Friedrich Hölderlin

Elegie

Täglich gehe ich heraus und such ein Anderes immer,
Habe längst sie befragt, alle die Pfade des Lands;
Droben die kühlenden Höhn, die Schatten alle besuche ich,
Und die Quellen; hinauf irret der Geist und hinab,
Ruh erbittend; so flieht das getroffene Wild in die Wälder,
Wo es um Mittag sonst sicher im Dunkel geruht;
Aber nimmer erquickt sein grünes Lager das Herz ihm
Wieder und schlummerlos treibt es der Stachel umher.
Nicht die Wärme des Lichts hilft
Und in Wogen des Stroms taucht es die Wunden umsonst.
Ihm bereitet umsonst die Erd ihr stärkendes Heilkraut
Und sein schäumendes Blut stillen die Lüfte umsonst.

In einer zweiten Fassung hat Hölderlin diese "Elegie" umbenannt in "Meneon's Klage um Diotima.
Diotima spielte für Hölderlin eine ungeheure Rolle. Seit seiner Studienzeit hatte er sich mit dieser Gestalt befaßt. Die "Priesterin aus Mantineia", wohl eine erdachte Gestalt, hatte Platon im Symposion eingeführt. Das gesamte Symposion ist der Lobpreis auf Eros, den "Stachel im Fleisch", der in seinem Schmerz den Menschen weitertreibt zum wahren Ziel, dem Eins- werden mit dem Absoluten.
Erst Sokrates bringt im Symposion die letzte Bestimmung des Eros als Ursprung der "Philosophie". Aber Sokrates spricht nicht mit eigenen Worten: Diotima hatte ihn einst gelehrt.

Für Hölderlin ist Diotima der Inbegriff der Liebe und Sehnsucht. In Susette Gontard hatte er seine persönliche Diotima gefunden.

IM WALDE

Du edles Wild.

Aber in Hütten wohnet der Mensch,
und hüllet sich ein ins verschämte Gewand,

denn inniger ist's, achtsamer auch
und dass er bewahre den Geist,
wie die Priesterin die himmlische Flamme,

dies ist sein Verstand.

Und darum ist die Willkür ihm
und höhere Macht
zu fehlen und zu vollbringen,
dem Götterähnlichen,
der Güter gefährlichstet, die Sprache,
dem Menschen gegeben,

damit er schaffend, zerstörend und untergehend, und wiederkehrend
zur ewigen, zu Meisterin und Mutter,
damit er zeuge, was er sei,
geerbt zu haben, gelernt von ihr,
ihr Göttlichstes,
die allerhaltende Liebe.

FREUNDSCHAFT

Wenn Menschen sich aus innrem Werte kennen,
So können sie sich freudig Freunde nennen,
Das Leben ist den Menschen so bekannter,
Sie finden es im Geist interessanter.

Der hohe Geist ist nicht der Freundschaft ferne,
Die Menschen sind den Harmonien gerne
Und der Vertrautheit hold, daß sie der Bildung leben,
Auch dieses ist der Menschheit so gegeben.

Mit Untertänigkeit
    Scardanelli.

d. 20.Mai
   1758


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