Über den Teeraum und das neue Schwimmbad am Feuerberg habe ich eine kleine Meditation geschrieben. Hier der Text:
Viereinhalb Matten.
Aki chikaki
kokoro no yoru ya
yo jo han
Der Herbst kommt heran.
Das Herz erfüllt von Sehnsucht:
Viereinhalb Matten
Der japanische Dichter Bashō, der sein Leben dem Zen und der Haiku- Dichtung geweiht hatte, schrieb dieses kleine Meisterwerk. In den knappen 5 / 7 / 5 Silben eines Haiku beschwört er die Sehnsucht nach Geborgenheit und Frieden.
Sein Leben war eine stete Wanderschaft. Er lebte dieses Wanderleben, um zu zeigen, dass unser aller Leben nichts ist als eine Wanderung zwischen Geburt und Tod. Aber die Sehnsucht nach Geborgenheit und Ruhe wohnt tief in unserem Herzen.
Die viereinhalb Matten sind der Teeraum in seiner idealen »Größe«.
Draußen beginnen die Herbststürme zu toben. Aber drinnen glüht das sanfte Holzkohlenfeuer und das Singen des Teekessels wärmt das Herz. Der Tee duftet und alle Sinne werden erfrischt und klar. Der enge Raum weitet sich und die ganze Welt ist versammelt in einer Schale Tee.
Yo-Jo Han ist ursprünglich nicht der Teeraum, sondern ein Flächenmaß von kaum 10 Quadratmetern. Aber dieser winzige Raum ist so weit wie der offene Himmel.
»Das Singen des Teekessels beneidet den Wind in den Kiefern«, so hatte im 15. Jahrhundert einmal ein Berater des Shogun Yoshimasa gesagt. Der Wind in den Kiefern streift frei durch die offene Weite des Himmels und das Singen des Teekessels bringt diese Weite in den kleinen Raum. Selbst der mächtigste Mann Japans sehnte sich nach der Stille und dem Frieden im Teeraum.
Zur Zeit Buddhas lebte ein Mann mit dem Namen Vimalakirti. Er war in die Berge gegangen und hatte dort zurückgezogen in einer Hütte von genau Yo-Jo Han – 10 Fuß im Quadrat – meditiert und war zum Buddha geworden. Seine Buddhaschaft aber lebte er tätig mitten im Leben eines reichen und wohltätigen Kaufmannes. Als er krank wurde, wollte Buddha einen seiner Jünger zu Vimalakirti schicken. Aber einer nach dem anderen lehnte ab. Sie waren nicht würdig, denn sie konnten ihre Buddhaschaft nur in der Einsamkeit oder der Geborgenheit eines Klosters verwirklichen, aber nicht wie Vimalakirti mitten im tätigen Leben.
Der japanische Dichter Kamo hatte sich im 13. Jahrhundert nach dem Vorbild Vimalakirtis in eine solch kleine Hütte in den Bergen zurückgezogen. Der Teeraum in seiner schlichten Gestaltung und Größe folgt dem Vorbild Kamo’s. Seine Hütte »war kaum größer als der Kokon einer Seidenraupe«. Aber die Seidenraupe verwandelt sich im Kokon zu einem wunderschönen Schmetterling. So schenkt auch die Enge des Teeraumes eine solche stille Verwandlung.
In der chinesischen Mythologie gibt es irgendwo weit im Ostmeer eine Insel der Götter. Sie ist genau 10-tausend Fuß im Quadrat. Der Teeraum mit seinen 10 Fuß im Quadrat ist wie ein Spiegel dieser Götterinsel. Dort empfangen alle Götter ihre ‚Urkunde des Lebensursprungs‘. Der Name dieser Insel lautet auf Japanisch Ho-Jo. Der Lebensursprung spiegelt sich im Teeraum und im Herzen der Menschen. Das offene Herz ist genauso weit wie die riesige Götterinsel. Wahre Größe hat ihren Ursprung im Herzen, nicht in der Größe und Pracht gewaltiger Räume.
Der indische Prinz Boddhidharma hatte den Zen nach China gebracht. Auf seinem Weg begegnete er dem Kaiser Wu Di. Der fragte ihn nach der höchsten Wahrheit des Buddhismus. Boddhidharma antwortete nur: »Offene Weite. Nichts Heiliges.«
Später saß er neun Jahre mit dem Gesicht zur Wand in einer Höhle und meditierte. Als er müde wurde und ihm die Augen zufielen, riss er sich die Lieder ab und warf sie zu Boden. Daraus entstand der Teestrauch. Seine Blätter helfen nun, bei der Meditation wach zu bleiben. Nach neun Jahren verließ Boddhidharma seine Höhle. Nun war er verwandelt wie der Embryo im Mutterleib.
Die offene Weite verwirklicht sich nicht nur in weiten und großen Räumen oder an ‚heiligen‘ Orten. Vielleicht gerade in der Konzentration eines schlichten Teeraumes gibt es die offene Weite. Die offene Weite kann man aber auch im neuen Schwimmbad erleben.
Man erlebt die Weite des Himmels und sieht die Wolken ziehen, zehntausend Fuß über der Menschheit‘. Die offene Weite ist nicht außen, sondern im Herzen. Alle Sorgen verschwinden und ziehen weiter wie die Wolken. Das Herz wird frei und leicht wie ein Vogel. Das ist Zen mitten im Leben.