Benkei – Treue bis in den Tod

Gerade habe ich einen alten Film auf Youtube über den legendären Kriegermönch Benkei gefunden. Benkei diente während der Genpei – Kriege in Japan dem Minamoto no Yoshitsune bis zu dessen Tod im Jahr 1189.

Die Genpei-Kriege veränderten die Geschichte Japans grundlegend. Nach dem Ende dieser Kreigszeit hatte der japanische Kaiser die Macht an den Shogun in Kamakura abtreten müssen. Die Zeit nach 1200 wurde ein wichtiger historischer Abschnitt, in dem viele der sogenannten „neuen Religionen“ entstanden, zu denen auch der Zen gehört.

Viele der Heldentaten Benkei’s sind in den Stücken des klassischen Noh-Theaters verarbeitet.
Einen großen Teil davon habe ich in meinem Buch
„Vor langer Zeit – Mukashi, mukashi“

nacherzählt und teilweise auch erstmals in deutscher Sprache veröffentlicht.
Das Buch kann im Buchhandel, direkt im Verlagsshop oder auch bei mir direkt bestellt werden.
https://shop.tredition.com/booktitle/Vor_langer_Zeit_-_Mukashi_mukashi/W-1_94988

Yoshitsune war ein genialer Feldherr, der viele Schlachten gegen die verfeindete Sippe der Taira gewonnen hatte. Nach der Legende hat er seine Kriegskunst von den geheimnisvollen Tengu gelernt, die in den Bergen oberhalb der Kaiserstadt Kyoto hausen. Manchmal erscheinen sie wie langnasige Ungeheuer, manchmal nehmen sie auch die Gestalt von Krähen an. Sie beherrschen nicht nur die Kriegskunst, sondern sind auch in der Heilkunst sehr bewandert. Man kann sie heute noch in der Gestalt von Krähen oben in den Wäldern am heiligen Berg Hiesan erleben.

Offenbar Yoshitsune seinem Halbbruder Minamoto no Yoritomo misstrauisch beäugt. Seine Erfolge als Feldherr in den Genpei Kriegen machte ihn für seinen Bruder zu gefährlich und schließlich wurde er auf der Flucht zum Selbstmord gezwungen. Sein treuer Diener Benkei stand vor den Toren und verteidigte seinen Herrn. Er stab im Stehen von vielen Pfeilen durchbohrt, aber niemand wagte sich an ihm vorbei. Erst sehr spät erkannten seine Gegner, dass er schon längst gestorben war.

Der Film über Beinei und seinen Herrn Minamoto Yoshitsune wurde 1997 vom Regisseur Akira Inoue aufwändig inszeniert. Die meisten der Filmszenen sind Adaptionen der Noh- Theaterstücke. Die meisten der Szenen sind im Buch nachzulesen.
https://www.youtube.com/watch?v=QS7jYzrmryg&t=168s

Wer wenig Kenntnisse der japanischen Geschichte dieser bewegten Zeit hat, kann sich einen Youtube-Film mit ausführlichen Erläuterungen anschauen. Der Film bringt wirklich ungemein viel historisches Wissen und viele Details, die auch für die gesamte Entwicklung der späteren japanischen Kultur wichtig waren.
Ein Tipp: Bei Einstellungen die Wiedergabegeschwindigkeit verringern. Dann hat man mehr Zeit, die informativen Bilder zu sehen während man die Untertitel liest. Oder gleich auf Englisch anschauen. Wirklich sehenswert.
https://www.youtube.com/watch?v=-wGAtS7Hyg8&t=3527s


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Kalavinka – Hass ist tötlich

Gerade habe ich auf youtube ein Video entdeckt mit einem klassischen chinesischen Tanz. Dort tanzen Kalavinka. Das sind himmlische Wesen, die wie Vögel fliegen können, die den ganzen Tag tanzen und musizieren. Im Tanz sind sie so dargestellt, dass sie wie eine Kannon, ein Buddha des Mitgefühls mit tausend Armen erscheinen. Wenn sie auseinander treten, erkennt man erst, dass es nicht eine einzelne Gestalt ist, sondern dass da viele Kalavinka tanzen.

