Nambôroku: 

Aufzeichnungen des Mönches Nambô.

Kissa Nampôroku: 
Aufzeichnungen über das Teetrinken aus dem Süden

1. Der Stil der Grashütte

Einmal, als Sôeki (Rikyû) im Shûun An über Cha-no-yu sprach, fragte ich ihn:
"Ihr betont immer wieder, dass die Wurzeln des Cha-no-yu zwar im Daisu-Stil liegen, dass aber der informelle (sô , 'Gras') Tee des kleinen Teeraumes (小座敷) von nichts übertroffen wird, wenn es um das Erlangen der geistigen Tiefe geht. Warum ist das so?"
Sôeki antwortete:
"Cha-no-yu im kleinen Raum ist vor allem eine Verwirklichung des Dô (des WEGES) im Geist des Buddhismus. 
Sich an der großartigen Konstruktion eines Hauses und an dem Geschmack erlesener Speisen zu freuen, ist eine sehr weltliche Angelegenheit. 
Uns genügt ein Haus, durch dessen Dach es nicht regnet, und ein Mahl, bei dem gerade der Hunger gestillt ist. 
Das entspricht der Lehre Buddhas und dem wahren Geist der Teekunst. 
Man bringt Wasser herbei, sammelt Brennholz, erhitzt das Wasser und bereitet Tee. Dann bringt man ihn dem Buddha dar, reicht ihn den anderen und trinkt ihn auch selbst. Man arrangiert Blumen und entzündet Weihrauch. Durch all dies formen wir uns selbst nach den Taten Buddhas und der vergangenen Meister zu wandeln." 
Alles andere musst du aus Dir selbst verstehen lernen."

2. Reinheit: Tsukubai und Rôji

"Wann immer ich zum Tee zu Sôeki kam, brachte er eigenhändig Wasser in einem Kübel herbei, um das Steinbecken (chôzubashi)damit zu füllen. Eines Tages fragte ich ihn nach dem Sinn dieser Handlung. Er antwortete:
"Auf dem roji (露地) besteht die erste Handlung des Gastgebers darin, dass er Wasser herbei trägt, und die der Gäste, dass sie sich die Hände an dem Wasserbecken reinigen. Das ist das Fundament des roji und der strohgedeckten Hütte.
Genau darum befindet sich das Steinbecken auf dem roji: die Person, die ruft (Gastgeber) und die Person, die gerufen wird (Gast), waschen dort gemeinsam den weltlichen Staub ab.
In der Tiefe des kalten Winters schöpft man, ohne die Kälte zu scheuen, Wasser und bringt es herbei. In der Hitze des Sommers teilt man die Empfindung frischer Kühle. In beiden Fällen ist es ein Akt der Achtsamkeit gegenüber den Gästen."

Es ist unangenehm Wasser zu benutzen, von dem man nicht weiß, wann es in das Becken gefüllt worden ist. Daher ist es gut, vor den Augen der Gäste frisches Wasser in das Becken zu gießen. Wenn das Wasserbecken direkt neben der Wartebank steht, wie es bei Sôgyû der Fall ist, geht man unmittelbar vor den Gästen, um das Becken zu füllen. Ist das Becken wie üblich auf dem Roji oder unter dem Vordach beim Eingang, so wartet man, bis die Gäste auf der Wartebank Platz genommen haben, um dann das Becken zu füllen. Seit Jôô ist das Wasserbecken so klein, dass es frei überfließen kann, wenn man das Wasser mit einem kleinen Hand-Kübel einfüllt."

3. Rikyû's Lehrer

Sôeki überlieferte folgendes:
"Unter Jukô's Schülern gab es zwei mit den Namen Sôchin und Sôgo. Unter ihrer Anleitung studierte Jôô den Tee. Aber Jôô war nicht mein einziger Lehrer.

