Einst träumte Zhuang Zhou – da war ein Schmetterling, ein Schmetterling, der verspielt hin und herflattert, wie es ihm gefällt, in glücklicher Ãœbereinstimmung mit sich.Da war kein Wissen von einem Zhou.Plötzlich kam es zum Erwachen – da war ganz und gar, ganz handfest Zhou. Es ist ungewiss, ob Zhou im Traum zum Schmetterling wird, oder ob der Schmetterling im Traum zu Zhou wird.
Es gibt Zhou und einen Schmetterling, also gibt es da bestimmt einen Unterschied. |
Meister Zhuang Zhou, oder wie man fruher geschrieben hat Tschuang – Tse träumt. Er träumt, er sei ein Schmetterling.
Manchmal wissen wir im Traum, dass wir träumen, manchmal ist der Traum deratige Realität, dass wir nicht unterscheiden können, ob wir träumen oder wachen. Im Buddhismus gilt unser ganzes Leben als Traum, ein Traum in dem wir in Illusionen, Wünschen, Hoffnungen und Ängsten gefangen sind. Aber wir können erwachen aus diesem Traum und zur vollkommenen Klarheit kommen.
Aber in unserem Text heißt es, dass der Schmetterling im Traum ganz und gar Schmetterling ist. Er hat keinerlei Bewußtsein davon, dass er eigentlich kein Schmetterling, sondern Zhuang ist. Nach dem Erwachen ist da kein Schmetterling mehr, sondern ganz handfest Zhuang.
Aber Zhuang ist verunsichert. Er weiß nicht mehr, ob er ein Schmetterling ist, der nun träumt, Zhuang zu sein oder ob er Zhuang ist, der geträumt hat, er wäre ein Schmetterling.
Im Text gibt es eine verwirrende Vielfalt von Wirklichkeitsebenen: der Schmetterling des Traumes, der ganz und gar Schmetterling ist, der erwachte Zhuang, der ganz und gar Zhuang ist und dann noch der Zhuang, der sich an den Traum erinnert und nun nicht mehr weiß, ob er ein träumender Schmetterling oder ein wacher Zhuang ist. Sicher aber ist: es gibt einen Zhuang und es gibt einen Schmetterling und das nennt man, so Zhuang, die „Wandlung der Dinge“. Einmal ist da Zhuang, einmal ist da der Schmetterling. Und dann ist da noch ein zweifelnder und verunsicherter Zhuang, der nicht weiß, in welche Wirklichkeit er eigentlich gehört.
Vielleicht sollten wir ganz und gar in der Wirklichkeit leben, in der wir uns augenblicklich befinden, ganz ohne Zweifel und Verunsicherung?
Der chinesische Philosoph Guo Xiang (252? – 312) hat schon früh diese Text mit dem Unterschied von Leben und Tod verknüpft. Er schreibt:
„Mit diesem im Traum zu einem Schmetterling werden und dabei nichts von einem Zhou zu wissen ist es nicht anders als mit dem Tod. Denn indem im jeweiligen Seinszustand (Leben oder Tod) alles dem Ansinnen eingepasst (in glücklicher Übereinstimmung mit sich selbst) ist, gehört der Lebendige ebenso ins Leben wie der Gestorbene in den Tod. So betrachtet erkennt man, wie falsch es ist, im Leben wegen des Todes besorgt zu sein.“
Wenn nach dieser Philosophie Leben und Tod zwei Zustände des Seins sind wie Wachen und Träumen, so muss man sich fragen, ob denn einer dieser Zustände mehr Wirklichkeit besitzt als der Andere. Wir schätzen das Leben höher als den Tod. Aber vielleicht sind wir wie der Schmetterling, der verspielt hin und her flattert und wir haben Angst, aus einem Traum aufzuwachen. Aufzuwachen wohin: wieder als Zhuang?
Im Zhuangzi gibt es viele Geschichten vom Tod. Im Kapitel „Höchste Freude“ findet Zhuang auf einer Reise am Wegesrand einen Totenschädel, den er aufnimmt und verspottet.
„Ist es soweit mit dir gekommen, weil du in deiner Gier nach Leben nicht mehr vernünftig gehandelt hast? Oder warst du in einen Verrat verwickelt und dir wurde deshalb mit der Axt der Kopf abgeschlagen? … Oder bist du verhungert oder erfroren?
Oder kam es einfach so, weil deine Zeit abgelaufen war?“
In der folgenden Nacht erschien Zhuangzi der Totenschädel im Traum und warf ihm vor, dass er nur aus der Sicht der Lebenden daher geredet hat. Alle Ansichten von den möglichen Ursachen des Todes, bis hin zu der, dass einfach „die Zeit abgelaufen war“, sind aus der Sicht der Lebenden gesehen. Und dann erzählt der Totenschädel, wie er aus der Sicht der Toten die Dinge sieht:
„Wenn du tot bist, dann gibt es keinen Herrscher über dir und keine Untertanen unter dir. Es gibt auch nicht die den vier Jahreszeiten entsprechenden Besorgungen; statt dessen vergeht die Zeit gemächlich wie für Himmel und Erde. Nicht einmal die Freuden eines nach Süden gewandten Königs wären größer als die der Toten.“
Meiste Zhuang bleibt skeptisch. Vielleicht redet der Totenschädel so wie er zuvor nur aus der Sicht der Lebenden geredet hatte nur aus der Sicht der Toten. Wenn man ihm anbieten würde, wieder ins Leben zurück kehren zu können, so würde er sicher freudig einstimmen:
„Könnte ich den Schiedsrichter des Schicksals dazu bringen, deiner körperlichen Form wieder Leben einzuhauchen, dir dei Fleisch, deine Knochen und deine Haut zurückzugeben und dich zu deinen Eltern, deiner Frau und deinen Kindern sowie deinen Freunden im Dorf zurückkehren zu lassen – wäre dir das nicht lieb?“
Der Totenschädel ist entsetzt und weist das Ansinnen ab:
„Warum sollte ich zur Mühsal des Menschenlebens zurückkehren?“