Dao De Jing Nr 1.8

GEN - DUNKEL

此兩者同出而異名
同謂之玄。
玄之又玄
衆妙之門。
ci liang zhe, tong chu er yi ming.
tong wei zhi xuan
xuan zhi you xuan,
zhong miao zhi men.
Beide (NICHT und SEIN) gemeinsam hervortreten, aber unterschiedliche Namen.
Zusammen genannt: DUNKEL
Dunkel noch Dunkler:
All-gemeines Tor des Geheimnisses
NICHT und SEIN sind untrennbar miteinander verbunden. Sie sind wie die zwei Seiten einer Münze, die mit unterschiedlichen Namen benannt werden. Erst die wechselnde Sicht mal auf die eine, mal auf die andere Seite bringt das Ganze in den Blick. Dieses Ganze wird das DUNKEL genannt.

Das Schriftzeichen XUAN, japanisch GEN ist bereits vorher aufgetaucht in der Schreibung für das Geheimnis. Es zeigt den Kokon einer Seidenraupe. Im Inneren, im Dunkel verbirgt sich das Wesentliche, die Seidenraupe, die hier ihre Verwandlung zum Schmetterling vollzieht. Wenn diese Verwandlung vollendet ist, kommt der Schmetterling hervor in das Licht. Die Außenhülle des Kokon zeigt dem Betrachter eine Außenseite, die das Wesentliche verbirgt. Bleibt der betrachtende Blick an der Hülle hängen, so wird das Geheimnis im Inneren nicht erkannt. Jede Verwandlung vollzieht sich im Verborgenen. Das Saatgut keimt im Dunkel der Erde, der Embrio wächst verborgen im Dunkel des Mutterleibes. Aber wir Heutigen haben die Ehrfurcht und Achtung vor dem gehemnisvollen Dunkel verloren und versuchen, alles sichtbar zu machen. Aber selbst, wenn man den Embrio sichtbar macht, braucht er die Dunkelheit und Geborgenheit des Mutterleibes, um heranzureifen.
Die alltägliche Wortbedeutung für xuan - gen ist dunkel, unscheinbar, geheimnisvoll, nicht leuchtend. In Japan heißt der ungeschälte und nicht polierte Reis GEN-mai 玄米. Der größte Noh-Schauspieler und Theoretiker des Noh-Theaters in Japan Zeami sieht als den zentralen Kern seiner Kunst das YUGEN 幽玄, das Unscheinbare und Verborgene. Urspünglich wurden die japanischen Texte nicht schriftlich, sondern mündlich überliefert. Wird das YUGEN Zeamis verschriftlicht, so kann es auch mit anderen Schriftzeichen geschrieben werden: 又玄. YU-GEN ist dann der Terminus aus dem Daodejing für das NOCH - DUNKLERE. Der Schauspieler strebt in seiner Kunst die Vollendung an, die in der Verwirklichung des YUGEN auf der Bühne ist. Je mehr der Schauspieler sich zurücknimmt, je weniger er in seiner und in seinem Gesang und seiner Gestik zeigt, desto höher ist seine Kunst. Eigentlich wäre seine Kunst am höchsten, wenn er überhaupt Nichts mehr zeigt. Zeami gibt als Anweisung, dass der Schaupieler, der zugleich ja auch der Sänger ist, das KI, die Energie vollkommen nach Innen ziehen soll. Er darf sich überhaupt nicht um die Wirkung auf die Zuschauer und Zuhörer kümmern, sonst verliert er das YUGEN. Erst wenn er das Ki vollkommen in das Innere eingezogen hat, kann er die Rolle der höchsten Kunst gemäß verwirklichen und das YUGEN hervorbringen.
Einen größeren Gegensatz zur westlichen Ästhetik kann man sich kaum denken. Im Westen geht alles darauf, sich nach außen hin, für alle sichtbar zu verwirklichen. Die gesamte westliche Philosophie und Ästhetik ist auf das Licht orientiert. Schon bei den Griechen ist das Phainomeneon - das Von-sich-her-Leuchtende - der Ausdruck des Seins. Das Phainomeneon leuchtet aus sich heraus, es benötigt keine Lichtquelle, die es zum Leuchten bringt.

