Nansen und die Katze

[sensei]

Vor ein paar Jahren habe ich einmal aus aktuellem Anlass eine kleine "Satire" über das Koan geschrieben, in dem Nansen die Katze tötet, weil die Mönchen im Kloster über die Katze stritten.
Dieser kleine Text () war nicht so sehr als Interpretation des Koans gedacht als vielmehr als Anregung, nicht um Katzen oder sonstiges zu streiten. Aber damals wurde leider die Katze getötet.

Kürzlich habe ich eine mail bekommen: "Du hast den Sinn des Koans nicht verstanden!"

Naja, war ja auch nur eine Satire. Aber vielleicht hat da jemand noch eine Meinung zu dem Koan????

[friede]

Der Text stimmt traurig und nachdenklich zugleich. Auf der anderen Seite: die "Katze" wäre jederzeit zu retten gewesen. Leider war das Ego der beiden Seiten viel zu gross, als dass sie Erbarmen und Liebe zum Leben empfinden konnte. Das Ego war viel zu mächtig und das Erbarmen unter einer dicken Schicht begraben.
Aus der Weisheitsliteratur gibt es zwei (mir bekannte) Geschichten, die mir ähnlich in Inhalt und Aussage entgegen kommen. Salomo und die beiden Frauen/Mütter, die sich um das Kind stritten und nur die echte Mutter - kraft ihrer Liebe - das Kind rettete, durch Verzicht. Dann: der kaukasische Kreidekreis...
Parallel dazu fallen mir die zahllosen wie sinnlosen, unbarmherzigen Kriege und Konflikte ein, die blind auf den eigenen Vorteil bedacht sind. Die Katze blieb und bleibt stets auf der Strecke (das Leben).

[sensei]

Gut, man hätte hoffen können, dass die Mönche entsetzt innehalten in ihrem Streit, wenn der Meister Nansen drohte, die Katze zu töten, um die der Streit ging. Aber die Menschen sind nicht einsichtig. Der Streit ist wichtiger als das Leben der Katze.
Aber muss dann Nansen, als er einsieht, dass die Mönche in ihrer Streitsucht nicht innehalten, denn wirklich die Katze töten? Darf ein Zenmeister, dem das Leben heilig sein sollte, nur um die Unsinnigkeit eines Streites zu zeigen, die Katze dann tatsächlich in zwei Teile teilen?
Mir gefriert jedesmal das Blut, wenn ich das lese! Ein Zenmeister schneidet eine Katze in zwei Teile, nur um zu zeigen, dass der Streit unsinnig ist? Ist Nanzen damit nicht genauso uneinsichtig wie die streitenden Mönche? Hätte er nicht besser resigniert über die Uneinsichtigkeit der Streitenden das Messer weglegen und seufzend über die Dummheit den Ort verlassen müssen? Aber nein, er schneidet tatsächlich die Katze in zwei Teile. Jetzt hat jeder Partei der streitenden Mönche seine Katze und Nansen hat Ruh.

Diese Grausamkeit der Geschichte hat schon immer Entsetzen hervorgerufen. Zen-Meister Dôgen meint dazu, Nansen wußte wohl, wie man die Katze entzwei schneidet, aber er wußte nicht, wie man sie wieder in Eins schneidet.

Hat Nazen versagt? Hätte es nicht genügt, wenn er das Zerschneiden der Katze angedroht hätte um die Streitenden zur Vernunft zu rufen? Aber nein, er schreitet zur Tat und zerschneidet die Katze! Hatte er den unter den Mönchen so wenig Autorität, dass er diese Grausamkeit tatsächlich durchführen mußte?

[friede]

Wenn alles so einfach wäre. Wir wünschen uns alle ein "happy end" und "alles wird gut" usw.... Ich glaube, es gibt noch einen anderen Zugang zum Text (oder Geschehen). Beide Seiten sind erhärtet, Herz und Verstand sind verstockt. Um den Mönchen die Konsequenzen anschaulich wie dramatisch vor Augen zu führen, geht Nanzen bis über die (Schmerz)Grenze hinaus und lehrt sie durch seine Tat: die Katze wird getötet. Diese Tat - so brutal sie daherkommt und berührt - ist ein Lehrstück, das uns aufwecken soll(te). Diese Unnachgiebigkeit tötet in vieler Hinsicht, nicht nur eine konkrete Katze. Beziehungen zerbrechen, Freundschaften gehen auseinander, Nachbarn streiten sich um Kleinigkeiten ect., wenn nicht dieser Funke überspringt und etwas Wärme ins Spiel kommt.
Und dass die Mönche weder Einsicht noch mütterlich-väterlich Gefühle für die Katze empfanden, ist schlicht traurig. Da hilft weder Klugheit noch Wissen, wenn das Elementarste fehlt.

[yuki]

[friede]

Die Geschichte stellt alles auf den Kopf; nicht nur die Sandalen des Mönches Joshû. Barfüssig und frei das Weite suchen.

[sensei]