Wieviele Teezeremonien gibt es?

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Wieviele Teezeremonien gibt es?

Beitragvon yuki » Freitag 18. September 2009, 12:12

Ich gebe ja zu, dass ich noch nicht allzulange Teezeremonie mache. Aber trotzdem schon ganz schön lange.
Meine Freunde sagen immer. "Ja kannst du denn das immer noch nicht?"
Ich weiß schon, dass der Tee ein Weg ist, der eigentlich ein ganzes Leben dauert.

Usucha, Koicha, Shôsumi, Gôsumi und das ganze noch für Ro und Furo. Das sind schon mal 8 verschiedene Zeremonien.
Dann haben wir im Sommer die Zeremonie mit der flachen Teeschale gemacht und jetzt im September mit dem langen Brett. Das sind schon verwirrend viele Formen.
Also jetzt habe ich hier im Forum von der geheimen Überlieferung gehört. Da öffnen sich ja scheinbar zu dem, was man sonst so lernt noch ganze Welten.
Deshalb würde ich gern mal wissen, wieviele verschiedene Teezeremonien es eigentlich gibt.
yuki
 
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Re: Wieviele Teezeremonien gibt es?

Beitragvon caro » Samstag 19. September 2009, 17:48

Das kommt ganz darauf an, wie man zählt. 1856 veröffentlichte Gengensai, der elfte Großmeister der Urasenke ein Buch "Hogobusuma", in dem er mehr als 850 Arten der tenmae und Methoden beschreibt.

Wenn wir versuchen, eine Struktur in die tenmae zu bringen, so können wir das nach der Ordnung der Diplome tun.
Hira-tenmae, die ebene, gewöhnliche Tenmae enthält eigentlich nur Usucha, Koicha und die beiden Kohlezeremonien Shozumi und gozumi. Allerding gibt es im hira-tenmae eine Unzahl von Variationen. So etwa die Sommerzeremonie mit einem flachen Chawan und als Gegenstück die Winterzeremonie mit einem hohen, schmalen Chawan. Dazu gibt es eine große Anzahl von verschiedenen Tana mit den entsprechenden Variationen. Als Sonderform die Verwendung von nagaita bzw. Daisu für Usucha und Koicha und dann eben wieder die entsprechenden Variationen für die beiden Holzkohlenzeremonien.

Nach den Jahreszeiten geordnet gibt es als grobe Einteilung die Sommerzeremonien mit der Verwendung des Furo und die Winterzeremonien mit der im Boden eingelassenen Winterfeuerstelle. Dazu gibt es als Zwischenformen im Oktober einige Sonderformen der Furo-Zeremonie und im April die Sonderformen für die Winterfeuerstelle mit hängendem Kama.

Außerdem variieren die Formen je nach Beschaffenheit des Raumes. Die Standart Raumgröße ist der Raum mit
4 1/2 Matten. Die Zeremonien in einem kleinen daime-Raum variieren gegenüber diesen Standartformen, je nach dem, ob ein Tana eingebaut ist oder nicht. Weiter gibt es den seitenverkehrten Raum, bei dem die Gäste links vom Gastgeber sitzen mit speziellen Zeremonien.

Die "moderne" Form der Teezubereitung an Tischen, das sogen. Ryurei bietet weitere Variationen.

Die Formen der hira-tenmae variieren auch je nach der Stelle, an der sich die Winterfeuerstelle befindet. Zum Beispiel sind die Zeremonien mit sumi-ro oder mukogiri-ro stark unterschiedllich.

Alle diese Formen gehören zum hira-tenmae! Wir haben nie gezählt, wieviele das sind.

Die nächste Lernstufe bei der Urasenke ist das sogenannte konnarai, die "kleine Überlieferung".
Da wird die Sache schon wesentlich einfacher. Konnarai besteht aus 16 verschiedenen Zeremonien, jeweils für Sommer und Winter, also 32.

Für den chabako, also den kleinen Kasten für die Teezeremonie im Freien oder auf der Reise gibt es fünf verschiedene Zeremonien, diemal nicht nach Sommer und Winter getrennt. Chabako war früher die Voraussetzung, das Lehrdiplom zu bekommen. Heute sind sie Anfängerzeremonien.

Shikaden, die "Überlieferung der vier Formen" besteht aus vier unterschiedlichen Koicha Zeremonien mit den Variationen für Sommer und Winter, also 8 Zeremonien.
Shikaden zählt schon zu den "geheimen" Zeremonien. Es ist die Grundlage für das okuden, die "steng geheimen" Zeremonien.
Hierzu zählen zwölf Daisu Koicha Zeremonien (jeweil für Sommer und Winter). 98 % aller Teeschüler lernen aber allerhöchstens - wenn überhaupt - drei Daisu Zeremonien, nämlich Gyo-no-gyo-daisu, Shin-no-gyo-daisu und Shin-daisu. Als Sonderform gibt es noch Dai-en-no-so, zwei verschiedene Koicha werden auf einem Tablett zubereitet.