Aber das frühe griechische Denken kennt das geheimnisvolle Dunkel. Heraklit spricht vom Kosmos, der wie ein Haufen Kehricht wirkt. Kosmos ist in seiner ursprünglichen Bedeutung der leuchtende Schmuck, der ins Auge fällt. Das findet sich noch im neugriechischen Kosmeia- Schmuck oder in unserem Wort Kosmetik. Der Schmuck leuchtet und blendet das Auge, das auf diese Weise davon abgehalten wird, die Dinge in ihrem verborgenen Wesen zu sehne. Die Priesterinnen im Tempel von Ephesus, in dem Heraklit offenbar einmal das Priesteramt versehen hatte, weben jedes Jahr neu den Kosmos. Das ist der kostbar verzierte und geschmückte Mantel, mit dem die Statue der Artemis eingehüllt wird. Bleibt der Blick an diesem Mantel hängen, so sieht er nur Außenseite. Die Statue selbst soll wohl ein einfacher, unbehauener und schon vom Alter gezeichneter Baumstumpf gewesen sein. Die Gottheit selbst entzieht sich dem Blick um so hartnäckiger, je kostbarer der Schmuck leuchtet. Der Kehrricht, von dem Heraklit spricht, der sarma ist der Tempelschutt. Wenn der Tempel gereinigt wurde, dessen Inneres den neugierigen Blicken entzogen ist und den außer den Priestern niemand betreten durfte, so wurde aller Schmutz nach außen gekehrt. Jetzt ist dieser Kehrricht für alle sichtbar. Auch dieser Schmutz ist heilig, weil er aus dem Inneren des Tempels stammt, aber es ist nur Kehricht und Schmutz. Wird das Innere nach außen gebracht, so ist es nicht mehr heilig, es ist nur noch Kehrricht. Ähnlich ergeht es den Strohunden in China (Daodejing Nr 5). Sie sind so heilig, dass der Priester fasten muss, um sich ihnen nähern zu können. Wenn sie ihren Dienst als Opfergaben getan haben, werden sie auf die Straße gekehrt, die Leute treten sie mit Füßen und die Brennholzsammler sammeln sie ein zum Verbrennen und Heizen.

Yugen - Noch dunkler und das TOR
Im Daodejing ist nicht die Rede vom Dunklen, sondern vom YOU XUAN, japanisch YU-GEN, dem "noch, wieder, weiter Dunkel. Im Rigveda heißt es:

Nicht existierte Nichtseiendes, noch auch existierte Seiendes damals - nicht existierte der Raum, noch auch der Himmel jenseits davon. ...
Finsternis war verborgen durch Finsternis im Anfang.

Das noch Dunklere als das Dunkle ist der namenlose Ursprung, das Tor zum allgemeinen Geheimnis. Zum Vergleich seinen hier zwei Übersetzungen angegeben:
Das Ursprüngliche hat aber wiederum einen Ursprung. Das aber ist das Tor zu allem Geheimnisvollen.

Geldsetzer

Des Geheimnisses noch tieferes Geheimnis ist das Tor, durch das alle Wunder hervortreten.

Wilhelm

Die Rede ist von einem Tor, einem Durchgang, . Ein Tor führt von einer Seite auf die andere. Das Tor, von dem hier die Rede ist führt zum 衆妙, dem zhong miao, japanisch shû myo. zhong, shuu. viele. Ist dieses Tor überhaupt irgendwo vorfindlich als besonderer Ein- oder Durchgang?

Der Zen-Buddhismus, der in China aus der Begegnung mit dem Daoismus entstanden ist, hat das Bild des Tores immer wieder aufgegriffen. Der Zen ist sosehr mit dem Daoismus verbunden, dass man sagen konnte, der Vater des Zen sei Buddha, aber die Mutter Zhuangzi. Ja, man kann sagen, der Daoismus kam in der Form des Zen nach Japan.
Dem chinesischen Zenmeister 雲関 Yun-Men, japanisch Ummon, Wolkentor wird ein berühmtes Kôan zugeschrieben. Kan: Riegel Ummon war wegen seiner Schlagfertigkeit und Wortkargheit berühmt. So besteht das Kôan auch nur aus einem einzigen Wort: KAN: Riegel, Grenzbarriere. Das Schriftzeichen zeigt ein Tor, das durch einen Riegel verschlossen ist: es gibt keinen Durchgang!
In Japan hat sich der große Zenmeister Daito Kokushi, dem Begründer des Daitokuji-Tempels in Kyôto lange mit dem Kôan KAN befasst, ohne es lösen zu können. Daito wurde mit elf Jahren Mönch und studierte buddhistische Philosophie. Mit 22 Jahren traf er erstmals auf den großen Lehrer Daio Kokushi 大応国師 (1235 – 1308), der ihm das Koan „Kan“ gab. Daito konnte das Koan, auch nach einem harten dreijährigen Training, nicht lösen. Es beschäftigte ihn noch lange Jahre, in denen er unentwegt an dem Kôan arbeitete. Er war völlig verzweifelt, weil er das Kôan nicht lösen konnte.

