Das Selbst und der WEG - Lehrer des Weges.
Sen no Rikyû, dem „Vater” des Teeweges werden eine Reihe von Gedichten zugeschrieben, die Rikyû Hyaku Shû 利休百首.
Diese einhundert ‚Haupt’-Regeln tauchten etwa hundert Jahre nach dem Tode Rikyû’s (+1591) auf. Vermutlich sind sie eine Sammlung von Erfahrungen der Teemeister, die im Geiste Rikyû’s den Teeweg weitergegeben haben. Die meisten der Gedichte sind eine Art von Merkversen, die sich unmittelbar auf die Praxis des Teewegs beziehen, einige aber sind für jeden WEG gültig.
Das Versmaß der Gedichte ist in Anlehnung an die Renga - Dichtung gestaltet, das Versmaß wird aber nicht genau eingehalten. Die Verfasser wollten nicht mit einer anderen Kunst in Konkurrenz treten sondern aus dem Geist ihres Weges gestalten. Die Sammlung beginnt:
Sono michi ni iran to omou kokoro koso wagami nagara no shisho narikere
Die Rede ist von dem WEG, dem Dô, hier wegen des Versmaßes als ‚michi’ gelesen.Aber in Rikyû’s Gedicht ist nicht die Rede von der Vermittlung von Fertigkeiten. Der Shishô ist ein Shishô des ‚wagami nagara’ 我身, des Selbst. Aber eigentlich gibt es niemanden, der auf diesen Weg geleiten kann. Nur das eigene Herz, das innig wünscht, sich auf den Weg einzulassen, ist der Lehrer des Selbst, niemand sonst.
Nanguo Ziqi saß und lehnte sich an seine Armstütze, schaute zum Himmel auf und atmete langsam aus. Er war leer und weit entfernt und schien seinen Begleiter verloren zu haben. Yangcheng Ziyou, der ihm zur Seite stand sagte: 'Was ist das? Können wir wirklich bewirken, dass unser Körper wie verdorrtes Holz und der Geist (das Herz) wie kalte Asche wird? Der sich jetzt an die Armstütze lehnt, ist nicht derselbe, der sich vorhin anlehnte!' Meister Qi sagte: 'Es ist gut, dass du das fragst. Gerade habe ich mein Selbst (Ego) verloren. Kennst du das? Du hörst die Flötentöne der Menschen, aber nicht die Flötentöne der Erde. Du hörst die Flötentöne der Erde, aber nicht die des Himmels!'
Nanguo Ziqi schaut erst zum Himmel hinauf. Es ist, als würde er von dort, von der offenen Weite des leeren Himmels sein Maß nehmen, bevor er ausatmet und loslässt. Er wird leer wie der offene, weite Himmel. Aber wer ist sein Begleiter, den er verloren hat? Ist es das, was ihm unentwegt vorsagt: „Du sollst …, Du musst …, Du darfst nicht ….“ Oder das was sagt: „Die Knie tun weh, der Rücken schmerzt, der Atem stockt und fließt nicht, …“ ? Nanguo Ziqi sagt, ich habe gerade mein Selbst verloren. Auf jeden Fall scheint er, solange der Begleiter da ist, nur die Flötentöne der Menschen zu hören. Wenn er diesen Begleiter verloren hat, der ständig dazwischen redet, wird der Körper wie verdorrtes Holz und der Herz-Geist wie kalte Asche, ein Standartbild im chinesischen Daoismus für den erwachten Weisen.
Holz ist eines der fünf Elemente. Lebendiges Holz kämpft. Es spaltet die Erde, um vor ans Licht zu drängen, es wird größer und stärker. Aber es muss leiden, weil Metall das Holz spaltet und wieder klein macht. Holz nährt das Feuer. Feuer ist Leidenschaft, aber auch das helle Licht des Erkennens. Ruhm leuchtet hell im Licht des Feuers. Aber das Feuer haftet am Holz und verzehrt das Holz. Wenn keine Nahrung nachwächst, erlischt auch der helle Ruhm, weil das Feuer alle Substanz verzehrt.
