Vater! Mutter! Himmel! Erde!

Im Buch des chinesischen Denkers Zhuangzi gibt es eine sehr berührende Geschichte. Sie ist nun schon über zweitausend Jahre alt und wir sind heute sehr viel weiter in der Entwicklung! Schließlich haben wir die Technik, und die Medizin ist fortgeschritten. Wir haben Lebensversicherungen und sind gut und sicher eingerichtet in unserer Welt. Oder etwas doch nicht? 
Woher kommt die Angst, die derzeit die ganze Welt den Atem anhalten lässt?
Warum sind die Regale mit Toilettenpapier im Supermarkt leergekauft?
Hilft es, wenn man sich in Klopapier einwickelt? Vielleicht stoppt das ja das Virus?

Hören wir die Geschichte:

Meister Yu und Meister Sang waren Freunde. Als es einmal zehn Tage ununterbrochen regnete, sprach Meiste YU: „Ich fürchte, Meister Sang ist in Not!“
Er packte etwas Essen ein und ging zu ihm. Als er an der Tür angekommen war, hörte er, wie die Laute geschlagen wurde und wie es schluchzend sang:

„Vater!
Mutter!
Himmel!
Erde!“

Die Stimme brach und der Gesang endete gehetzt. Meister Yu trat ein und fragte: „Warum singst du das Lied auf diese Weise?“

„Ich habe darüber nachgedacht, was mich in diese Lage gebracht haben könnte, doch ich habe es nicht herausgefunden. Vater und Mutter, warum sollten sie wollen, dass ich leide? Der Himmel bedeckt alles, ohne jemanden vorzuziehen. Die Erde trägt alle, ohne jemanden vorzuziehen. Warum sollten sie wollen, dass ausgerechnet ich bedürftig werde?
Ich habe versucht zu verstehen, wie es dazu gekommen ist, aber ich habe es nicht herausgefunden. So kann es nur das Schicksal sein!“

Das gerade macht Angst. Wir verstehen nicht, warum und woher. Wir erkennen nur unsere Hilflosigkeit. All unsere Technik und die Medizin sind machtlos. Unser rasendes Mache-Wollen oder fast schon Machen – Müssen ist an eine Grenze gekommen. Scheinbar bleibt nur der Rückzug in die Isolation?

Bleibt uns nur noch die italienische Lösung: Fenster öffnen, auf die Balkone gehen und gemeinsam singen?

Die ganze Welt hält den Atem an und verfällt in Schockstarre.
Die Virologen meinen, dass das Virus erst stoppt, wenn 70 % der Bevölkerung infiziert war. Dann gibt es genügend Abwehrkräfte und das Virus stoppt.

Nur zum Vergleich:
Während der Grippewelle 2017 / 18 sind in Deutschland 25.100 Menschen an Grippe gestorben. Aber es war ja nur eine Grippe. Da weiß man doch, was man hat!

Todesfälle durch Corona in Deutschland bisher: 9

Komm, trinken wir Tee!

Das klärt den Geist und schenkt den inneren Frieden.
Mehr kann man derzeit eh nicht tun.

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Trink Tee – Geh!

Ich habe einen kleinen Text als Grußwort für ein neues Buch über Tee und Zen geschrieben. Den möchte ich hier vorstellen.


Zum Geleit:
Komm – trink Tee!

Der alte chinesische Zenmeister Zhàozhōu, den die Japaner Jōshū nennen, fragte die Besucher seines Tempels: „Warst du schon einmal hier?“
War die Antwort: ‚Nein‘, dann sprach Jōshū: „Trink Tee – Geh!“.
Bejahte der Besucher die Frage, so erwiderte Jōshū ebenfalls: „Trink Tee – Geh!“ Der Tempelverwalter war verwirrt.
Auf seine Frage bekam er die Antwort: „Trink Tee – Geh!“

Das Teetrinken nimmt bis heute in den Tempeln in China, Korea und Japan eine wichtige Rolle ein. Auf unserer Reise durch Zentempel in Südchina wurden wir stets zum Empfang mit Essen bewirtet. Danach forderte uns der Zenmeister auf: „Komm, trinken wir erst einmal Tee!“ Uns wurden die kostbarsten Tees serviert. Einhundert Jahre alter Pur-erh oder Tee aus eigenem ökologischen Anbau der Tempel. 