Aber sie sind, obwohl es himmlische Wesen sind, nicht immer so ganz einig. Es gibt eine Erzählung von einer Kalavinka, die sich wie siamesische Zwillinge einen Körper teilen. Sie habe zwei Köpfe und zwei Arm- und Beinpaare. Aber sie sind niemals gleichzeitig wach. Wenn der eine Kopf wach ist, muss der andere schlafen.

Sie hassen sich derart, dass der wache Kopf immer überlegt, wie er den gehassten Zwilling wieder loswerden könnte. Schließlich kommt einer der Köpfe auf die Idee, im wachen Zustand Gift zu trinken um den anderen zu vergiften. Tatsächlich stirbt der dann auch. Aber – oh weh, sie haben ja nur einen Körper. Es stirbt nicht nur der schlafende Teil, sondern auch der Wache, denn das Gift wirkt halt auf den gemeinsamen Körper. Und so sterben dann auch beide Kalavinka.

In vielen japanischen Tempeln sind diese Himmelswesen dargestellt. Auch im großen Eingangstor des Tofukuji Tempels im Süden der alten Kaiserstadt Kyoto sind sie als Deckengemälde dargestellt. Leider ist die Malerei normalerweise nicht zugänglich, denn die Malerei ist sehr empfindlich und muss geschützt werden. Aber ich hatte einmal das Glück, die Malereien besichtigen zu können, als das Tor gerade aufwändig restaurier worden war. Dort fliegen die beiden siamesischen Zwillinge, ein Kopf hängt schlafen herunter, das wache Gesicht ist vor Hass verzerrt.

Diese Kalavinka fliegen im westlichen Paradies des Amida Buddha. Dort gibt es keinen Hass und keinen Neid. Alle Wesen sind erlöst vom Leiden. Nur die Kalavinka nicht???? Ist das Paradies vielelicht auch vergiftet vom Hass?

Ich weiß nicht, ob die Menschen sich am Vorbild der sich hassenden Kalavinka orientieren oder ob die Himmelswesen die Menschen nachahmen. Aber vielleicht könnten beide aus der Geschichte lernen, dass wir keine Einzelwesen sind. Wie oft sind es gerade die Brüder, die eigentlich zusammengehören, die sich bis auf den Tod hassen. Mir fällt da gerade kein Beispiel dazu ein. Oder doch etwa? …. ?

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Trink Tee – Geh!

In unserem Teeraum in der Rhön hängt eine Schriftrolle mit dem Spruch Ki Sa Ko: Trink Tee –  Geh!

Der Spruch wird dem alten chinesischen Zenmeister Zhàozhōu zugeschrieben, den die Japaner Jōshū nennen. Jōshū lebte in der Zeit der Tang-Dynastie im 8. Jahrhundert. In seinen jungen Jahren wanderte er durch China und besuchte viele Zenmeister. Erst im Alter von 80 Jahren ließ er sich in einem halb verfallenen Tempel nieder und wirkte dort noch vierzig Jahre lang als Zenmeister.

Wenn ein Mönch auf seiner Wanderschaft in seinen Tempel kam, so fragte er: „Warst du schon einmal hier?“ Unabhängig davon, ob der Mönch die Frage bejahte oder verneinte, sagte der alte Meister: „Trink Tee, dann geh!“

Vermutlich wollte Jōshū nicht wissen, ob der Mönch schon einmal an genau diesem Tempel war. Seine Frage zielte darauf, ob sein Gegenüber überhaupt schon einmal ganz konkret im jeweiligen Augenblick gewesen ist. Wie oft sind wir an einem Ort, den wir nicht einmal wahrnehmen, weil wir mit den Gedanken ganz woanders sind. Es geht darum, vollkommen im Augenblick anzukommen. Wenn wir so angekommen sind, können wir uns ganz und gar dem Tee widmen und ihn mit voller Achtsamkeit genießen. Ist dieser Augenblick vorüber, so heißt es, loszulassen. 

Das gilt nicht nur für den Tee. Auch Goethes Faust sagt zum Versucher Mephistopheles: „Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! Du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehen!“ Faust weiß, dass er den Augenblick nicht festhalten kann, und er will es auch nicht tun. Wollte er den Augenblick festhalten, so würde er zu Grunde gehen. 

