Welche Temae in welchem Raum?

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Welche Temae in welchem Raum?

Beitragvon Kiun » Mittwoch 16. Dezember 2009, 14:09

dass man nicht gleich vom blitz getroffen wird, wenn man im sommerhalbjahr einen teoke verwendet, oder gewisse "regeln" allgemein nicht soooooo eng nimmt, hab' ich inzwischen auch gemerkt. aber welche temae in welchen räumen praktiziert werden und welche nicht, da habe ich nicht so recht den durchblick.

ich denke v.a. an teeleute, welche z.b. nicht über die räumlichen voraussetzungen von 4-einhalb matten verfügen, also mit drei oder zwei matten arbeiten (müssen). dass es mit dem daisu auf zwei matten eng wird, liegt wohl auf der hand. doch wie sieht's z.b. mit den shikaden-temae aus? traditionellerweise wird ja in den kleinen räumen auf den gebrauch des daisu und die sonstigen geheimen temae verzichtet. würde dies demnach bedeuten, dass man sich in den kleineren räumen auf die temae bis und mit konarai beschränkt?
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Re: Welche Temae in welchem Raum?

Beitragvon sensei » Donnerstag 17. Dezember 2009, 11:21

Eigentlich sind die kleinen Räume Ausdruck des wabi. Wie ich an einer anderen Stelle geschrieben habe, ist wabi letztlich kein ästhetisches Prinzip sondern eine Lebenshaltung, die den Verzicht auf den "Palast" beeinhaltet.
Daisu und all die anderen Tenmae sind nun nicht gerade wabi cha. Wobei wir davon ausgehen können, dass Rikyu weder Shikaden noch Konnarai kannte. Wir können also auch nicht fragen, was er getan hat oder hätte.

Also ganz formal gesehen passt daisu einfach nicht in einen kleinen Raum. Das Daisu ist nicht nur zu formal, es ist schlichtweg zu groß!
Wenn man der kleine Raum noch dazu ein Daime-Raum ist, dann KANN man kein Daisu machen, weil der Platz für das Daisu (台目 Dai-me) fehlt. Die Tatami für den Gastgeber ist gerade um den Raum für das Daisu gekürzt. Damit ist ein Daime Raum nicht nur einfach kleiner, er ist der sichtbare Ausdruck dafür, dass man bewußt darauf verzichtet, daisu zu machen.
Es gibt aber auch "große" kleine Räume, also etwa ein viereinhalb Matten Raum, bei dem aber der Platz für den Gastgeben ein kleiner angefügte Daime-Raum ist. Das ist dann ein Raum, in dem man mehrere Gäste bewirten, aber dennoch kein Daisu machen kann, weil der Tenmaeza eine Daime-Tatami ist.

Es gibt auch seitenverkehrte (kyaku gate) Räume, in denen die Gäste nicht rechts vom Gastgeber sondern links von ihm sitzen. Diese Räume eignen sich schlichtweg nicht für Daisu, shikaden oder konnarai. Diese Formen gibt es nicht in der kyaku-gate-Form. Da sind nur die Grundformen (Usucha, Koicha und die zwei Sumitenmae ) möglich. Wer sich also einen seitenverkehrten Yojohan einrichtet, zeigt damit, das er kein Daisu machen WILL. Ein seitenverkehrter Yojohan ist dann eben ein "kleiner" Raum.

In einem Nijo Raum mit zwei Tatami ist der Platz einfach sehr beengt und ein Daisu nimmt ja auch in der Höhe einigen Platz ein. Dann steht das Daisu einfach zu sehr im Gesicht des ersten Gastes herum, als dass der sich komfortabel fühlen kann. Wenn der Raum ein naka-ita, ein Mittelbrett hat, dass sieht die Sache schon anders aus. Das nakaita gibt ein wenig Raum ziwschen Gast und Gastgeber. Platz für ein Daisu wäre schon da. Aber man tut sowas einfach nicht in einem solchen Raum!

Aber wie überall gibt es auch hier eine ganz besondere Form der "geheimen" Überlieferung. Wenn grad kein Ura-Omote-Musha oder sonstiger Teelehrer hinschaut, kann man das dann schon machen. Aber nur zur Übung. Bei einer formalen Einladung würde ich das dann auch nicht tun. Das wäre dann Angabe: schau her ich kann Shin-no gyo daisu!
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Re: Welche Temae in welchem Raum?

Beitragvon julian » Donnerstag 13. Januar 2011, 00:27

muss man tenmae mit daisu beherrschen bzw. gelernt haben, wenn man eigentlich nur wabi cha machen und leben will?
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Re: Welche Temae in welchem Raum?

