In Korea lebt ein amerikanischer Freund von uns. Seit etlichen Jahren diskutieren wir über den Teeweg und über koreanische Kultur. Gemeinsam hatten wir in Korea einige der alten Tempel und Stätten besucht, unter anderem den Ort Gyeongju, der früheren Hauptstadt des Königreiches Silla (oder Shilla). Dort gibt es wunderbare Tempel und herausrangend schöne Kunst zu sehen. Silla war noch ganz nahe am griechischen Erbe. Unter anderem haben wir einen Höhlentempel besichtigt mit einer beeindruckenden Buddha – Figur. Die ganze Anlage erinnert stark an eine frühbyzantinische Kirche – wenn da nicht im Zentrum der Buddha wäre.
Eine der schönsten Firguren dieser Zeit ist der Maitreya, der Buddha der Zukunft, auf koreanisch heißt er Bungaseo, auf japanisch Miroku. Unser Freund meinte, dieser Buddha steht nicht für irgend eine Zukunft. Die Zukunft ist meine eigene Zukunft, dann nämlich, wenn ich in mir meine wahre Buddhanatur entdeckt haben werde. Darum ist dieser Maitreya – Bugasu – Miroku ein Abbild meines eigenen Herzens.
Vielleicht spricht er uns auch deshalb so unmittelbar an. Als ich das erste Mal in Kyôto im Koryuji Tempel diesem Miroku gegenüberstand, der von Prinz Shotoku geschnitzt worden sein soll, und der genau die Lebensgröße von Prinz Shotoku hat, also etwa 1,60 m, hat mich fast der Schock getroffen. Dieser Maitreya ist leicht nach vorn gebeugt. Die schmalen Finger seiner rechten Hand sind zur Lehrgeste geformt und ein wunderbares, wenn auch sehr zartes, ganz nach innen gekehrtes Lächeln leuchtet direkt ins Herz hinein. Miroku sitzt auch nicht mehr streng im Lotossitz, das strenge Üben hat er bereits überwunden. Der Miriku aus dem Koryuji hat das priesterliche Obergewand bis zur Hälfte heruntergelassen, ein Zeichen, dass er nicht mehr als Priester mit priesterlicher Autorität auftritt. Er ist ein schlichter Mensch „ohne Rang“ geworden. Seit meinem ersten Besuch bei ihm versäume ich es niemals, ihn zu besuchen, wenn ich in Kyoto bin.
Der deutsch Philosoph Karl Jaspers hatte nie Gelegenheit, das Original zu sehen, aber er war von einem Bild so angerührt, dass er diese Figur im Koryuji für die ultimative Plastik der Weltgeschichte hielt.
In Korea im Nationalmuseum in Seoul steht ein Bungaseo aus Bronze, der über und über vergoldet ist. Ganz allein in einer mit schwarzem Samt ausgeschlagenen Nische sitzt er auf seinem Podest, und strahlt, von einer Deckenlampe angeleuchtet, so daß jeder Besucher ganz allein mit ihm ist und Zwiesprache mit ihm halten kann. Bungaseo kommt dieser Zwiesprache entgegen. Er neigt sich leicht hin zu seinem Gegenüber, sein Gesicht ist sehr viel größer gestaltet, als der elegante Körper. Er ist nur und ganz und gar Zwiesprache.
Der Miruku aus dem Koryuji hat mich lange Jahre begleitet. Einer unserer Teilnehmer in den Keramikkursen hat den Miroku aus Ton geformt, fast lebensgroß. Er hat fast ein Jahr lang daran gearbeitet. Dann haben wir das „Monstrum“, das viel zu groß für jeden verfügbaren Brennofen war, mühsam in eine Ziegelbrennerei gebracht. Dort wurde er eingemauert und dann verschwand er langsam auf dem Brennwagen im Brennofen zusammen mit Millionen von Ziegeln. Nach ein paar Tagen kam er dann wieder zum Vorschein und – oh Wunder – er war vollkommen heil geblieben.
Dieser Miroku, den mir der Kurstielnehmer geschenkt hatte, weil er dankbar dafür war, dass ich ihn auf diese Figur aufmerksam gemacht hatte und er beim Formen über ein Jahr lang fast täglich im Gespräch mit ihm war, zierte lange Jahre mein Büro. Freundlich begrüßte er alle Besucher und gab Jedem seinen Segen.
Kürzlich hat unser amerikanischer Freund in Seoul eine kleine Replik des koreanischen Bungaseo aus der Silla Epoche entdeckt, die sehr billig zu bekommen war. Er hat weniger als 200.000 koreanische Won gekostet, das sind heute gerade mal etwa 100 Euro. Die Figur ist offenbar aus alter Bronze gegossen, so daß der Eindruck einer Antiquität entstehen kann.
Unser Freund hat zwei dieser Repliken erworben, eine ziert jetzt seinen Schlafplatz, den zweiten hat er als Geschenk verpackt und nach Deutschland geschickt.
Vom äußersten Süden Koreas wanderte unser Bungaseo nach Seoul, von dort nach Frankfurt. Dafür brauchte er gerade mal zwei Tage. Aber oh weh! Ein antik aussehender Buddha in Deutschland auf dem Zollamt? Und dann noch ohne Rechnung! Das kann nicht gut gehen. Unser Buddha weilte denn auch etwa zwei Tage in Frankfurt, von dort ging er zur Postverzollung nach Nürnberg. Dort dachte man dann noch etwa drei Tage darüber nach, was man mit dem Exoten anfangen sollte und schickte ihn nach Bamberg aufs Zollamt. Dort sitzt er nun und meditiert.
Wer weiß, vielleicht gefällt er ja den Zollbeamten und sie mögen ihn gar nicht gern wieder hergeben? Wir sitzen inzwischen hier und erwarten sehnsüchtig seine Ankunft. Unser Freund aus Korea ist fast noch mehr aufgeregt als wir. „Ich habe ihn doch per Express verschickt!“ Jaaa schon. Aber vielleicht will sich Bungaseo erst einmal in Deutschland umsehen? Inzwischen hat er ja schon ganz schön viel von unserem schönen Land gesehen. Allerdings doch leider wohl nur die Amtsstuben.
Was bleibt also, als die Zukunft abzuwarten! Inzwischen können wir ja mit ihm zusammen meditieren. Vielleicht hilft ihm das auf seinem Weg durch den Zoll. Hoffentlich bekommt die Bedeutung „Buddha der Zukunft“ nicht eine ganz neue Deutung: irgendwann in unbekannter Zukunft wird er kommen! Vom Zollamt nach Hause ins Myoshinan Dôjô..
PS.:
Unser Freund in Korea vergeht fast vor Sorge um Bungaseo. Aber heute kam nun endlich die Nachricht vom Zollamt. Bungaseo sitzt in Bamberg und wartet darauf, abgeholt zu werden. Am Montag wird er nicht mehr der kommende Buddha sein, sondern der Geholte.