Drei Pfund Hanf

Teeweg zum Jahreswechsel

Drei Pfund Hanf

 

Genau zu Weihnachten ist nach monatelanger harter Arbeit der neue Teeraum in Waldfenster in der Rhön „fertig“ geworden. Aber es bleibt noch viel zu tun.  Nach letzten Vorbereitungen an Heiligabend konnten wir im Kerzenlicht die erste Teezeremonie halten. Mit einer feierlichen Zeremonie mit Teegeräten im chinesischen Stil gab es Tee und ein gemeinsames Spiel auf der Zen – Shakuhachi. Es war, als wären Weihnachten und Ostern auf einen Tag zusammen gefallen.

Es war eine harte Zeit. Wir mussten den geliebten Ort verlassen, der die letzten fünfzehn Jahre Heimat war. Das alte Teehaus und der Meditations- und Konzertraum wurden abgebaut und der „thermischen Verwertung“ zugeführt – sprich: verbrannt. Es war ein ungeheurer finanzieller und emotionaler Verlust. Durch nicht immer ganz wohlgemeinte „Hilfe“ sind viele Werte unwiederbringlich zerstört worden. Manchmal sind wir bis an die Grenze der Belastbarkeit gekommen. Zu allem Überfluss ist auch noch unser kleiner geliebter Hund ganz plötzlich gestorben. Für ihn waren die unguten Umstände des Ortswechsels einfach zu groß.

Der neue Ort – das mehr als zweihundert Jahre alte Forsthaus in der Rhön – wurde renoviert, die Dachräume gedämmt und die neuen Teeräume gebaut. Jetzt gibt es hier zwei Räume, einen kleinen und heimeligen Raum mit zwei und einer dreiviertel Tatami und einen größeren Raum mit den idealen viereinhalb Matten. Ohne die vielen großen und kleinen Spenden, die hier eingegangen sind, wäre die Arbeit so nicht möglich gewesen. Voller Dank verneige ich mich in Ehrfurcht vor allen Spendern. 

In diesem viereinhalb Tatami Raum haben wir Heiligabend den ersten Tee zubereitet. In der Tokonoma hing eine kleine Hängerolle mit dem Zen – Spruch: „Drei Pfund Hanf“. Einst fragte ein chinesischer Mönch seinen Zenmeister Dong-Shan: „ru he shi Fo – Was ist Buddha?“ Dong -Shan antwortete: „Drei Pfund Hanf!“

Die Frage ist mehrdeutig. „Wer oder was ist Buddha“ oder „Wie steht es um die Buddhanatur?“ oder auch ganz praktisch „Wie kann ich (sofort) Buddha werden?“ Dagegen ist die Antwort eindeutig wie ein Schwerthieb: Nichts Großes oder Seltenes! Einfach nur drei Pfund Hanf. Mit Hanf ist nicht der Cannabis gemeint, den man raucht, um in höhere Sphären aufzusteigen. Es ist die schlichte, ganz gewöhnliche und billige Faser, mit der man das raue Mönchsgewand webt oder das Schlaflager oder die Sitzkissen für die Meditation ausstopft. Buddha ist der schlichte Alltag.

In einem anderen Koan aus dem Hekiganroku sagt der alte Meister Zhao-zhou, dass er sich in seiner Jugend ein Gewand aus sechs Pfund Hanf gefertigt hatte. Das sollte ihm wohl bei der harten täglichen Arbeit auf dem winterlichen Feld schützen. Aber es war viel zu schwer für ihn. Vielleicht hätten drei Pfund genügt? Manchmal sollte man sich nicht allzu viel aufschultern, dann kommt man weiter!

Hier im Teeraum wirkt die Hängerolle, als sei sie extra dafür gemacht worden. Sie passt genau in die relativ niedrige Tokonoma. Außerdem haben wir die letzten Monate Unmengen von Hanf gestopft, um das Dach und die Wände zu isolieren. Der Raum ist nicht prächtig und elegant. Die uralten Eichenbalken des ehemaligen Forsthauses sind krumm und schief und die alten Lehmwände, die an der Fensterseite noch sichtbar sind, wirken, als hätte noch Rikyu selbst sie verputzt. So sieht wabi und sabi aus! Wie ein Gewand aus drei Pfund Hanf!

