DHARMA und HŌ

Das chinesische Zeichen für dharma ist Fa, japanisch Hō setzt sich aus dem Radikal für 'Wasser' und dem für 'gegangen' - zusammen. Das zeigt, dass es sich nicht um ein von Menschen gemachtes und durch Dekrete und Erlasse fixiertes Gesetz handelt. Es ist das Gesetz, nach dem das Wasser geht, nach dem es schon immer gegangen ist und immer gehen wird.

Im griechischen Denken gibt es zwei unterschiedliche Worte, die beide in etwa 'Gesetz' bedeuten: Themis Θεμις und Dike Δικη. Beides ist Gesetz, zugleich sind beide Göttinnen, die das Gesetz verkörpern. Themis ist die ältere von beiden. Sie ist die Tochter von Himmel und Erde, dem Eltenpaar, aus dem alle Götter und auch die Menschen entstehen. Dike ist die Tocher von Zeus und Themis. Themis ist das "Naturgesetz", nach dem alle Dinge gehen. Sie bestimmt, dass der Himmel oben und die Erde unten ist, die Sonne niemals in der Nacht scheint und der Breich der Lebenden und der Toten getrennt sind.
Ursrünglich leitet sich Themis von themistas - das Aufgehäufte ab. Aufgehäuft waren die Grabhügel und aufgehäuft war der Omphalos in Delphi, der den Mittelpukt der Erde kennzeichnet. Der Omphalos in Delphi war ursprünglich ein aufgehäfter Erdhügel aus gestampftem Lehm, der wohl weiß gekalkt war. Als Zeus seine beiden Adler ausschickte um die Welt auszumessen, trafen sie sich am Ophalos. Von dieser Mitte aus kann das ganze Erdenrund vermessen werden, hier war zugleich die Verbindung von Himmel und Erde. Ursprünglich war der Omphalos wohl ein Grabhügel, also die Verbindung von den Lebenden zu den Toten. Omphalos ist aber zugleich der 'Nabel' der Erde. Der Nabel war früher leicht erhöht, weil die Nabelschnur nicht abgeschnitten, sondern abgebunden wurde. Der Nabel ist die Verbindung von Mutter und Kind, der Ursprung des Lebens. Der Omphalos in Delphi ist zugleich der Mittelpunkt, von dem aus alles vermessen und geordnet werden kann, die Verbindung zu den Toten und als Nabelschnur die Verbindung zum Ursprung des Lebens. Er ordnet und mißt alle Himmelsrichtungen, oben und unten, Leben und Tod.

Dike ist eher der Richterspruch, der in einer unklaren Lage das Recht auslegt und so im konkreten Fall das sichtbar werden läßt, was dem Naturgesetz entspricht. Im konkreten Fall ist es nämlich in der Regel ausgesprochen schwierig zu entscheiden, was nach der Natur Recht ist. Es ist wider die Natur, Leben zu nehmen. Aber was, wenn dieses Leben seit langer Zeit nur noch künstlich durch Maschinen erhalten wird? Ist es gegen die Natur, eine Maschine auszuschalten?
Vieles, was wir als Recht ansehen, ist bestimmt von Konventionen, Sitten und Gebräuchen, die sich immer wieder ändern. Was gestern Recht war, kann heute einfach nur Unsinn sein. Aber das Gesetz der Themis kann sich niemals ändern. Der Himmel wird immer oben, die Erde immer unten sein.

Dharma oder Hō als das kosmische Gesetz nach dem auch das Wasser fließt, ist ebenfalls oft nicht klar erkennbar, sonst würde niemand im vollen Bewußtsein willentlich gegen das Gesetz verstoßen. Aber das Wasser fließt immer von oben nach unten und wird von sich aus niemals seine Richtung umkehren. Dharma oder Hō als Naturgesetz oder kosmisches Gesetz ist wie dieses Wasser, dass immer nach unten fließt.
Das kosmische Gesetz überhaupt ist das Gesetz von Werden und Vergehen, von dem auch Dōgen spricht: 生あり、死 (滅)あり shō (metsu) ari shi ari
- es gibt Entstehen, Geburt, Leben, es gibt Vergehen, Sterben, Tod.

Dieses Gesetz von der Abfolge von Geburt und Tod, shô und shi oder metsu ist es, dessen Unabwendbarkeit Buddha erkannt hat und das er unablässig in seinen Lehrreden verkündet. Darum ent-spricht seine Lehre dem kosmischen Gesetz, es ist das Wort gewordene Gesetz, ähnlich wie in Griechenland der Richter das Gesetz der Themis in seinen Worten auslegt. Die Lehre Buddhas ent - spricht dem kosmischen Gesetz, indem sie das Selbe sagt, darum ist sie ebenfalls Dharma wie das kosmische Gesetz selbst.

Der Mensch, der das Dharma vernommen hat und versucht, ihm entsrechend zu leben, wird sein Leben in Formen bringen, die dem Dharma selbst entsprechen. Daraus ergeben sich Verhaltensregeln und ethische Regeln, die selbst wieder Dharma sind.


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