Kan, oder nach einer anderen japanischen Lesung Seki, ist das Tor an der Grenzbarriere, an dem die Durchreisenden kontrolliert werden. Dieses Tor ist so fest verschlossen, dass nicht einmal eine Maus einen Durchschlupf finden könnte. Es liegt nicht in der Macht der Reisenden, die in ein anderes Reich hinüber wollen oder vielleicht auch müssen, dieses Tor zu öffnen, dafür ist es zu fest verriegelt und zu gut bewacht. Je mehr man sich bemüht und anstrengt, auf die andere Seite zu gelangen, desto fester geschlossen scheint es zu sein. Das Reich auf der anderen Seite lockt mehr und mehr, dort ist die große und offene Weite, die Freiheit und die Ruhe, hier ist die Welt der Hast und Zerrissenheit, des Streites und der Auseinandersetzung.

Aber es gibt keine Möglichkeit, den Durchgang in den anderen Bereich zu erzwingen. Auch keine List und kein Trick hilft. Ein Samurai hatte sein ganzes Leben geübt, den Schrei des Hahnes im Morgengrauen nachzuahmen. Als er versuchte, den Wächter der Osaka Grenzbarriere, einer der am schwierigsten zu überwindenden Grenzschranken der Edozeit mit diesem Hahnenschrei zu täuschen, bemerkte dieser den Trick sofort. „Es gibt keine Möglichkeit, die Osaka – Schranke, die Grenzbarriere zum Satori, zu überschreiten, indem man in der Nacht den Hahnenschrei nachahmt.“

Kan ist nicht nur die Schranke, die ein Gebiet vom anderen trennt, es ist auch die Trennung von Innen und Außen. Der Eingangsbereich des japanischen Hauses heißt Gen-Kan 玄関. 玄 Gen ist das Unscheinbare, Dunkle und Verborgene, das Geheimnisvolle und Mysteriöse. Im Inneren des Hauses, in dem für den Fremden geheimnisvollen Dunkel, ist der Ort der Ruhe. Kein Außenstehender kann die Schranke zum Inneren des Hauses übertreten und die Ruhe stören. Jeder, der hindurchgehen darf, ist hier zu Hause. Er hastet und irrt nicht mehr außen in der Fremde herum, er hat den Ort der Ruhe gefunden, der sein eigener Ort ist.

Nach vielen Jahren der Meditation über „Kan“ gelang Daitô Kokushi der plötzliche Durchbruch, als ihm eines Tages ein Schlüssel zu Boden fiel. Es war, als hätte dieser entglittene Schlüssel mit einem Schlag den Riegel vom Durchgang in den anderen Bereich geöffnet. Ein ganz alltäglicher Vorgang ohne jedes geheimnisvolle Mysterium hatte ihm die Lösung gebracht.

Seine Zen Erfahrung war so klar und sicher, dass er nicht anders konnte, als ein Gedicht zu verfassen, das er seinem Lehrer übergab:

一 回 雲 関 透 過 了
南 北 東 西 活 路 通
夕 処 朝 遊 没 賓 主
脚 頭 脚 底 起 清 風
itsukai ûnkan o to kashi owari
nanbokutôsai katsuru tsûsu
sekisho chihô yû hinshû o botsu
kiyaku tô kiyakutei seifû o
Ein einziges Mal die Wolken-Sperre vollständig durchdringend hinübergegangen:
Süden Norden Osten Westen: lebendiger Weg weitet sich
abends am Ort, morgens spielend: Verschwinden von Gast und Gastgeber
Fuß Kopf Fuß – von unten bis oben reiner Wind

Die Barriere ist verschwunden, alle Richtungen sind weit und offen. Der lebendige Weg weitet sich nach Norden, Süden, Osten und Westen, in alle Richtungen. Es gibt weder Grenzbarriere noch Nicht-Barriere.
Hölderlin hatte offenbar eine ähnliche Erfahrung gemacht. In seinem berühmten Brief an Böhlendorff schreibt er:

Das Gewitter, nicht bloß in seiner höchsten Erscheinung, sondern in eben dieser Ansicht, als Macht und als Gestalt, in den übrigen Formen des Himmels, das Licht in seinem Wirken, nationell und als Prinzip und Schicksalsweise bildend, daß uns etwas heilig ist, sein Drang im Kommen und Gehen, das Charakteristische der Wälder und das Zusammentreffen in einer Gegend von verschiedenen Charakteren der Natur, daß alle heiligen Orte der Erde zusammen sind um einen Ort, und das philosophische Licht um mein Fenster ist jetzt meine Freude; daß ich behalten möge, wie ich gekommen bin, bis hieher !