Totes Holz steht nicht mehr in diesem Kreislauf des gegenseitigen Kampfes von Nähren und Verzehren, von Spalten und Gespalten-werden.
Wenn das Feuer der Leidenschaften im Herzen ausgebrannt ist, wird das Herz wie kalte Asche. Es brennt nicht mehr nur kein Feuer, auch alle Farbe, die für das Brennen der verzehrenden Leidenschaften steht, ist verschwunden, das Herz wird aschfarben – farblos.
Erst, wenn die persönliche Leidenschaften ausgebrannt und Feuer und 'Farbe des Herzens erloschen ist, kann der Weise die 'Flötentöne des Himmels' hören. Vorher ist sein Herz betäubt von den Flötentönen der Menschen. Erst wenn er aufhört, sich von den hektischen und wilden, meist misstönenden Flötentönen des Menschen betäuben zu lassen, kann er die Flötentöne der Erde hören. Und erst, wenn sein Ego verschwunden ist, der 'Begleiter', der immer dazwischen redet, kann der Weise die Töne des Himmels hören, die 'von selbst so' sind, die niemand macht.
飲水思源 nomu mizu - omou minamoto
Wasser trinken - denken Ursprung.
Wenn du Wasser trinkst, gedenke des Ursprungs, der Quelle.
Aber sind es die Gefühle und Empfindungen, die das Herz leiten? Ist das so empfindende und fühlende Herz der Shisho? Wird man "Selbst", wenn man sich von seinen Gefühlen, nicht aber vom Verstand leiten lässt?
Im Text von Zhuangzi heißt es aber gerade, dass das Herz wie kalte Asche ist. Das Feuer des leidenschaftlichen Wünschens und Wollens ist erloschen. Erst dann hört er die "Flöten des Himmels".
Nichts wird dich mehr in der Übung dieses Weges (Do 道) hindern als Selbstzufriedenheit und Anhaften am Selbst. Es ist völlig falsch, auf Könner (kôsha) neidisch zu sein und auf Anfänger (shoshin no mono) herabzublicken. Vielmehr soll man die Gesellschaft von Könnern suchen und wissen, dass man ihrer Führung bedarf, und man soll sich bemühen, Anfängern zu helfen.
Murata Shukô beendet seinen Brief mit dem berühmten Satz:
kokoro no shi to wa nare, kokoro wo shi to sezare
Werde zum Meister deines Fühlens und Denkens (kokoro: Herz), lass nicht dein Fühlen und Denken dein Lehrmeister sein.
Aber welcher Weg ist gemeint?
Sono michi: jener Weg.
Man könnte vermuten, es sei einer der vielen verschiedenen Wege gemeint, in Rikyû’s Fall natürlich der Cha-Dô, der Tee-WEG. Aber die saubere Aufteilung der verschiedenen Kunst – Wege oder der Wege des Bushi ist erst ein Ergebnis einer späteren Zeit.
Sono ist eine Richtungsanzeige. Es ist etwas weder bei Mir, noch bei Dir. Sono ist entfernt von Mir und Dir. Sono michi heißt, das Herz und Weg etwas völlig Verschiedenes sind. Das Herz wünscht den Weg, der etwas Fremdes, Anderes ist. Damit ist eine Anfangssituation aufgezeigt. Noch befindet sich das Herz nicht auf dem Weg, aber es möchte dorthin kommen. Wenn sich das Herz auf den Weg einlässt, kann es das nur, wenn es ihn in sich hineinlässt. Herz und Weg werden Eins. Sie sind wie Spiegel: Eines spiegelt das Andere. Das Herz, das so spiegelnd Eins mit dem Weg geworden ist, hat alles Persönliche vergessen. Es ist der WEG selbst.
