! Man sieht nicht erst den Frosch, wie er am Teichrand
sitzt und dann in zeitlicher Abfolge in das Wasser springt, das jetzt als Folge
einen Ton erzeugt. Erst, wenn der Ton erklingt, bemerkt man, daß da
ein Frosch gewesen sein muß, ja, daß da ein Teich ist! Der Ton macht wach und
ruft in das Erleben des : Furu ike
ya! - Da! Der alte Teich.
Die gesamte Szene konzentriert sich in diesem einen Ton, sie
wäre ohne ihn niemals bewußt geworden. Der Ton des Wassers hebt jede Trennung
von Subjekt und Objekt auf. Er ist wie ein plötzliches, blitzartiges
Wachwerden, wie ein Satori!
Martin Heidegger hat in seinem Spätwerk in der kleinen Schrift Zeit und Sein
2 vom Ereignis gesprochen. Im Ereignis "gibt es" Sein und "gibt es" Zeit. Dieses "Geben" ist ein sich Ereignen. Mitten in diesem Ereignis steht der Mensch, der ganz und gar von seinem Eignenen ent-eignet innesteht und ganz dem Ereignis gehört. So dem Ereignis gehörend, wird der Mensch in sein Eigenstes gebracht. Blitzartig hört der Mensch auf, seinen Problemen, Sorgen, Nöten und Wünschen nachzuhängen und ist ganz und gar im Ereignis, in dem er aufgeht, um sich so zu finden.
Professor Kôicho Tsujimura von der Kyôtô - Universität hat in seiner Heidegger-Übersetzung "Ereignis" mit dem buddhistischen Wort Shôki 3
性起 übersetzt und sein Lehrer Shinichi Hisamatsu (1889 - 1980) hat dazu eine Kalligraphie angefertigt. Das flammende Schriftzeichen in der Mitte ist 心 Kokoro, Herz. Am Rand steht: masa ni todomaru tokoro nakushite sono kokoro o, in der Übersetzung etwa: "Du sollst nirgendwo wohnen oder bleiben und sollst das Herz durchbrechen lassen."
'Nirgendwo wohnen' heißt einerseits, sich nirgendwo in Gewohnheiten festmachen und sich vor dem Anderen verschließen. Andererseits bedeutet es auch 'im NICHTS' wohnen, dem Nicht-Ort und der Nicht-Zeit, aus der heraus alles entspringt. Dann bricht das Herz auf und läßt das Ereignis geschehen.
Im mizu no oto, dem Geräusch des Wassers, bricht das Herz auf, Subjekt und Objekt sind Eins und alle "Farben" des Herzens verschwinden und werden zu dem Ton, der Alles enthält.
Am Beginn der Teezubereitung wird die Schöpfkelle einen
Augenblick lang mit beiden Händen wie ein Spiegel in der Höhe des Herzens
gehalten. Wird dieser „Kagami-hishaku“ nicht wie eine leere Formel, sondern mit
ganzer Konzentration ausgeführt, so spiegelt sich das Herz im kagamihishaku und
der kagamihishaku im Herzen. In diesem Spiegel-Spiel sammelt sich die gesamte
Konzentration des Augenblicks. Wenn anschließend der Hishaku mit einem lauten
„tock“ abgelegt wird, entlädt sich die Konzentration punktartig in diesem Ton.
Als wäre der Frosch ins Wasser gesprungen, fällt einen Lidschlag später, wie ein
verzögerter Wassertropfen, der Stil der Schöpfkelle auf den Boden.
Beginnt man das Haiku zu lesen oder zu hören, bildet sich
sofort die Vorstellung einer Szene, die Grün in Grün spielt. Der Teich, das
Moos, die Kiefern, die Pflanzen, der Frosch: alles ist grün. Zwar erschienen in
der Vorstellung vereinzelte Dinge, aber sie sind in ihrer Farbigkeit
ununterschieden und geeint.
Aber dann: mizu no oto! Dieser Ton läßt das Bild
völlig verschwinden. Es gibt überhaupt keine Farbe mehr, der Ton zieht alles,
Subjekt und gegenständige Dinge, in Eins zusammen. Die Wahrnehmung von Farbe,
die zuerst ein „Sehen“ ist, hat sich zu einem Hören verändert. Damit hat die
Qualität der Wahrnehmung eine völlig andere Struktur gewonnen.
Sehen greift. Gesehenes wird vereinzelt, „begriffen“ und festgehalten. Das Sehen ist als Sinn
viel stärker als das Hören. Es schiebt sich vor das Hören und deckt das Hören
teilweise zu. Darum ist bei den meisten Menschen das Fernsehgerät viel zu laut
eingestellt: das Sehen verbraucht die meiste Aufmerksamkeit. Tritt das festhaltende
Sehen zurück, werden die anderen Sinne viel stärker. Einzelne, kleine Geräusche
im Teeraum werden nicht nur sehr intensiv, man hört plötzlich die Temperatur
des Wassers, das in die Teeschale geschüttet wird!
Hören kann man nicht festhalten, es ist flüchtig. Um wirklich zu hören, muß man sich ganz auf das Gehörte einlassen, Heidegger würde sagen, ihm Ge-Hören. Um dem Ge-Hörten wirklich zu gehören, muß man das Eigene loslassen, um sich dann im Gehörten ganz wiederzufinden.