Die Hängerolle habe ich auf unserer Chinareise im Dezember vor vier Jahren vom jungen Zenmeister Chong Di im An-Guo Tempel in Huangzhou / Wuhan geschenkt bekommen. Der Tempel liegt in einem Neubaugebiet direkt am Ufer des Yangtze, der durch einen hohen Wall eingedämmt ist. Hier traf sich der Dichter Su Shi oder Su Dong Po (1037 – 1101) mit seinem Zenmeister zu regelmäßigen Gesprächen. Su Shi war verbittert, weil er nach erfolgreicher Arbeit als Gouverneur in der Stadt Hangzhou ganz im Süden in den kleinen Ort am Ufer des Yangtse verbannt worden war. Er lebte dort auf einem armseligen Landgut in bitterer Armut, aber in den Gesprächen mit dem Zenmeister fand er schließlich seinen Frieden. In einem seiner Gedichte schildert er die Trauer über die Trennung von seinem Bruder:

Menschen haben Kummer und Freude, Trennung und Zusammenkunft,
Der Mond ist dunkel und klar, voll und halb,
Das war schon immer ausgesprochen schwer.
Aber ich hoffe, wir beide werden ein langes Leben haben.
Auch wenn uns tausend Meilen trennen,
können wir doch die Schönheit des Mondes gleichzeitig genießen.

Zenmeister Chong Di war nicht nur ein großer Verehrer des Dichters, über den er uns begeistert einen Vortrag hielt. Er liebt auch Japan und die Kultur des Teeweges. Mit einfachsten Mitteln hatte er einen Raum im Tempel so japanisch gestaltet, wie es ihm möglich war. Es ist ein Raum wie ein Gewand aus drei Pfund Hanf. Auf dem Boden lagen Strohmatten und das Wandregal war ähnlich wie eine Tokonoma gestaltet. Dort hing eine Schriftrolle: „Bambus hat Knoten oben und unten.“
 

Der Bambus ist im Inneren leer, so wie der Geist des Zen Menschen gelassen und ruhig ist. Aber aus dieser Leere entspringt seine Stärke. Wenn Schnee oder Sturm ihn beugen, so gibt er nach ohne zu brechen. Wenn die schwere Zeit vorbei ist, steht er wieder aufrecht und ungebrochen da. Ein knorriger Eichbaum oder eine alte Kiefer, die sich der Last entgegenstemmen, können brechen. 

Die Knoten des Bambus unterbrechen scheinbar das Wachstum. Sie sind wie die Knoten und Blockaden, die sich manchmal im Leben bilden und uns am Weiterkommen hindern. Aber sie sind es, die dem Bambus seine Stärke verleihen. Nur aus den schwierigen Situationen des Lebens gewinnen wir Kraft. So wachsen die Knoten aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Oben und Unten zusammen.  Sie formen in ihrer Einheit den gesamten Bambus und das Lebens von der Kindheit bis ins Alter.

Meister Chong Di empfing uns in seinem „japanischen“ Raum und bereitete für die gesamte Gemeinschaft auf chinesische Weise den Tee. Anschließend spielte ich für die Chinesen die japanische Zenflöte. Manche waren so gerührt, dass heimlich Tränen flossen. Jeder Unterschied und jeder Konflikt zwischen China und Japan waren verschwunden. Gemeinsam mit meinem Schüler Michael bereiteten wir – die Deutschen – auf japanische Weise mit unseren mitgebrachten Geräten den Tee. Bei den Gesprächen übersetzte Volker, ein früherer Teeschüler, der jetzt in Shanghai an der Universität über die Geschichte des Tee forscht und lehrt. Es war eine echte und innige Gemeinschaft von China, Japan und Deutschland.

Zum Abschied vom Tempel schenkte ich Meister Chong Di mein Buch über die „Heiligen Drachen“ und er überreichte mir die Schriftrolle „Drei Pfund Hanf“, die er von einem japanischen Meister bei seinem letzten Besuch in Japan bekommen hatte. Nun hängt diese Rolle im alten Forsthaus in der deutschen Rhön.

SEN RI DŌ FU – 千里 同風 – Tausend Meilen derselbe Wind.

