Herbst

Beim Anblick des Mondes
erfüllt tausendfach
mich Wehmut –
obwohl doch nicht allein
zu mir der Herbst gekommen.

Kokin wakashu 193

tsuki mireba
chiji no mono koso
kanashikere
wo ga mi hitotsu no
aki ni wa aranedo

Die Teemenschen erwarten sehnsüchtig den Septembermond. Hell und klar steht er am Himmel und bringt den ersten kühlen Hauch nach der Sommerhitze.

Hototogisu im Garten

Aber bei uns ist es in diesen Tagen kalt und regnerisch und der Mond verbirgt sich hinter dichten Wolken. Im Garten blühen jetzt die ersten Hototogisu, die Kuckucksblumen, die bei uns den wenig poetischen Namen „Krötenlilie“ tragen. In Japan sind die Hototogisu das untrügliche Zeichen, dass der Herbst begonnen hat.
Der Hototogisu ist ein kleiner, unscheinbarer Vogel, der Berg-Kuckuck, der mit seinem Ruf den Sommer mit seiner Hitze und Schwüle ankündigt. Er wohnt in den kühlen Bergen und sein Ruf bringt ein wenig das Gefühl von Frische.


Ende August erscheinen die ersten Blüten der Tricyrtis hirta, einer gefleckten Lilie, die an das gescheckte Federkleid des Hototogisu erinnert. Voller Freude werden die ersten Blüten begrüßt, weil sie die Erlösung von der sommerlichen Hitze ankündigen. Zugleich aber erweckt der kommende Herbst die Empfindung von Trauer über die Vergänglichkeit aller Dinge.
Dennoch ist der Herbst die ideale Jahreszeit für den Teemenschen. Die Abende werden länger und die Dämmerung nimmt zu: die schönste Zeit, gemeinsam eine Schale Tee zu genießen. Die kühle Witterung und die Herbstlichen Farben vermitteln das Gefühl von wabi, der nüchternen Abgeklärtheit und Schlichtheit.

In der Herbstnacht
scheint vor allen Dingen
der Tau besonders kalt:
in wahrlich jedem Büschel Gras
hört man Grillen klagen
Japanischer Zierapfel

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3 Antworten zu Herbst

  1. Prinz Genji sagt:

    Lag es an mir, daß der Glanz des
    Morgens so sanft mit dem weißen Tau
    verschleiert wurde?

    Yosoetemo mirubekarkeri
    shira-tsuyu no chigiri ka okishi
    asa-go no hana

  2. Prinz Genji sagt:

    Sind es Tränen der Wildgänse,
    die klagend vorüberflogen?
    auf den Hagi-Blüten beim Hause,
    wo Kummer mich bedrückt, liegt Tau.

    nakiwataru / kari no namida ya / ochitsuramu /
    monoomö yado no / hagi no ue no tsuyu

  3. Carolin sagt:

    Die Herbstnacht
    legt auf die Landschaft
    Tau als Tau, und doch –
    färbten nicht Tränen
    der Wildgänse die Felder?

    aki no yo no / tsuyu o ba tsuyu to / oki nagara /
    kari no namida ya / nobe o somuramu

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