Zwar weitet sich der Weg in alle Richtungen, aber eigentlich gibt es auch keine Richtungen mehr, so wie es weder Gast noch Gastgeber gibt, da alle Unterschiede, die ein Einzelnes ausgrenzen, verschwunden sind.
Am Abend ruhend, heimgekehrt an den Ort des Ursprunges, kann er beliebig wieder hinausgehen und in alle Richtungen umherziehen, da es weder ein Innen noch ein Außen gibt.
Wie in der Geschichte vom Hirten, der auszog, um seinen Ochsen zu finden, ist er heimgekehrt und hat vergessen, dass er je seinen Ochsen, sein eigentliches Selbst verloren hatte.

Daitô Kokushi hat nach dieser Erfahrung 20 Jahre unter der Gojo-Brücke in Kyoto gelebt. Unter die Bettler gemischt übte er dort Zazen, um seine geistige Reife weiter zu trainieren.

Als Daito Kokushi das "Tor" durchschritten hatte, stellte er fest, dass eigentlich überhaupt kein Tor und keine Schranke existiert. Er konnte hin und her gehen, einmal in das ganz Alltägliche, einmal in die Offene Weite. Norden, Süden, Osten und Westen treffen sich hier an diesem Ort und es gibt keine Beschränkungen mehr.
wu: ich Der 'ORT', an dem sich die Wege treffen und sammeln ist das wu , das ganz unzureichend als "Ich" übersetzt werden kann. Andere mögliche Bedeutungen sind: ich, mich, mein, wir, unser, widerstehen, hindern, erschweren, verteidigen. Das Zeichen zeigt unten einen Mund, darüber das Zeichen für 'Fünf'. Die Alte Schreibung des Zeichens zeigt noch die Bedeutung. Fünf wird gebildet durch ein Kreuz zwischen dem Himmel und der Erde. Es ist der Ort, in dem alle fünf Elemente zusammenkommen und eine Mitte, einen Ort bilden. Diese Mitte ist wie das "philosophische Licht um mein Fenster, sie kann den Mund öffnen und sprechen oder eher noch den Lobgesang singen, wie es Daito Kokushi getan hat.

Das all-gemeine Geheimnis
Das Tor, von dem hier die Rede ist führt zum 衆妙, dem zhong miao, japanisch shû myo. zhong, shuu. viele. Das Schriftzeichen zeigt viele Menschen unter einem Auge oder einer Sonne. Diese vielen Menschen sind die öffentliche Masse, Jedermann, der gesehen wird. Das Schriftzeichen bezeichnet im Allgemeinen die Masse, die Öffentlichkeit, das ganz Gewöhnliche und Alltägliche, das öffentlich wahrgenommen wird. In Flughäfen wird es benutzt, um die allgemeinen Durch- und Ausgänge zu bezeichnen im Gegensatz zu den Durchgängen, die nur wenigen, etwa dem Personal vorbehalten sind.
Steht das nicht ganz und gar im Gegensatz zu dem Dunklen, ja noch Dunkleren als dem Dunklen? Das ist keineswegs so. Je gewöhnlicher, allgemeiner und immer anwesend etwas ist, umso hartnäckiger verbirgt es sich dem Blick.

Martin Heidegger analysiert in seinem Werk "Sein und Zeit" den Umgang des Menschen mit Zeug. Immer schon und ganz allgemein völlig ungeklärt gehen wir mit Zeug um: Werkzeug, Nähzeug, Schreibzeug usw. Dieses Zeug ist derart selbstverständlich zu-handen (nicht vorhanden), dass wir völlig ungeklärt das Zeug in die Hand nehmen und damit "handeln". Das Zeug wird erst dann auffällig und bewußt bemerkt, wenn es nicht da ist, wenn es fehlt. Eben war der Hammer noch zuhanden und wir haben völlig selbstverständlich damit gehämmert. Jetzt, wo er weg ist, wo er fehlt, wird er auffällig. Wir bemerken in der Regel das Zeug erst, wenn es fehlt oder seinen Dienst versagt. Dieses auffällig werden im FEHL läßt das Zeug ins Bewußtsein rücken. Je besser das Zeug zuhanden ist, umso weniger nehmen wir es wahr. So ist es mit nahezu allen Dingen, die uns all-täglich umgeben. Der ganz gewöhnliche Gebrauch läßt die Dinge in die Unsichtbarkeit verschwinden.
Genauso ist es mit dem, was ganz unzureichend das DAO genannt wird. Das DAO versteckt sich in seiner Allgegenwärtigkeit. Erst der Fehl läßt uns aufmerksam werden.