Nôami hatte einen Pagen namens Ukyô. In der Blüte seiner Jahre erhielt er Unterweisungen im Tee von Nôami. Später zog er sich aus dem weltlichen Leben zurück und lebte in Sakai unter dem Namen Kûkai. Zur selben Zeit lebte dort ein Einsiedler mit dem Namen Dôchin. Beide trafen sich immer wieder zu freundschaftlichen Gesprächen, und so übermittelte Kûkai den Teeweg im Detail an Dôchin. Weil zugleich Dôchin und Jôô sehr eng befreundet waren, sprachen sie sehr oft über den Tee.

Im Alter von 17 Jahren, als mein Name noch Yoshirô war, verschrieb ich mich vollständig dem Tee und studierte unter Dôchin. Durch Dôchins Vermittlung wurde ich ein Schüler Jôô's. Den Tee des Daisu und des Shoin-Raumes lernte ich hauptsächlich von Dôchin.
Der Stil des 'kleinen Teeraumes' ist vollständig mein eigener Entwurf, wobei ich Einzelheiten mit Jôô besprach.

Giô und die Klause Shûun-An (oder Nambô)
Giô, der Gründer der Klause Shûun-An praktizierte zunächst Zen unter Meiste Ikkyû. In seinem mittleren Alter wurde ihr Verhältnis sehr schwierig, aber durch Vermittlung Dritter kehrte er zu seinen Studien unter Ikkyû zurück.
Bis zu seinen mittleren Jahren war er als Shûun-An bekannt, aber Ikkyû forderte ihn auf, seinen Namen zu ändern und er nannte sich nun Nambô. Später baute er diese Klause und wurde Shûun-An, Nambô oder auch Giô genannt. Da er eine sehr enge Beziehung zu Jôô hatte, trafen sie sich regelmäßig zu Gesprächen über Tee."

Ich der unwürdige Mönche bin jetzt der Bewohner in der zweiten Generation. Ich nahm den Namen Nambô an und ein Einsiedler, der nichts anderes tut, als den Tee zu praktizieren.
Ha ha!

4. Harmonie zwischen Gast und Gastgeber

Wie soll man die innere Haltung von Gast und Gastgeber zueinander verstehen, die sich für eine Teegesellschaft geziemt?
"Es ist wahrlich an besten, wenn Gast und Gastgeber in ihrer Gesinnung übereinstimmen. Aber es ist schlecht, wenn sie um jeden Preis Übereinstimmung herstellen WOLLEN.
Wenn sich sowohl Gast als auch Gastgeber um die Verwirklichung des Dô, des WEGES, bemühen, wird sich wie von selbst ein innerer Einklang zwischen ihnen einstellen. 
Sind sie jedoch noch nicht soweit und bemühen sich eifrig um innere Übereinstimmung, kommt es vor, dass, wenn einer von ihnen innerlich vom rechten Pfad abkommt, sie dann beide gemeinsam in eine falsche Richtung gehen.
Aus diesem Grund sage ich: Es ist am besten, wenn Gast und Gastgeber spontan im Einklang sind, aber es ist schlecht, wenn sie unbedingt Übereinstimmung herstellen WOLLEN."

10. Harmonie der Jahreszeiten

Jemand bat Sôeki einmal, ihm die wesentlichsten Punkte darzulegen in Bezug auf die versenkte Feuerstelle im Winter (rô) und das tragbare Holzkohlebecken im Sommer (furô) sowie die innere Haltung für die sommerliche und die winterliche Tee-Einladung.

Sôeki sprach: "Man richte alles so, dass sich der Gast im Sommer kühl und erfrischt fühlt, und es im Winter warm und behaglich ist. Die Holzkohle dient dazu, heißes Wasser zuzubereiten, und der Tee muss schmackhaft sein. Damit ist genug über die Geheimnisse der Teekunst gesagt."

Der Mann war nicht zufrieden und sagte grob: "Soviel weiß doch jeder!" 
Darauf Sôeki: "Wenn es so ist, dann seht zu, dass Ihr Euch konsequent danach richtet. Dann werde ich Euer Gast sein und zu Eurem Schüler werden."