Beitragvon Kiun » Donnerstag 13. Januar 2011, 06:32

hallo julian

...also ich hoffe mal nicht, dass man die daisu-zeremonien beherrschen muss um wabi-cha praktizieren zu können. sonst würde das ja jaaaaaaaaaahre dauern. zumal die daisu-zeremonien in der urasenke erst nach konarai und shikaden unterrichtet werden. glücklicherweise lernen wir heutzutage ja die hakobi-temae für usu- und koicha als erstes. also die formen, welche man wohl am ehesten als wabi bezeichnen könnte. ob man die konarai temae auch als wabi bezeichnen kann, da mag es wohl unterschiedliche auffassungen geben. die kinin date würde ich persönlich nicht besonders als wabi einstufen, weil hier ein klassenunterschied zum tragen kommt.

aber es ist eben so, dass das was wir als wabi-cha bezeichnen seinen urspung in den daisu-formen hat. so war auch rikyu scheinbar der auffassung, dass man wabi-cha erst verstehen könne, wenn man die formen für das daisu beherrscht. aber ich vermute mal, dass das damit zusammenhängt, welche untensilien wo, warum und in welcher distanz zueinander plaziert werden. also geht es hier wohl mehr um ein "technisches" verständnis des wabi-cha, als um ein inhaltliches. vor einiger zeit habe ich in den untiefen des internets einen artikel über eine wiedieauchimmerhiess-ryu gefunden. in dieser schule wird noch heute der daisu-stil als erstes gelehrt. aber dies scheint definitiv eine ausnahme zu sein.
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Welche Temae ? Daisu als Grundlage für Wabi-cha

Beitragvon sensei » Donnerstag 13. Januar 2011, 10:32

Das ist richtig, Rikyu meint, dass man wabi cha erst dann lernen kann, wenn man das Daisu vollkommen verstanden hat. Das hängt, wie schon richtig vermutet, mit der geheimen Anordnung der Dogu zusammen, die genau nach Yin und Yang - Linien in einem System, das kanewari heißt, geordnet sind.
Das Kanewari System war so geheim, dass es außer Rikyu nur noch sieben anderen Leuten bekannt war. Das war der Gokushin - cha, alles andere war machiya - cha, Tee der Stadtmenschen.
Die hatten eben keine Ahnung vom Kanewari System und haben die Teegeräte so platziert, wie sie eben meinten, das bei den Gokushin-Leuten gesehen zu haben. Aber sie kannten den wahren Grund für die Platzierungen nicht.
Das Kanewari System war dann auch die Grundlage für den wabi cha. Aber nur, wer das eigentliche System beim Daisu verstanden hatte, konnte das Kanewari beim wabi cha nachvollziehen.
Nach Rikyu's Tod hat Hideyoshi verboten, Rikyu's Stil weiter zu pflegen. Das Kanewari - System ist also schlichtweg in Vergessenheit geraten.
Urasenke - Tee beruht rein auf dem Machiya - System. Man ist heute noch stolz darauf, dass man den wabi cha tradiert und nicht den verachteten so genannten Daimyo - Stil. Aber der Daimyo-Stil, etwa vom Daimyo Sekishu aus Nara ist wohl noch näher am Gokushin cha. Gengensai, der Großmeister der Urasenke in der 11. Generation war als Kind Schüler der Sekishu - Ryu und er war es, der erst wieder die Daisu Tenmae in die Urasenke gebracht hat. Er hat die ihm bekannten Daisu-Formen modifiziert nach seiner Philosophie. Dabei müssen "höherrangige" Teegeräte eben auch in komplizierteren Formen behandelt werden.
Darum lernen wir heute zuerst wabi - cha ohne jede Kenntniss des Kanewari und später erst, die sogenannten "geheimen" Formen des Shikaden und sehr viel später und auch erst dann, wenn man Teelehrer werden will, die hoch geheimen Daisu Tenmae wie gyo-no-gyo daisu, shin-no-gyo-daisu, shin-no-shin daisu etc.

Aber unabhängig davon:
Es ist eine Grundsatzentscheidung, ob man nur reinen wabi - cha machen will, oder auch Konnarai üben möchte. Ich denke, als totaler Anfänger - oder auch als bis zum Ende Gegangener genügt einfaches Usucha und Koicha. Früher oder später kommt beim Teeschüler der Wunsch, auch konnarai üben zu können.
In einem Zwei Tatami - Raum kann man (wenn kein Urasenke Lehrer zuschaut :-; ) die Furo - Formen des Konnarai oder des Shikaden schon üben. Aber mit einem Sumi - Ro oder Mukogiri geht das nicht. Man kann in einem solchen Raum die Dogu überhaupt nicht richtig platzieren.

Ob man in einem zwei Tatami Raum Daisu machen will, ist Geschmacksache. Ein Disu ist für einen solchen Raum schon ziemlich mächtig.
Allerdingst hat Rikyu für Hideyoshi im Schloss in Osaka einen zwei - Tatami Raum konzipiert, den Yamazato - Raum.
Yamazato ist ein abgeschiedenes Bergdorf als vollkommener Ausdruck des wabi. Und genau für diesen Raum hat Rikyu das Yamazarto-Daisu entworfen. Das ist ein "normales" Daisu, bei dem die vordere rechte Ecke des oberen Brettes, des Ten-ita abgeschnitten ist. Vermutlich, weil eben diese Ecke dem Gast unangenehm ins Gesicht ragte. So konnte er auch in einem absoluten 2-Tatami-wabi-Raum Daisu tenmae machen.

Wenn man also neu einen Teeraum plant, sollte man an diese Möglichkleiten denken.
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