Das macht zusammen: - oh jeh, jetzt habe ich den Überblick verloren!
caro
 

Re: Wieviele Teezeremonien gibt es?

Beitragvon sensei » Samstag 19. September 2009, 19:47

Danke für die schöne ZUsammenstellung.
Allerdings fehlen da noch die shichijishiki, die sogenannten "sieben (shichi) Übungen, die aber wesentlich mehr als sieben sind. Es handelt sich um sieben Gruppen von Übungen, die jeweils von mehreren Teilnehmern, meistens in wechselnden Rollen durchgeführt werden.
Das Wesentliche dieser Übungen ist das harmonische Zusammenspiel aller Teilnehmer. Der Ablauf ähnelt manchmal fast einem Balett, weil die Teilnehmer immer wieder ihre Plätze tauschen um dann in welchelnden Rollen Tee zu bereiten oder zu trinken. Die sieben Übungsgruppen sind:

Kagetsu-no shiki
Shaza-no-shiki
Mawarizumi-no-shiki (nur für Ro)
Mawaribana-no shiki
Chakabuki-no-shiki
Ichi-ni-san-no-shiki
Kazucha-no-shiki.

Kagetsu, wörtlich: Blumen-Mond 花月 gibt es viele Varianten. Die Grundform besteht darin, dass 5 Personen gemeinsam Tee machen. Sie betreten den Teeraum nach festen Regeln. Ihre Rollen - Gastgeber, 1. Gast bis 4. Gast - sind durch das Ziehen von Spielsteinen festgelegt und sie wechseln an bestimmten Stellen mit dem erneuten ziehen. Es wir viermal von verschiedenen Personen Tee zubereitet, dann endet das "Spiel". Bei einer weiteren Form wird zuerst Koicha und dann dreimal Usucha zubereitet. Eigentlich kann man alle Grundformen der Tenmae als Kagetsu veranstalten.

Beim Shaza wird in der von den Spielsteinen festgelegten Reihenfolge die Holzkohle und der Weihrauch gelegt, dann Koicha und Usucha zubereitet.
Beim Mawarizumi wird zunächst das Feuer aus dem Ro entfernt und anschließend legt jeder neu die Holzkohle.
Beim Mawaribana werden entsprechend die Blumen (Hana, in der Zusammensetzung -bana gesprochen) neu gesteckt.
Beim Chakabuki werden fünf verschiedene Koicha probiert.
Beim ichi-ni-san (eins zwei drei) macht eine Person eine Teezeremonie und die Gäste geben ein Urteil mit Hilfe von Steinen ab.
Beim Kazucha wird für eine größere Gruppe Tee zubereitet, indem Spielsteine entscheiden, wer den Tee drinkt und anschließend für den Nächsten zubereitet.

Bei allen diesen verwirrenden Übungen darf man aber das eigentliche Ziel nicht aus den Augen verlieren:
das Chaji.
Das Chaji ist das Herz des Teeweges. Hier werden Gäste bewirtet nach einer strengen Regie.
Rein formal ist die Abfolge gegliedert in Kaiseki, einem kleinen Essen, zwei Holzkohlenzeremonien, dickem Tee und als Abschluß dünnem Tee. Wer einmal ein Chaji miterlebt hat, wird das nicht so schnell wieder vergessen.
Ich erinnere mich noch heute sehr genau an Einzelheiten eines Chaji, das mein Lehrer vor nun fast dreißig Jahren veranstaltet hat. Ich rieche heute noch den Duft des Ko und ich höre immer noch den Regen, der während des gesamten Chaji mit einem lauten Geräusch fiel. Jeder, der den Teeweg geht, sollte wissen, dass dieses Erlebnis der der gemeinsamen Meditation in vollendeter Gastlichkeit der Kern des Weges ist.

Aber fünf oder fast sechs Stunden in voller Konzentration die Gäste mit verschiedenen Zeremonien zu bewirten, erfordert viel Übung. Aber dazu braucht man "nur" Usucha, Koicha und die zwei Holzkohle-Zeremonien.
Naja, das Kaiseki, das Essen muss man auch noch bewältigen.
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Re: Wieviele Teezeremonien gibt es?

Beitragvon yuki » Montag 21. September 2009, 11:29

Jetzt habe ich zwei Fragen:
Im Beitrag von hotaru werden die Diplome erwähnt. Was für Diplome gibt es denn und was haben die für einen Sinn?

Im Beitrag von sensei wird das chaji erwähnt. Wo kann man denn das lernen oder mitmachen?

Danke schon mal im Voraus.
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Re: Wieviele Teezeremonien gibt es?

Beitragvon sensei » Dienstag 22. September 2009, 08:35

Beide Fragen sind eigentlich ein eigenes Forum wert. Ich werde also zwei entsprechende Foren einrichten.
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