Der Zen-Meister Shôre, der sich unter den Anwesenden befand, kommentierte den Vorfall so: Eure Worte Meister Sôeki, treffen genau den Kern. Sie entsprechen völlig dem Ausspruch von Chôka (chinesischer Zenmeister, gest. 826), der lautet

Moromoro no aki wa nasu naku
Moromoro no zen o bugyo su”

"Tue nichts was schlecht ist, 
führe alles aus, was gut ist."

19. Kakemono - Rollbild

Sôeki sprach:
"Unter dem Zubehör für die Teekunst ist nichts wichtiger, als das Hängerollbild. 

Es ist der Gegenstand, durch den sowohl Gast als auch Gastgeber, nachdem sie ihren Geist ganz gesammelt und alle alltäglichen Gedanken abgestreift haben, sich ganz auf die Kunst des Tees konzentrieren und so den WEG verwirklichen. 
Dazu ist die Kalligrafie eines Zen-Meisters am besten geeignet. Wir verehren dabei den Geist, der in den Worten der Kalligrafie enthalten ist, und würdigen die Tugend des Kalligrafen, sei es nun ein erleuchteter buddhistischer Laie oder einer der großen Patriarchen des Buddhismus. 
Aber manchmal wird sie mit einer geschmückt, die ein von einem Dichter verfasstes Gedicht  aufweist."

14. Reinheit und Schnee

Sôeki spach:
„Bei Einladungen an Schneetagen sollte man sorgsam versuchen, Fußspuren im Schnee so weit wie möglich zu vermeiden. Man schmilzt mit Wasser vorsichtig nur den Schnee von den Trittsteinen ab. Es geht nicht an, das Wasserbecken (Tsukubai) nicht frisch zu füllen, aber lass es gerade eben sichtbar werden, indem du es mit Wasser vorsichtig frei legst.
Aber wenn der Schneefall auf dem Steinbecken oder den Bäumen darüber ein anrührendes Bild geformt hat, sollte man alles völlig unverändert lassen. Stattdessen stellt man für die Reinigung eine Wasserkanne (kataguchi) zur Wartebank.“

15. Schnee und das Licht der Steinlaterne

Wenn bei Abend - Einladungen Schnee liegt, sollte man in der Regel kein Licht in der Steinlaterne am Roji entzünden. Sie würde vom Weiß des Schnees überstrahlt, ihr Licht wirkt matt und fahl und bietet nichts, das erfreuen könnte. Allerdings gibt es auch Ausnahmen. Es hängt von den Umständen ab, insbesondere von den Bäumen am Roji. Man kann das nicht generell sagen.

33. Wabi und Sabi

Um das Wesen des wabi - Tee zu erklären, pflegte Jôô zu sagen, dass er genau dem Geist in dem Gedicht von Lord Teika (Fujiwara) im Shinkokinshu entspricht:

Miwataseba
Hana mo momiji mo
Nakarikeri
ura no tomaya no
aki no yûgure
So weit man auch schaut
weder Kirschblüten noch roten Ahorn
gibt es da
bei der flüchtigen Hütte am Strand
in der Abenddämmerung des Herbstes

Die Kirschblüten und das leuchtend rote Herbstlaub sind vergleichbar mit der erlesenen Pracht des Tee im Shoin – Raum, wenn man das Daisu verwendet.
Wenn man immer wieder mit tiefen und aufmerksamen Blick die Blüten und das Herbstlaub schaut, erkennt man plötzlich, dass sie nichts anderes sind, als die Welt des „Nicht Ein Ding“ (mu ichi motsu no kyôkai) – ebenso wie die Binsenhütte am Strand.
Jemand, der die Blüten und das leuchtend rote Laub nicht kennt, wird zunächst die Binsen-Hütte für einen unbewohnbaren Ort halten. Nur, wenn man Kirschblüten und roten Ahorn immer und immer wieder geschaut hat, wird man in der vollendeten Abgeschiedenheit des flüchtigen Auenthaltsortes der Binsenhütte (tomaya 泊屋 no sabi-sumashitaru tokoro) den Frieden (満たたれ  mitatare: satisfy, fulfill) finden. Dies ist das ursprüngliche Herz (cha no honshin 茶の本心) des Tee. So verstand Jôô den wabi – Tee.