Jeder Augenblick des Lebens ist wie der Tee. Trink Tee- dann geh!
Aber das Los-lassen fällt oft so schwer. Nicht nur, wenn der Augenblick so schön ist. Auch wenn wir leiden und der Zustand, in dem wir uns gerade befinden nur noch Leiden oder Unwohlsein erzeugt, wollen wir festhalten. Die Angst vor dem Unbekannten und Neuen das auf uns zukommt, wenn wir loslassen, ist oft so groß, dass wir lieber weiter leiden. Den alten Zustand kennen wir, aber das Neue ist unbekannt und erzeugt oft Angst.

Der alte Jōshū hat zwar wohl den Augenblick gemeint, den wir gerade erleben. Aber es geht nicht nur um den Augenblick des Teetrinkens, sondern gerade auch um das Loslassen ganz allgemein. Vielleicht ist auch das Alter ein Loslassen vom Gewohnten. Jeden Augenblick werden wir älter und alte Verhaltensmuster müssen wir hinter uns lassen. So verstanden ist das Teetrinken ein Bild für das ganze Leben. Wenn es zu Ende geht, heißt es, zu gehen. Ganz ohne Bedauern. 

Falls die Überlieferung richtig ist, dann begann Jōshū mit seinem Wirken in einem Alter, in dem sich viele Menschen schon längst zur Ruhe gesetzt haben oder von Krankheiten geschwächt nur noch vor sich hin leben oder bereits längst schon in eine andere Welt hinüber gegangen sind. 

Gerade in der letzten Zeit haben sich eine Reihe von Menschen aus meinem Umfeld für immer verabschiedet, obwohl sie noch einige Jahre jünger waren als ich selbst. Ganz plötzlich und unerwartet hat sich Reinhard Knodt verabschiedet. Damit ist auch der Schackenhof Geschichte.

Unter anderem ist auch ein langjähriger Schüler gegangen, mit dem ich gemeinsam viele Projekte verwirklicht hatte. Er war einige Jahre jünger. Unter anderem hatten wir eine große und viel beachtete Ausstellung über Drachen in Japan und China aus seiner umfangreichen Sammlung gestaltet. Dazu hatte ich ein Buch geschrieben: „Heilige Drachen. Alte Welt, Indien und China“. Dabei war noch viel Material gesammelt worden. Aber es brauchte noch weitere zehn Jahre, bis ich rechtzeitig zu Weihnachten im letzten Jahr den zweiten Band fertig gestellt habe. Dort sind viele Geschichten über Drachen in Korea und Japan gesammelt. Unter anderem begegnen wird dort dem im Westen weitestgehend unbekannte Kegon Sutra, das heute in den koreanischen Zen-Tempeln oder im Tempel Todaiji in Nara, dem Tempel mit dem großen Buddha studiert wird. So romantisch der Text klingt, so modern scheint er zu sein. Eine Grundannahme des Kegon-Sutra oder wie es mit seinem anderen Namen heißt dem Blumengirlanden Sutra ist das Netz des Indra. Vor dem Palast des indischen Götterkönigs Indra ist ein Netz ausgespannt, wie ein Spinnennetz. Die Fäden des Netzes verbinden die zehntausend Dinge. Das bedeutet, dass alles mit allem verbunden ist. An jedem Knotenpunkt des Netzes sitzt ein Diamant, der das Licht der Sonne, des sonnenhaften Buddha reflektiert. Wird auch nur ein einziger dieser Diamanten bewegt, so hat das eine Auswirkung auf das gesamte Netz. Alles hängt mit allem zusammen. Ein Gedanke, den wir heute im ökologischen Denken mühsam und manchmal schmerzhaft lernen müssen. 

So entsteht ein großer Respekt vor der Natur. In Japan sind die Drachen eine Verkörperung der ursprünglichen Natur und der Lebenskraft. Sie leben in den waldreichen Bergen, die teilweise so heilig sind, dass sie auch heute noch nicht betreten werden dürfen.

Das Buch ist sehr persönlich geworden, denn alle die heiligen Orte in Korea und Japan, die im Buch besprochen werden, habe ich selbst besucht. So ist es voll von Erinnerungen an die großartigen Orte mit teilweise geradezu mystischer Atmosphäre. Leseprobe oder bestellen beim Verlag

Das Buch in der Hardcover Version kann auch direkt bei mir bestellt werden. Auf Wunsch schreibe ich auch eine Kalligraphie, z.B. das japanische Zeichen für Drache. 