In dem Lehrgespräch des Weisen Aruni mit seinem Sohn Shvetaketu aus den Upanishaden belehrt Aruni seinen Sohn:

"Hier dieses Stück Salz lege ins Wasser und komme morgen wieder zu mir."
Er tat es. Da sprach er:
"Bringe mir das Salz, welches du gestern abend ins Wasser gelegt hast." - Er tastete danach und fand es nicht, denn es war ganz zergangen.
"Koste davon von dieser Seite! - Wie schmeckt es?" – "Salzig." – "Koste aus der Mitte! – Wie schmeckt es ?" – "Salzig." – "Koste von jener Seite! – Wie schmeckt es?" – "Salzig." -
"Laß es stehen und setze dich zu mir." -Er tat es [und sprach]: "Es ist immer noch vorhanden."
Da sprach jener: "Fürwahr, so nimmst du auch das Seiende hier nicht wahr, aber es ist dennoch darin.
sa ya‘ esho ‘nimâ aitadâtmyam idam sarvam, tat satyam, sa âtmâ, tat tvam asi, Shvetaketo
Was jene Feinheit ist, ein Bestehen aus dem ist dieses Weltall, das ist das Reale, das ist die Seele (Atman), das bist du, o Shvetaketu!"

In der sprache der Upanishaden heißt es, dass das °Atmâ, die "Weltenseele" überall ist, so wie das Salz, das im Wasser nicht vorfindlich ist, aber überall gleichmäßig zu spüren ist. Nur wenn man aufmerksam wird, "schmeckt" man das Âtmâ, so wie Shvetaketu das Salz schmeckt.

Im 22. Kapitel des Zhuangzi (22.6) gibt es eine kleine Geschichte:

Meister Tung Kuo fragte Zhuangzi:
„Dieses Ding, das man den Weg nennt – was ist es?“

Zhuangzi sagte: „Es gibt keinen Ort, an dem es nicht ist.“
„Kommt“, sagte Meister Tung Kuo, „Ihr müßt schon etwas genauer sein.“
„Es ist in der Ameise.“
„In etwas so tief Stehendem?“
„Es ist im Hirsegras.“
„Das steht ja noch tiefer!“
„Es ist in Ziegeln und Scherben.“
„Wie kann es so tief stehen?“
„Es ist in Pisse und Scheiße.“

Meister Tung Kuo sagte nichts mehr

Das Dao ist überall. Es liegt unmittelbar unter unseren Füßen. Es verbirgt sich nur deshalb, weil wir es täglich mit unseren Füßen treten.

In den Aufzeichnungen des chinesischen Zenmeisters Chao-chou (japanisch: Joshu), dem Chao-Chou Chan-Shih Yu-Lu wird ein Gespräch mit seinem Lehrer Nan-ch'uan (Nansen) berichtet.

Der Meister (Joshu) fragt Nansen: "Was ist das Dao?"
Nansen: "Das gleichmäßig alltägliche Herz ist der Weg (平常心是道 Heijôshin)".
Der Meister: "Kann ich mich ihm zuwenden?"
Nansen: " Es suchen ist es verfehlen!"
Der Meister: "Wenn ich es nicht suche, wie kann ich etwas über das Dao wissen?"
Nansen: "Das Dao ist jenseits von Wissen oder Nicht-Wissen. Wissen heißt, ein Konzept haben; Nicht-Wissen ist Ignoranz. Den Weg verwirklichen ohne zu schwanken heißt sein wie der Himmel: weit und von unermesslicher Leere. Wie kann man 'Ja' oder 'Nein' dazu sagen?"
Bei diesen Worten gewann der Meister vollkommene Klarheit. Sein Herz-Geist wurde klar wie der Mond.

Diese Begebenheit ist auch im Mumankan, der Kôansammlung des Meisters Mumon - Ohne Tor - wiedergegeben. Meister Mumon kommentiert die Begebenheit und das 'gleichmäßig alltägliche Herz' mit einem Gedicht:
春有百花秋有月
夏有涼風冬有雪

若無閑事挂心頭
更是人間好時節

Im Frühling 100 Blumen, im Herbst der Mond,
Im Sommer eine frische Brise, im Winter Schnee.

Herz und Geist an nichts unnützes heften -
Glückhafte Zeit des Menschen


Anmerkungen
Heraklit Fragment 124

ὅκωσπερ σάρμα εἰκῆ κεχυμένων ὁ κάλλιστος κόσμος
hosper sarma eikê kexhymenôn ho kalloston ho kosmos
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