Sôeki entdeckte in derselben Sammlung (Shinkôkinshû) ein weiteres Gedicht und er schrieb es oft zusammen mit dem ersten als Leitgedanken nieder. Dieses zweite Gedicht stammt von (Fujuwara no) Ietaka.

Hana o nomi
matsuran hito ni
yamazato no
yukima no kusa no
haru o misebaya
Zeigte man doch denen, die nur die Kirschblüten
sehnsüchtig erwarten
im einsamen Bergdorf
unter dem Schnee
die Gräser des Frühlings

Nimmt man dieses Gedicht zusammen mit dem ersten, kommt man zum Verständnis der eigentlichen Natur des Tee.
Die Menschen in der sozialen Welt verbringen ihre Zeit damit, gespannt zu erwarten, wann sich die Kirschblüten auf diesem Hügel oder in jenem Hain öffnen. Sie richten Tag und Nacht ihre ganze Aufmerksamkeit nach außen und erkennen niemals, dass die Kirschblüten und das Herbstlaub in ihren eigenen Herzen geborgen sind. Sie erfreuen sich lediglich an Farben und Formen, die sie draussen vor ihren Augen haben.

Das Bergdorf zeigt dieselbe stille Abgeschiedenheit (sabita sumai nari) des Wohnens wie die Binsenhütte am Strand.
Sämtliche Kirschblüten und das gesamte Herbstlaub des vergangenen Jahres sind unter dem Schnee begraben und Nichts ist mehr in dem einsamen Bergdorf. Die vollkommene Abgeschiedenheit (sabi) ist von derselben Tiefe wir die der Binsenhütte.
Von diesem Ort, an dem „nicht EIN Ding ist“, erwacht ganz natürlich und voll Kraft der Drang des Entstehens. Ohne jede Anstrengung und Mühe von außen entspringt das Wahre und Ursprüngliche aus sich selbst, ebenso wie im Frühjahr der Schnee, der alles verborgen hatte, das neu erwachende Leben freudig grüßt und in vereinzelten Flecken, wo der Schnee zu schmelzen beginnt, die Gräser in neuem, frischen Grün gerade eben ein oder zwei Halme hervor treiben.

Das war die Wahrheit, die Sôeki in Ietaka’s Gedicht fand. Die Kunst der Waka - Dichtung hat sicher ein eigens Verständnis dieser beiden Gedichte. Ich habe hier nur aufgeschrieben, was ich (von Sôeki) gehört habe und was Jôô und er wohlüberlegt diesen beiden Gedichten als Wesensgrund (kokoroire) entnommen und für den Weg des Tee verwendet haben.

Er verwirklichte den WEG durch tiefe Hingabe und kam in verschiedenster Hinsicht zu Erkenntnis und Erleuchtung. Dies wird einem närrischen Mönch wie mir ohnehin nie erreichbar sein.
Er war wirklich ein ungewöhnlicher und verehrungswürdiger Praktiker des WEGES und seine Lehre und die Kunst des Tee sind in Wahrheit der Weg des Buddha und der Stifter (cha no michi ka to omoeba sunawachi soshi-butsu no gôdo nari).

Ihm gebührt Preis und Dank!

Gedicht zum Tod Rikyû's

Am dritten Todestag Rikyû's schrieb Nambô folgendes Gedicht, mit den er sein Werk abschloss:

Das Öl der einzigen Lampe ist verbrannt,
und kaum zu ahnen, schimmert das Weiß der Blume
das Wasser im Kessel trocknet aus,
und der Tee verliert seine grüne Farbe.
Die vom Meister verlassene Teeklause erscheint
wie ein Traum der dreifachen Erleuchtung.
Der Ostwind kündigt sie Morgendämmerung an,
und vergeblich fließen die Tränen

 

Zurück zum Anfang   | Literatur: Übersicht   | Home