Haiku von Annemarie

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    • #2424
      Gerhardt Staufenbiel
      Administrator

      Heute hat Annemarie ihre Haiku geschickt. Ich stelle sie hier für sie ein.

      Auf dem Weg zum Benediktushof. Es ist schwüler Wetter und der Verkehr auf der Autobahn ist hektisch wie meistens:

      Weg in die Stille,
      reinigendes Gewitter,
      Benediktushof.

      (Am ersten Abend, im Treppenhaus:)

      Zwei Spinnen spinnen
      im goldenen Abendlicht.
      Wer wird gegessen?

      (Am Samstag, vor dem Frühstück:)

      Sitzen und atmen,
      die Gruppe begrüßt den Tag,
      Vogelgezwitscher.

      (während des Frühstücks:)

      Hundert Zen-Schüler
      in gefräßiger Stille,
      Stärkung für den Tag.

      (beim Mittagessen:)

      Zwanzig Minuten
      fürs Essen in Gemeinschaft –
      warum nur so kurz?

      (als Reaktion darauf:)

      Zen hetzt beim Essen.
      Ziviler Ungehorsam:
      Ich esse weiter.

      (Im Treppenhaus meines Wohnflügels:)

      Grasiger Hüpfer,
      verloren im Treppenhaus.
      Wer hilft ihm hinaus?

      (Treppenhaus zwischen Seminarraum und Essraum:)

      Vorsicht beim Gehen!
      Steintreppe mit Tritt-Spuren.
      Wie alt mag sie sein?

      Zwölf in der Gruppe.
      Zweien entspricht es wohl nicht.
      Jetzt sind wir zu zehnt.

      (Im Garten:)

      Gehen im Garten –
      huch, schon wieder ein Buddha,
      lächelt vor sich hin.

      (Im gleichen Garten, eine Woche später; Ameisen haben ihr Nest an seinem Rücken, fast bis zum Kopf aufgehäuft:)

      Buddha aus dem Stein,
      erobert von Ameisen,
      und lächelt dennoch.

      Im Zen-Garten: Kies.
      Mittendrin: ein Löwenzahn.
      Ein Schmetterling tanzt.

      Stille im Garten –
      andächtig lauscht die Gruppe.
      Da: der Regen rauscht.

      (Bronzefigur, zwischen Restaurant-Garten und Kirche:)

      Gesammelte Frau,
      hat die Kirche verlassen,
      schaut fragend ins All.

      (Flötenspiel der Shakuhachi in der Kirche:)

      Meisters Flöte tönt.
      Lauschen wie Wind und Wellen,
      nicht verstehen wollen.

      Bewegtes Lauschen.
      Da – ein heftiges „Hatschi“!
      Umso inniger.

      An geweihtem Ort.
      Aus anderer Tradition:
      vertraute Töne.

      (Ankunft bei meinem Seminar eine Woche später:)

      Benediktushof.
      Kaum da, strömender Regen.
      Alles wieder rein.

      (Shakuhachi-Konzert im Gewölbekeller:)

      Herz-Mond lässt Töne
      erklingen und verschweben.
      Die Shakuhachi.

      (Abends im Hof:)

      Halbmond am Abendhimmel.
      Stille als Geschenk,
      dankbar für Frieden.

      (Pater Willigis als Gast bei unserem Seminar, auf die Frage, wer er sei.:)

      Willigis Jäger:
      eine Welle im Seinsgrund.
      Im neunzigsten Jahr.

    • #2425
      Gerhardt Staufenbiel
      Administrator

      Hallo Annemarie,
      das Haiku mit den beiden Spinnen gefällt mir:

      Zwei Spinnen spinnen
      im goldenen Abendlicht.
      Wer wird gegessen?

      Es war ja wirklich ein merkwürdiger Abend, gewitterschwül und ein flammendes Abendrot am Himmel. Ich hatte das Gefühl, die Häuser des Dorfes duckten sich ängstlich weg. Und da dann die beiden Spinnen, die in ihrem Gewebe lauern auf Beute. Ich denke, die Situation könnte durchaus einen drastischeren Ausdruck vertragen: gefressen statt gegessen. Denn die Warten ja auf die Beute, über die sie herfallen und fressen werden.

      Also Vorschlag:

      Zwei Spinnen spinnen
      im goldenen Abendlicht.
      Wer wird gefressen?!

      • #2427
        Annemarie
        Teilnehmer

        Lieber Gerhardt,
        deine Anregung, aus „gegessen“ lieber „gefressen“ zu machen, ist umso passender, als es im Original tatsächlich auch so hieß! Beim Übertragen ist mir das dann verwässert …
        Also bitte gerne ändern, danke!
        Annemarie

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