Noch vor Weihnachten des letzten Jahres schien meine Gesundheit unerschütterlich. Das Buch war fertig geworden und ich hatte noch viele Pläne, als ich ein wenig kränkelte. Wir fuhren dann doch zum Krankenhaus in die Ambulanz. Aber der Arzt entschied, dass noch in der Nacht operiert werden musste. Gerade noch rechtzeitig. Ein Tag später wäre wohl zu spät gewesen. Aber es gibt eben noch viele Schalen Tee zu trinken. Noch ist es nicht die Zeit zu gehen. Merkwürdigerweise hatte ich in der ganzen Zeit im Krankenhaus oder der Reha niemals das Gefühl einer Verbitterung. Warum gerade ich und warum jetzt? JETZT war eben die Zeit für das das Krankenhaus. 

In mein Krankenzimmer leuchtete in der Nacht der Mond und ich schrieb kurz nach der Op – viel zu schwach zum Aufstehen – ein Haiku:

Hell leuchtet der Winter Mond.
Drin singt der Teekessel sein Lied.
Heimkehr in die Stille. Immer und immer.

Nun bin ich längst wieder zu Hause und habe am Benediktushof inzwischen wieder ein Seminar zum Teeweg gehalten. Die Tee-Schüler kommen zum Tee Unterricht oder zum Shakuhachi spielen. Und nun werde ich endlich das Buch über den japanischen Teeweg zu Ende schreiben, das schon viele Jahre als Projekt in meinem Kopf liegt. 

Draußen der Garten grünt und blüht und viel Arbeit wartet. Auch am Teeraum gibt es noch so einiges zum Basteln. Vermutlich wird der eh niemals fertig. Alles verändert sich, nichts bleibt gleich.

Carola unterstützt mich bei der Arbeit und sie führt jetzt die Teezeremonien für unsere Gäste durch. So ist gewährleistet, dass der Teeweg hier im alten Forsthaus weiter gelebt und gelehrt wird. Gäste oder neue Schüler sind jederzeit nach Voranmeldung willkommen.

Shakuhachi Unterricht gibt es wie früher entweder hier vor Ort oder auch online.

Ich hoffe, wir werden noch viele Schalen Tee miteinander teilen. Und wenn nicht, dann ist es eben Zeit zu gehen.


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Lied unter dem Septembermond

Wir laden ein zu einem meditativen Konzert
mit der japanischen Shakuhachi Bambusflöte der Zen-Mönche
gespielt von Gerhardt Staufenbiel
mit besinnlichen Texten gelesen von Carola Catoni

Nur noch wenige Menschen beherrschen das Spiel der Zen-Bambusflöte
in der jahrhundertealten Tradition des Icchoken – Tempels in Hakata, Japan.

Samstag, den 24. September 2022
Einlass zum Garten ab 17.00 Uhr
Beginn 18.00 Uhr Ende ca. 19.30 Uhr
Eintritt frei – Spenden willkommen
Japanisches Teehaus / Atmen und Sein

Im alten Forsthaus in Waldfenster
Burkhardroth, Jägergasse 4
http://Teeweg.de/de – http://atmen-und-sein.com/

Wir bitten um verbindliche Anmeldung. Es gibt nur wenige Plätze!
Mail: Info@teeweg.de, Tel.: 0151 41447414‬ oder 0151 63387442‬
Bitte mitbringen: bequeme Kleidung, warme Socken, evtl. dünne Decke.


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Rückkehr zum Himmel

Rückkehr zum Himmel

Ich werde zum Himmel zurückkehren,
Hand in Hand mit dem Tau,
der unter der Berührung des Frühlichts dahinschwindet.

Ich werde zum Himmel, zurückkehren,
allein mit dem Dämmerlicht,
wenn die Wolken uns am Fuße des Berges beim Spielen zusehen.

Ich werde zum Himmel zurückkehren,
an dem Tag, an dem der Ausflug auf dieser schönen Welt endet,
werde gehen und sagen, es war schön.

