Tee im Alltag

WA KEI SEI JAKU

Re: Tee im Alltag

Beitragvon sensei » Donnerstag 20. August 2009, 10:53

Das ist ja ein ganz neues Thema: die Bedeutung des Teeraumes.
""Das einzige was ich wollte war, einen Ort zu schaffen an dem (deine) Macht nichts zu suchen hat..."
Politisch gesehen hat Rikyû den Teeraum zu einem Schutzraum werden lassen. Hideyoshi konnte selbst seine ärgsten Feinde zum Tee einladen, wenn Rikyû den Tee serviert hat. Hier war man abolut sicher vor jedem Anschlag, sei es durch Waffen oder Gift. Damit konnte man sich ganz auf die Stille und Harmonie im Teeraum einlassen und den unmittelbaren Frieden erleben.
Das ist sicherlich auch die Idee bei allen Völkern zur Schaffung des sakralen Raumes: Rückzug in einen geschützten Bereich, in dem man wieder zurück zum Ursprung finden kann. Wer in der Antike Zuflucht in einem Tempel suchte, war vor jeder Verfolgung und vor jedem Zugriff der Macht geschützt.

Der Teeraum als ausgegrenzter Bereich außerhalb menschlicher Macht -(ausübung)! Damit wird der Teeraum so etwas wie ein "Heiliger Raum", heilig in dem Sinne, dass dort alles "heil" ist. Hier sind WA, KEI, SEI und Yaku direkt und unmittelbar erlebbar, weil es ein geschützer Raum ist.

Ich hatte einmal Besuch von einem Teelehrer aus Kyoto. Er war beeindruckt davon, dass es einen solchen Raum auch außerhalb von Japan und mitten in einer deutschen Großstadt gab. Er sagte:
"In einem solchen Raum kann jeder Idiot Samadhi erleben!"

Wer einmal Rikyu's Taian erlebt hat, versteht die Idee Rikyû's. Der Taian ist ein kleiner Raum mit zwei Tatami und ganz winzigen Fenstern. Rikyû hat die Wände schwarz gefärbt und die Ecken sind rund verputzt. Man spürt in diesem winzigen Raum keinerlei Enge, im Gegenteil, man fühlt sich mitten im Universum, weil alle Grenzen verschwinden. Dieser Raum füllt sich mit einer ungeheuren positiven Energie und man erlebt unmittelbar das EINS - Werden von Gast und Gastgeber. Hier versteht man auch die Bedeutung des Kriecheinganges: er ist wie der Zugang zurück in den Mutterschoß, in die Geborgenheit. Die Rückkehr in denn Alltag durch diese kleine Öffnung ist wie eine Geburt. Der Teeraum hat verwandlet und verändert, so daß man nun den Alltag völlig neu erlebt.
All die Hektik und der Streit des Alltags kommen einem nun kleinlich und lächerlich vor, weil man einmal die Unendlichkeit erfahren hat.
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Re: Tee im Alltag

Beitragvon AlexB » Montag 31. August 2009, 08:10

Die Beschreibung des Taian erinnert mich sehr an eine Schwitzhütte. Die Symbolik ist sehr ähnlich. Obwohl die Schwitzhütte beengt ist erfährt man (auch durch die absolute Dunkelheit) eine enorme Weite in ihr. Man muss sie auch kriechend betreten und sie symbolisiert auch den Mutterleib (in Mutter Erde). Und die letzte Runde bzw. das austreten ist die Neugeburt. Der Alltag ist in dort ebenfalls nicht vorhanden und es geschieht eine enorme Entschleunigung des Lebens. Viele Dinge werden unwichtig und es ist eine Reduktion auf das wesentliche, das Leben.