Dieses Herz ist der wagami nagara no shishô, der Lehrer des „Selbst“, das aber kein Selbst mehr ist.
Lässt man sich ganz und gar auf den Weg ein, vergisst man vollkommen sich selbst und wird Eins mit dem Weg. Im Teeweg vergisst man sich Selbst, um vollkommen bei den Dingen zu sein. Heidegger nannte das, man ist ganz und gar be-Dingt.
Wenn ich den Teelöffel nehme, bin ich ganz bei dem Löffel, nein - ICH bin überhaupt nicht mehr, nur noch der Löffel ist da. Je mehr ich mich sebst vergesse, desto mehr ist der Teelöffel DA. Je mehr nur noch der Teelöffel da ist, desto mehr bin ich ganz bei mir. JETZT!
JETZT bei den Dingen sein.
Es gibt dann kein Vorher und kein Nachher.
Teeschüler fragen oft, „Wann muss ich …?“ Die Antwort: „JETZT nicht!“
Wenn ich darüber Shakuhachi spiele und darüber nachdenke, wann dieser eine, schwierige Ton zu spielen ist, der immer daneben geht, ist das Herz aus diesem Eins-Sein heraus gefallen.
Mögen wir immer vom Anfängergeist erfüllt bleiben.
Was kann es Schöneres geben, als völlig selbstvergessen eine Schale Tee zu bereiten. Jetzt die Natsume reinigen, jetzt den Teelöffel. Jetzt den Tee in die Schale geben, jetzt Wasser auffüllen. Oh, wie der Tee duftet. Aber nicht Ich bin es, der den Tee zubereitet. Getragen vom Weg ist da nichts anderes als der Tee. Das ist keine Tee - "Zeremonie". das ist CHA - ZEN, Tee - Zen.
Nicht Ich bin es, der den Bambus spielt, der Atem stömt und der Ton erklingt. Das ist nicht Musik auf der Shakuhachi, das ist CHIKU - ZEN, Bambus - Zen
Im Zhuangzi steht eine kleine Geschichte von Konfuzius und seinem Schüler Yan Hui.
„Yan Hui sagte: „Hui macht Fortschritte!“
Kongzi sagte: „Was meinst du damit?“
Yan Hui: „Hui hat Mitmenschlichkeit und Gerechtigkeit vergessen.“
„Nicht schlecht! Aber das ist es noch nicht!“
Am anderen Tag sahen sich die zwei wieder und Yan Hui sagte:
„Hui verbessert sich!“
„Was meinst du damit?“
„Hui hat die Riten und die Musik vergessen.“
„Nicht schlecht! Aber das ist es noch nicht!“
Später sahen sich die zwei wieder und Yan Hui sagte:
„Hui verbessert sich.“
„Was meinst du damit?“
“Hui sitzt und vergisst.“
Kongzi sagte bewegt: „Was meinst du mit ‚sitzen und vergessen’?“
Yan Hui sagte: „Die Gliedmaßen fallen lassen, Hören und Sehen lassen, die Form verlassen, ablassen vom Wissen, von selbst Einswerden mit dem großen Durchgang, das heißt >sitzen und vergessen<.“
Kongzi sagte:
„Damit eins geworden sein, heißt keine Vorlieben haben, dadurch verändert sein, heißt nicht mehr unveränderlich zu sein. In Wirklichkeit seid ihr verehrenswert. Bitte lasst mich der Schüler werden.“
(Kapite l6.9)
Der Mönch Nambô hatte einst die Gespräche mit Rikyû aufgeschrieben. Von Ihm wissen wir, wie Rukyû den WEG verstanden hat. Nambô schließt seine Aufzeichnungen mit einer Lobpreisung und schreibt:"Alles was Rikyû über „den Teeweg gelehrt hat, ist zugleich die Verwirklichung des Weges der Gründer und des Buddha. Er sei gepriesen, gepriesen!“
茶の道かとをもへば、即、祖師仏の悟道なり。殊勝々々。