 

Unterricht im Teeweg

Ab sofort ist wieder der Unterricht im Teeweg möglich. Zwar gibt es in den beiden Teeräumen noch einiges zu tun, aber der Unterricht ist schon jetzt möglich. Das Gästezimmer ist noch nicht fertig. Es wird wohl früher Sommer werden, dann können auswärtige Gäste auch bei uns im Forsthaus übernachten. Bis dahin gibt es einige Pensionen im Ort, die zu wirklich günstigen Preisen vermieten. Eine Ferienwohnung mit zwei Zimmern, Küche und Bad kostet ab dem dritten Tag ab 30 Euro für zwei Personen. Die wunderbaren Wälder der Umgebung bieten ausreichend Gelegenheit für Wanderungen und Erholung.

Silvester im Myoshinan

Silvester und den Übergang ins Neue Jahr werden wir im kleinen Kreis wieder mit Teezeremonie und Meditation feiern. Bei den Rezitationen des Hannya Shingyo werden wir auch um Segen für alle Spender bitten. Ohne ihre Hilfe wäre der schnelle Ausbau nicht möglich gewesen. Dennoch bleibt viel zu tun und wir sind für jede weitere Spende dankbar. 

 

Unterricht in Zen – Shakuhachi

Der Unterricht in Zen – Shakuhachi in der Tradition des Zentempels Icchoken / Hakata ist ununterbrochen weiter möglich gewesen. Es gibt auch die Möglichkeit für online Unterricht über skype oder ähnliche Software. 

 

Shakuhachi und Zen – Seminar auf Teneriffa

In den Osterferien 2020 treffen wir uns wieder zu einem Seminar. Diesmal auf Teneriffa. Im Künstlerdorf Mariposa sind wir völlig ungestört und können den ganzen Tag Zen und Shakuhachi üben wie schon im letzten April in Griechenland.
Das Seminar ist auch für Anfänger in der Shakuhachi oder Spieler anderer Schulen geeignet. Wir üben das Spiel der Shakuhachi als Meditation in der Tradition des Zentempels Icchoken auf Kyushu, nicht als Musik. Die philosophischen und bildhaften Hintergründe der Stücke werden ausführlich diskutiert, sodaß wir verstehen, was wir spielen.
Anfänger können eine Shakuhachi ausleihen oder kaufen.

Unterricht im Teeweg ist ebenfalls möglich. Wir üben die Chabako Zeremonie für die Reise. Auch passive Teilnehmer, die nur zuhören und an den Meditationen teilnehmen wollen, sind willkommen. Der einmalige Ort verspricht Ruhe und Erholung.

Künstlerparadies Maripose auf Teneriffa

Anfragen und Anmeldung hier:

Kontakt

Tee und Zen – ein Geschmack
Seminar am Benediktushof

Im Februar gibt es wieder ein Tee – Seminar am Benediktushof. Bei ausreichender Anmeldung ist auch Unterricht für Fortgeschrittene möglich. Bitte Rückmeldung im Myoshinan

Kontakt

Fr., 21.02.2020, 18:00 Uhr – So., 23.02.2020, 13:00 Uhr

Anmeldung am Benediktushof

 

Rilke und Buddha – Duineser Elegien
Seminar

In diesem Seminar soll es nicht um Vermittlung von philologischen Wissen, sondern um die Begegnung mit dem wahren Selbst gehen. Rilkes epochales Meisterwerk bietet viele Zugänge zur Auseinandersetzung mit sich selbst. Aber es weist weit voraus in eine Zeit der Begegnung mit Buddha. Viele Ansätze aus den Elegien scheinen direkt aus dem Denken des Buddha zu stammen. Sie führen in den Frieden und die Freude des Daseins inmitten der alltäglichen Dinge.

Vormittags werden wir den Text lesen und im lockeren Gespräch versuchen zu verstehen und nachzuvollziehen. In den Nachmittagen gibt es Möglichkeit zur Freizeit und zum Rückzug zu sich selbst. Teezeremonien und kleine Meditationen mit der Zen Shakuhachi runden das Seminar ab.

Es besteht auch die Möglichkeit, das Spiel der Shakuhachi als Meditation zu erlernen und Teezeremonie als Meditation zu üben.

Ort: Mariposa auf Teneriffa oder Lachania auf Rhodos
Zeit: Pfingstferien oder Oktober

Interessenten melden sich bitte bereits jetzt unverbindlich damit die weitere Planung möglich ist.

Kontakt



 

 

  

 

 

  

 
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Neues aus dem Myoshinan, Teeweg, Zen und Tee veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.