Welchen konkreten Zusammenhang gibt es zwischen Schamanismus und Chado? Kann man die Schamanischen Wurzeln des Tee (wenn es sie gibt) zurückverfolgen?
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Re: Tee im Alltag

Beitragvon AlexB » Montag 31. August 2009, 08:22

@Kiun: Danke für deine Antwort. Ein Teeraum wäre mit Sicherheit von Vorteil. Gestern hatte ich ein Erlebnis mit Tee in einer Höhe von 15 Meter. Ich war mit Freunden in einem Kletterwald. Eine Stufe führt einen bis auf 15 Meter Höhe. Dort balanciert man über Drahtseile und frei schwingende Holzelemente. Natürlich alles gut gesichert. Nichts desto trotz sind einige Elemente ziemlich schwierig, besonders wenn man die optimale Technik nicht kennt. Als ich einmal über schwingenden Holzbalken balancieren musste hatte ich doch arge Probleme das Gleichgewicht zu halten und die Panik war nicht wirklich weit weg. Dann habe ich tief durchgeatmet und mich an die Bewegungen im Tee erinnert. Die Bewegungen mit der Atmung zu manchen aus der eigenen Mitte heraus. Und auch an die Einstellung im Tee habe ich mich erinnert, somit habe ich nichts weiter versucht als behutsam über diese Balken zu gehen und nichts anderes. Es dauerte zwar eine gute Weile bis ich auf der anderen Seite angekommen war aber ich habe es geschafft. Zwar hatte ich bei weitem nicht die Gelassenheit die man hätte haben können doch hat mir die Erinnerung geholfen. Dies war eine sehr interessante Erfahrung von Tee im Alltag. Hierbei habe ich allerdings auch gemerkt, das es notwendig ist den Tee zu "üben" so wie wir es tun, einen guten Lehrer zu haben und den Willen, weiter zu gehen.
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Re: Tee im Alltag - von der schwitzhütte aufs hochseil

Beitragvon Kiun » Dienstag 1. September 2009, 08:37

Hoi alexB
also schon alleine dein 'hochseilakt' verdient respekt... für mich wäre das nix:-)! besonders spannend finde ich auch deinen vergleich des taian mit einer schwitzhütte. nebst buddhistischen und anderen einflüssen gibts ja auch jene aus dem shinto - und shinto war/ist auch eine form des schamanismus. es ist bloss nicht unbedingt sehr augenfällig, zumal z.b. schon die kleidung der kanushi (shinto-priester) sehr von der mode der heian-zeit (7.-11. jahrhundert) geprägt ist und somit der shinto sehr "höfisch" daherkommt. derzeit bin ich selber auf der suche nach materialien/literatur zum koshinto - dem alten shinto. jedoch kann ich mir vorstellen, das sich riten und gebräuche nicht ohne weiteres rekonstruieren lassen, da es vor der einführung der kanji kein schriftsystem in japan gab. auch kami wurden (soviel ich weiss) nicht bildlich dargestellt, offenbar kam dies erst mit der verbreitung des buddhismus gelegentlich vor. vielleicht aber findest du einige antworten in der "encyclopedia of shinto" (www.eos.kokugakuin.ac.jp) - eine sehr umfangreiche website zum shintoismus. derzeit läuft hier im historischen museum bern eine bemerkenswert gute ausstellung zu den kelten. nebst schmuck, fibeln und waffen gibt es eine fülle von ritualgegenständen und grabfiguren zu bewundern. aber wie bei allen kulturen, welche kein schriftsystem hatten, ist es eben nicht einfach alleine anhand der funde ein weltbild zu skizzieren...und so bleibt vieles spekulation. ich denke, dass mit den shinto-schamanistischen einflüssen im chado ähnlich ist. sasaki z.b. nennt als mögliche themen für teezusammenkünfte auch die sonnwendfeste/rituale, welche im shinto eine wesentliche rolle spielen, analog zu den naturreligionen in unseren breitengraden. vielleicht ist die orientierung an den jahreszeiten, den jeweiligen matsuri oder den sonnwenden ein element, welches durchaus schamanistische wurzeln hat...
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Re: Tee im Alltag

Beitragvon sensei » Dienstag 1. September 2009, 20:23

Jetzt wirds wieder sehr philosophisch.
Vom Tee im Alltag bis zum Shinto und Schamanismus.
Das sind Themen, die wir weiter verfolgen sollten. Ich werde ein neues Thema einrichten:
"Shinto und Schmanismus".
Da sind ja durchaus auch schamanistische Elemente im Tee, sei es, dass sie aus dem frühen Shinto oder noch aus China kommen. Das sind diskutierenswerte Aspekte. Ich hoffe auf gute Beteiligung!
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