Monatsbrief
Im Zen erzählt man die Geschichte von Freunden, die in der Dunkelheit spazieren gehen. Plötzlich springt einer zur Seite und schreit ängstlich:
„Vorsicht, da liegt eine Schlange!“
Die Freunde lachen:
„Das ist nur ein Seil, das du in der Dunkelheit für eine Schlange gehalten hast!“
Einige Zeit später gehen die Freunde wieder in der Dunkelheit spazieren. Da springen die Freunde beiseite:
„Vorsicht! Da liegt eine Schlange!“
„Ach was“, lacht unser Freund. „Das ist doch bloß wieder ein Seil!“
Da beißt die Schlange zu!
Im Zen geht es darum, mit einem klaren Geist, frei von Angst und Vorurteilen zu sehen, was tatsächlich ist.
Wir wandern durch die Dunkelheit der Nacht, niemand kann klar sehen. Oft zeigen uns unsere Ängst Dinge, die nicht vorhanden sind.
Aber es geht darum, auch in Zeiten der Dunkelheit einen klaren und offenen Blick zu bewahren.
Liegt da ein Seil, so sieht man ein Seil. Liegt da eine Schlange, weicht man der Gefahr aus.
Alles andere wäre Täuschung.
Aber unser Bewusstsein lässt uns oft Gefahren sehen, die nicht vorhanden sind. Unsere Angst prägt die Wahrnehmung. Umgekehrt kann unsere Ignoranz dazu führen, reale Gefahren nicht wahrzunehmen. Es wird schon nichts passieren! Frei nach dem kölnischen Motto „Et hätt noch emmer joot jejange“.
Angst kann unsere Wahrnehmung verändern und uns blind machen für die Realität. Angst kann sogar dazu führen, dass wir förmlich das herbeirufen, vor dem wir Angst haben. Studien zeigen, dass Amerikaner japanischer Abstammung besonders häufig am 4. Tag eines Monats einem Herztod erliegen. In der japanischen Sprache klingt „Vier – shi“ wie „Tod – shi“. Also gilt die Vier als Unglückszahl, die mit dem Tod verknüpft ist. Vor lauter Angst sterben mehr Menschen am 4. Tag als es dem Durchschnitt entspricht.
In der Medizin kennt man den Placebo-Effekt: Placebos, also Medikamente ohne Wirkstoff, werden in der Medizin eingesetzt, um eine erwartete Wirkung auf psychologischem Wege beim Patienten zu erzielen. Wenn wir davon überzeugt sind, dass ein bestimmtes Medikament oder auch nur ein besonderes Ritual helfen und schützen, dann wird überdurchschnittlich oft eine positive Wirkung eintreten.
Vielleicht sind die Rituale eines Medizinmannes reines Placebo. Aber sie wirken ohne Nebenwirkung. Vielleicht ist der weiße Kittel des Herrn Doktor auch eine Art Placebo. Vertraut man seinem Arzt, sind die Heilungschancen weitaus höher, als wenn man ihm nicht traut. Vielleicht sind die Rituale der Zen – Meditation oder der Teezeremonie nur ein Placebo. Aber wenn sie helfen ….
Aber es gibt auch den umgekehrten Effekt des Nocebo: Durch die Erwartung, ein (vermeintliches) Arzneimittel werde schädliche Wirkungen haben, kann diese Wirkung eintreten – eine schädliche Nebenwirkung wird durch die negative Erwartung ausgelöst oder verstärkt. Es konnte nachgewiesen werden, dass Senioren, die größere Angst vor einem Sturz hatten, häufiger einen solchen Unfall erlitten als Altersgenossen, die weniger Angst hatten.
Wenn Menschen davon ausgehen, dass es bald kein Klopapier mehr geben wird, führt das zu Panikkäufen. Und wie kürzlich geschehen zu Schlägereien an der Supermarktkasse.
Es ist schon eine merkwürdige Völkerpsychologie. Zu Anfang der Corona Zeit trafen sich die Italiener auf Balkonen zum gemeinsamen Gesang. In Frankreich wurden große Mengen Wein und Kondome gekauft. Deutschland kauft Klopapier und England hofft auf seine Insellage. Amerikaner horten Schusswaffen.
Pessimistische Grundeinstellungen, schlechte Erfahrungen oder Ängstlichkeit können dazu führen, dass Menschen eine negative Wirkung erwarten, die dann auch eintrifft.
In diesen Zeiten gilt es, mit wachem und klarem Geist die Dinge so zu sehen wie sie sind. Rituale beruhigen, aber es wäre unsinnig, auf Vorsichtsmaßnahmen zu verzichten. Gemeinsame Meditation vieler Menschen wird das Virus nicht töten, aber es schenkt inneren Frieden. So wird wohl beides zusammen sinnvoll sein!
