von sensei » Mittwoch 2. Februar 2011, 10:40
Was sind Regeln?
Sind die etwa als göttliche Offenbarung vom Himmel gefallen?
Regeln sind in Formen gegossene und fixierte Erfahrungen von Meistern, die diese in ihrer Kunst und auf dem Weg gemacht haben. Diese Erfahrungen werden in "REGELN" gepresst, damit die Menschen, die entweder noch nicht so weit sind auf dem WEG, oder die weniger sensibel sind, auch eine Möglichkeit haben, die Dinge in einer ansprechenden und schönen Weise zu gestalten und zu leben.
Die Teemeister haben aber nun überwiegend in Kyoto gelebt, also geben die Regeln die Wirklichkeit Kyoto's wieder.
In Ostasien sagt man, dass der Fisch das Wasser, in dem er schwimmt, nicht verstehen muss. Das heißt, ich muss nicht versuchen, das kulturelle Umfeld, in dem ich ohnehin lebe, zu verstehen. Ich kann ganz einfach sehen, wie das andere Leute machen und schon liege ich auch nicht ganz verkehrt, auch wenn ich nicht verstehe, warum.
Aber wir leben weder in Ostasien noch in Kyoto. Wenn wir also versuchen, sklavisch die Regeln für Chabana, wie sie in Kyoto gut und richtig sind, hier anzuwenden, so sind wir unweigerlich zum Scheitern verurteilt.
Wir müssen die Regeln zu verstehen suchen und dann in der entsprechenden Weise bei uns neue Wege finden, die dem Sinn der Regeln entsprechen. Dem SINN! Das heißt, wir müssen die Regeln verstehen lernen, den Sinn erkennen und entsprechend bei uns umsetzen.
Übertragen auf das Chabana mit Suisen:
Suisen blühen in Japan in der Zeit um den Jahreswechsel. Also sind sie ein Symbol für genau diese Zeit. Nein, sie sind kein Symbol, sie repräsentieren eben genau diese Zeit, weil sie genau jetzt blühen!
Welche Blumen blühen zu dieser Zeit bei uns auf dem Felde? - Eisblumen!
Aber die kann ich nicht in den Teeraum bringen.
Es bleibt uns also überhaupt nichts anderes übrig, als vorgetriebene Narzissen zu verwenden, die aber leider meistens erst so gegen Ende Januar, eher noch im Februar in unseren Blumenläden auftauchen. Und dann stecken wir sie eben so, wie es oben auf dem Bild zu erkennen ist - wenn wir eine entsprechende Vase haben! Sonst versuchen wir, die Art des Gesteckes zu verstehen und andere, verfügbare Vasen zu suchen.
Ich würde darauf verzichten, die großblumigen Narzissen, die bei uns Osterglocken heißen, zu verwenden, weil die zu sehr mit Ostern verbunden sind. Aber warum soll ich nicht um die Osterzeit "Osterglocken" verwenden?
Dann muss ich vermutlich aber eine andere Form der Chabana finden, weil die im Bild verwendete Hanaire einen viel zu engen Hals hat. Osterglocken passen da nicht rein. Aber wie wäre es, wenn wir die in einem Korb zusammen mit anderen Blüten stecken?
Der langen Rede kurzer Sinn:
Versteh den Sinn der Regel und versuche, Entsprechendes oder Ähnliches hier bei uns anzuwenden.
Es ist unverständige Besserwisserei, wenn man sagt: das ist aber in Kyoto ganz anders. Ja, eben! So ist es.
Also bitte Julian, setz Deine Beispiele aus dem Buch mit Erläuterungen fort, damit wir die einzelnen Formen diskutieren und alle daran lernen können.
Vielleicht kann ja auch mal jemand Bilder von eigenen Chabana einstellen?
CHA ZEN - ICHI MI / Tee und Zen: EIN Geschmack