DIE HÜTTENun habe ich mein sechzigstes Jahr erreicht, und mein Leben scheint dahinzuschwinden wie ein Tautropfen. So habe ich mir noch einmal eine Behausung für die letzten Jahre meines Daseins gebaut – gleich einem Wanderer, der sich für eine Nacht einen Unterschlupf herrichtet, gleich einer alternden Seidenraupe, die sich einen Kokon spinnt."
Die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit des Daseins wird noch unterstrichen durch die Wahl des Ortes und die Unbeständigkeit der Behausung. "Ich hatte mir niemals Gedanken über den Ort gemacht, an dem ich meinen Lebensabend verbringen würde, und hatte daher dieses Stück Land nicht langfristig vorher erstanden und herrichten lassen. So häufte ich also zunächst Erde für das Fundament an. Das Dach deckte ich mit Reisstroh, die Fugen der Balken befestigte ich mit Krampen. Sollte mir hier etwas mißfallen, so könnte ich jederzeit umziehen. Was sollte es schon für eine Mühe sein, diese Hütte wieder aufzubauen?" Bashô, der später das Bild des Lebens als Reise und Wanderschaft nicht nur dichtet, sondern lebt, kommt auf seiner Reise durchs Hinterland (Oku no hosomichi) zur Hütte seines Zenlehrers Butchô, in der dieser sich einst zum Zentraining zurückgezogen hatte. Butchô hatte mit einem verkohlten Kiefernzweig an die Felswand geschrieben:
Nicht nur die Vergänglichkeit spiegelt sich in der Hütte. Sie ist eng wie der Kokon, den sich eine alternde Seidenraupe spinnt. Dieser Kokon ist die letzte Behausung der Raupe, sie wird ihn nur verwandelt zu einer neuen Daseinsform verlassen. Diese Verwandlung wird nach dem Tod des alten Selbst, aber vielleicht schon in dieser Welt geschehen. So jedenfalls sieht es die Lehre von "Reinen Land", nach der selbst die enge Hütte Kamos zum westlichen Paradies werden kann. Die Hütte hat neben dem Schlafplatz an der Ostseite, den Kamo mit Adlerfarn hergerichtet hat zwei wesentliche Bereiche, die das Leben Kamos in seiner Hütte wiederspiegeln: "Zum Norden hin habe ich das Innere der Hütte mittels eines Wandschirms unterteilt, dahinter ein Bildnis des Amida Buddha aufgehängt und daneben eines des Boddhisattva Fugen. Davor habe ich das Lotossutra gelegt. ... Zum Südwesten hin habe ich mir ein einfaches Bambusregal aufgestellt, in dem ich drei schwarze Lederkörbe verwahre. Sie enthalten Abschriften von Werken zur japanischen Poesie und Musik sowie Auszüge aus religiösen Schriften. .. Daneben stellte ich meine Koto und meine Biwa." Kamo sagt nicht, warum es gerade drei Körbe sind. Vielleicht ein Korb für religiöses, ein Korb für die Dichtung und ein Korb für Musik? Damit würden die Schriften zur Kunst eindeutig das Schwergewicht bilden. Der eigentliche Erlösungsweg für Kamo ist die Kunst, wenn auch der Kunstweg nicht vom buddhistischen zu trennen ist. weiter | zurück
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