Das Alte und das Neue Jahr.

Am Jahresende fiebert jeder dem neuen Jahr entgegen. Was wird es bringen, wird sich alles wenden?

Nun haben wir schon wieder ein neues Jahr. Das Jahr des schwer arbeitenden und bedächtigen Ochsen ist im Schwinden und der dynamische Tiger lauert schon vor der Tür. Alles wird besser werden, nicht bleibt so, wie es war!
Wirklich?

Was ist eigentlich ein neues Jahr? Liegt das Datum des 1. Januar irgend ein Ereignis in der Natur zu Grunde? Früher war der Jahreswechsel ohnehin erst Mitte Januar oder dann am 6. Januar. Oder auch schon mal an Weihnachten, wie es die Kirche früher gesehen hat. Erst der Gregorianische Kalender hat ein einheitliches Datum für das Neue Jahr gebracht.

Würden wir nach dem reinen Sonnenkalender gehen, so müsste der Jahreswechsel sinnvollerweise im letzten Jahr am 21. Dezember um 18:47 MEZ gewesen sein, denn das ist der Zeitpunkt der Wintersonnwende. Von da ab werden die Tage wieder länger und die Nächste kürzer.

In Ostasien richtet sich der Jahresanfang ohnehin nicht nach der Sonne, sondern nach dem Mond. Darum konnte es vorkommen. Aber der Frühlingsanfang – Rishun – war dann, wenn die Sonne einen bestimmten Stand erreicht hatte.  Es konnte also immer wieder vorkommen, dass der Frühling noch im alten Jahr begann. So beginnt die Sammlung Kokin wakashu:

Im alten Jahr
Hat der Frühling schon begonnen –
Soll ich dieses Jahr
Nun letztes oder  neues nennen?

Das Datum des Jahreswechsels ist also vollkommen willkürlich vereinbart oder von oben herab festgelegt worden. Welche Schicksalträchtigkeit soll einem so gewonnenen Datum beiwohnen? Wendet sich unser Schicksal nicht jeden Tag?  Warum brauchen wir einen ganz besonderen Tag, um – je nach Veranlagung –  über unser Schicksal nachzusinnen oder aber wilde Feiern zu veranstalten. Sind die wilden Feiern gar nur eine Flucht vor der Besinnung über unser Geschick an einem Wendetag?

Im alten Japan – und nicht nur dort – musste man zuerst die Weisen befragen, bevor man irgend etwas Entscheidendes unternahm. Prinz Genji befragt sogar das Orakel, wann ein guter Tag zum Haareschneiden für die kleine Murasaki ist. Haareschneiden kann man nämlich nur an den dafür günstigen Tagen.  Manchmal war so ein Schicksalsentscheid durchaus ganz praktisch. Wenn die Richtung, in der der Palast lag, in den Genji zu seinen Pflichten eilen musste in einer ungünstigen Richtung lag, so musste er eben eine glücklichere Richtung wählen und die Nacht bei einer dort wohnenden Geliebten verbringen. Sowas bräuchten wir heute auch: „Chef, ich konnte heute leider nicht zur Arbeit kommen, weil die Richtung ungünstig war!“ Jeder gute Chef wird da doch voll einsichtig sein!

Inzwischen gibt es auch bei uns Mondkalender zu haben, in denen steht, wann man die Haare schneidet, wann man die Blumen gießt und den Rasen mäht. Leider steht da meistens nicht drin über unglückliche Richtungen zum Büro. Kann ja sogar sein, dass der Mond Einfluß auf das Wachtsum hat. Aber auf unser Schicksal?

Im Zen gibt es den Spruch:

Nichi Nichi kore kojitsu – Tag für Tag guter Tag!

Der chinesische Dichter und Einsiedler Hanshan hatte geschrieben:  „Dort wo ich leben, haben die Kalender keine Monate und Tage.“

In dieser Welt nimmt alles seinen vorbestimmten Lauf.
Tage und Monate verströmen unaufhaltsam wie der Fluß.
Die Welt zu ändern überlaß ich euch,Ich sitze stillvergnügt zwischen den Klippen.

Das ist es: Tag für Tag, guter Tag.

PS.:

Während ich das hier schreibe, habe ich enteckt, dass ich meinen Terminkalender verlegt hab. Muss den erst mal suchen, bevor ich weiter schreibe!

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Dichtung / Philosophie veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.