Niemand weiß, wie sich die Lage durch das Virus entwickeln wird, niemand kennt die wirklichen Zahlen der Sterblichkeitsraten. Die Angaben der Experten schwanken zwischen 0,25 und 6 %. Das liegt daran, dass niemand weiß, wie hoch die Dunkelziffer bei den Infektionen ist. Möglicherweise gibt es viele unentdeckte Fälle, die deshalb unentdeckt bleiben, weil sie mild verlaufen und nicht getestet wurden. In den einzelnen Ländern wird auch jeweils anders für die Statistik gezählt. In Italien ist jeder Tote, der mit Corona infiziert ist, ein Corona Toter. In Russland ist die alte Dame im Endstadium der Krebserkrankung zunächst als Corona Tote gezählt worden. Später wurde das korrigiert: Sie war an einer Embolie und nicht an Corona gestorben. Zahlen schwirren uns um den Kopf und verunsichern. Wir haben früher immer gesagt: Trau keiner Statistik, die du nicht selber aufgestellt hast. Daran sieht man, dass auch die Wissenschaft mit ihren scheinbar objektiven Daten keine wirklichen Aussagen treffen kann. Erst in ein oder zwei Jahren werden wir mehr verstehen, aber eben dann nicht als Betroffene, sondern aus sicherer Distanz. Um im Bild zu bleiben: Derzeit sind wir mitten in der Corona Nacht. Harren wir aus, bis es wieder Tag wird. Auch die schwärzeste Nacht hat einmal ein Ende.
Halten wir uns an die vernünftigen Regeln des Selbstschutzes, aber ohne in Panik zu geraten.
Trinken wir in alles Ruhe eine Schale Tee und bewahren unsere Gelassenheit. Vielleicht hat dieses Teetrinken die Wirkung des Placebo-Rituals eines Medizinmannes. Aber wenn es den Geist beruhigt, hilft es mindestens, nicht in Panik zu geraten.
Wenn unser Herz ruhig bleibt, ist schon viel gewonnen. Dann können wir mit klarem Kopf alles wirklich notwendigen Schritte ergreifen.
Vielleicht ist es in diesen Zeiten hilfreich, etwas gemeinsam zu tun. Wir können uns nicht hier im Teehaus treffen. Aber das Internet bietet gute Möglichkeiten. Das neue Teehaus ist zwar inzwischen fast fertig, aber Unterricht im Tee und in Shakuhachi ist derzeit nur online möglich.
Ich habe mich entschlossen, jeden Tag um 19.00 Uhr ein neues Stück auf der Zenshakuhachi ins Netz zu stellen. Treffen wir uns zur gemeinsamen Meditation beim Hören der meditativen Stücke. Nach der chinesischen Medizin wirken die fünf Töne der pentatonischen Musikskala positiv auf die fünf Hauptorgane. Selbst wenn es ein Placebo sein sollte, hilft es doch, wenn wir wissen, dass da draussen noch andere Menschen gemeinsam mit uns meditieren. Hölderlin schreibt in seinem Gedicht Patmos:
Drum, da gehäuft sind rings, um Klarheit,
Die Gipfel der Zeit,
Und die Liebsten nahe wohnen, sehnsuchtsvoll, ermattet, auf
Getrenntesten Bergen,
So gib unschuldig Wasser,
O Fittige gib uns, treuesten Sinns
Hinüberzugehn und wiederzukehren.
Gerade für diejenigen von uns, die allein leben oder sogar schon in Quarantäne zu Hause sind, ist es wichtig zu wissen, dass dort draussen, auf getrenntesten Gipfeln noch die Liebsten wohnen. So soll uns das Internet die Fittige leihen, hinauszufliegen zu den Liebsten. und wiederzukehren in unsere Stube
Die Shakuhachi Meditationen sind zu finden im
Facebook/ Gerhardt Staufenbiel
oder auf meiner Webseite im Blog:
Zenshakuhachi umarmt Corona.
Treffen wir uns jeden Abend zur gemeinsamen Meditation im Netz um 19.00 Uhr.
Gebt den Link weiter, damit möglichst viele Menschen sich zur gemeinsamen Meditation treffen können.
Auch Carola Catoni in deren alten Forsthaus das Teehaus eine neue Bleibe gefunden hat, schreibt nahezu täglich Meditationen auf ihren Seiten:
Atmen und Sein
Atmen und Sein.com
Ich wünsche allen Freunden und Bekannten eine gut Zeit, gute Gesundheit und viel Kraft und Optimismus in dieser schwierigen Zeit.
TERMINE
Sämtliche Termine der nächsten Zeit sind abgesagt.
Das Shakuhachi Seminar auf Teneriffa findet nicht statt.
Eine geplante Japanreise kann nicht stattfinden.
Derzeit ist nur online Unterricht möglich.
Anfragen zum Unterricht, besonders Shakuhachi, aber auch Teeweg zur Termin Vereinbarung jederzeit. Bewährt hat sich facetime oder Amazon chime.