Sang-Byeon Chun

Ich arbeite derzeit wieder an dem zweiten Band meines Buches über die Drachen und bin beim Kapitel über Korea angelangt. Da fiel mir wieder ein schmales Gedichtbändchen des südkoreanischen Dichters Sang-Byeong Chun in die Hand, das ich von seiner Witwe Mok Sun-Ok bei einem Besuch in Seoul geschenkt bekommen hatte. Ich hatte sie in ihrer Teestube „Kwi-ch’on“ in der traditionellen Einkaufsstraße Insa-Dong in Seoul mit den vielen Antiquitätengeschäften besucht. Natürlich war dort auch Brother Anthony of Taizé dort. Er ist ein englischer Professor, der seit vielen Jahren in Korea lebt und viele koreanische Dichter und Poeten übersetzt hat. Er hat auch ein Buch über die koreanische Teezeremonie geschrieben, weshalb ich ihn kennenlernen wollte. Inzwischen ist er als Koreaner eingebürgert und heißt nun 안선재 – An Seon-Jae.

Sang-Byeon Chun ist in Deutschland – so wie auch die meisten koreanischen Künstler – bei uns kaum bekannt. Aber er hat einen diplomatischen Konflikt zwischen der südkoreanischen Militärregierung und der Bundesrepublik ausgelöst. 

Chun war in Japan geboren worden. Nachdem Korea am Ende des Weltkrieges aus der japanischen Herrschaft befreit und ein eigener Staat gegründet war, kam er nach Korea. Noch während der Schulzeit begann er, Gedichte in koreanischer Sprache zu schreiben. Aber schon bald begann der fürchterliche Koreakrieg, der formal bis heute nicht beendet ist. Während der Zeit der Militärregierung unter General Park Chung-hee floh Chung wie viele südkoreanische Künstler nach Europa. Er hielt sich in Paris und Deutschland auf. Er wurde unter dem Vorwurf, er sei in der Ostberliner Botschaft Nordkoreas als Spion gegen Südkorea ausgebildet worden, entführt und in Südkorea schwerer Folter unterzogen. Aber er wurde niemals verurteilt oder auch nur angeklagt. Danach war er ein gebrochener Mann, der sich alkoholsüchtig in den Straßen von Seoul herumtrieb. Schließlich galt er als verschollen, aber er war unbekannt in eine psychiatrische Klinik eingeliefert worden. Genau am Tag seiner Einlieferung erschien „posthum“ ein Gedichtband, weil man dachte, er sei verstorben. Seine spätere Frau war in Hiroshima geboren. Sie entkam der Bombe, aber ihr Vater kam bei dem Angriff ums Leben. Sie betrieb die kleine Teestube, die nach dem Gedicht „Rückkehr in den Himmel“ Kwichon heißt. Dort trafen sich immer wieder viele Intellektuelle und Künstler. Die Teestube ist eine kleine Gedenkstätte für Sang-Byeon Chu.

Der Tag des Herrn
Hoch am klaren Herbsthimmel wie heute,
höher darüber fließen die Wolken dahin.

Direkt vor dem Eingang einer katholischen Kirche
warte ich nun.

Wenn der am Eingang wachestehende Verkehrspolizist
sich fertig gereinigt hat, will ich mich auch reinige

Es wäre ja eine Schande,
hätte er eine bessere Einstellung als ich.

Hoch am klaren Herbsthimmel wie heute,
höher darüber fließen die Wolken dahin.

Der Vogel.

Ein junger Soldat, der über die Feuerstellung des neuesten Maschinengewehres nachdachte, langweilte sich zu Tode. Eines Tages sah er liebevoll zu einem Vogel hinauf, der über seinen Kopf geflogen war. Der Soldat, der in den Bergen aufgewachsen war, widmete dem Vogel seine Aufmerksamkeit. Von dieser Aufmerksamkeit wurde die Augen des Mannes rot. Langsam bewegte sich seine Hand und zielte mit der Mündung des Maschinengewehres auf den Vogel und schoss. Blutend stürzte der Vogel vom Himmel herunter. Das Gebüsch streichelte die Leiche, als wäre es die Handfläche des heiligen Paulus, und es versammelten sich alle Bäume, Gräser und Blumen und schrieen laut:
„Das Blut des Unschuldigen kann nicht ausgewaschen werden. Das Blut des Unschuldigen kann nicht ausgewaschen werden!“

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