In Korea wurden wir vom alten Zenmeister zum Tee empfangen. Er saß an einem niedrigen Tischchen in der Mitte des Raumes, der bis zur Decke mit Büchern vollgestopft war. Zwischen all den Büchern fanden wir und ein paar Mönche gerade Platz zum Hocken auf dem Boden. Zenmeister sind eben oft große Gelehrte! Wir sprachen über den japanischen Zenmeister Dōgen, über die Teezeremonie und über unsere Eindrücke auf der Reise. Der Meister bereitete eigenhändig Tee aus Indien, der Heimat des Buddha, aus China, Korea und aus Japan zu. Er hatte speziell für uns kostbaren japanischen Matcha besorgt. Ich durfte ihn mit einem nagelneuen Teebesen schlagen. Über alle kulturellen Grenzen hinweg feierten wir den Frieden zwischen Japan, China und Korea bei einer Schale Tee. Oder waren es zehn oder zwanzig Schalen?

Gespannt schauten die Mönche in China zu, wenn wir eine japanische Teezeremonie mit pulverisiertem Matcha vorführten. Diese ritualisierte Teezubereitung stammt aus China. Aber nur in Japan hat sie die stürmischen Zeiten überlebt und sich zu einer eigenen Kunstform entwickelt. Jetzt kehrte sie heim an ihren Ursprung.

 
In China haben wir erlebt, wie buddistische Mönche, Universitätsstudenten und einfache Bauern ihren Tee bereiteten. Dabei suchten sie nach neuen – oder vielleicht doch uralten – meditativen Choreografien, denn die Tradition ist dort längst – spätestens seit der Kulturrevolution – verloren gegangen. Beeindruckend war die tiefe Konzentration, mit der sie den Tee bereiteten.

Das ist es: Mitten in der Hektik des Alltags innehalten, mit höchster Achtsamkeit Tee zubereiten und gemeinsam trinken. Vielleicht meinte das der alte Jōshū: „Lass uns zusammensetzen, die Hektik des Alltags fallen lassen und Tee trinken! Einfach nur Tee trinken.“ 


Tee klärt den Geist, macht wach und gelassen, und fördert die Meditation, vor allem in der Form des grünen Pulvertees. Der japanische Meister Myoe, der die erste Teeplantage in Japan angelegt hatte, fasste zehn positive Wirkungen des Tee zusammen. Tee schenkt einen wachen Geist und einen gesunden Körper. Er vertreibt Dämonen und böse Geister, vielleicht den bösen Dämon der rastlosen Hektik.  Kaffe dagegen putscht auf und macht nervös.

Wenn wir beobachten, wie Menschen mitten im hektischen Alltag hastig ihren Kaffee zu sich nehmen, möglichst noch als ‚Coffee to go‘ aus Plastikbechern auf der Hetze zum nächsten Termin, ohne überhaupt zu bemerken, dass sie Kaffe trinken, versteht man, welche Stille und Ruhe vom Teetrinken ausgeht. In China gibt es das Sprichwort: Wenn du es eilig hast, mach einen Umweg! Zenmeister Jōshū würde vielleicht sagen: Komm, trink erst einmal Tee!

In China hatten wir an einer Tagung teilgenommen mit dem Thema „Tee und Zen – Ein Geschmack“. Es war allen Teilnehmern völlig klar, dass Tee und Zen untrennbar zusammen gehören. Die Frage war lediglich, welcher der frühen Zenmeister diesen Spruch geprägt hatte. Vielleicht aber sind Tee und Zen in China von Beginn an eng verwoben. So waren es Zenmönche, die den Tee von ihren Studien aus China mit nach Japan brachten. Die ersten japanischen Teemeister waren Mönche oder übten sich intensiv im Zen. Viele waren Laienpriester des Zen.

Im heutigen Japan dagegen, wo die Teebereitung als eigene Kunst im Teeweg gepflegt wird, hört man immer wieder: „Tee ist Tee und Zen ist Zen!“ Zen ist für die Japaner weitgehend zu einer exotische Weise geworden, mit gekreuzten Beinen auf dem Boden zu hocken, während ein Aufseher mit dem Schlagstock durch die Meditationshalle schreitet.
Tee dagegen gilt als ein Kunstweg mit strikten Regeln, die genaustens befolgt werden müssen. Er ist im Laufe der Geschichte zum Zeitvertreib älterer Damen geworden, die prächtige Kimono tragen, kostbare Teegeräte zur Schau stellen und schwatzend den Tee zubereiten. Die Teezeremonie hat in Japan heute nahezu den gleichen Stellenwert wie das Schuhplatteln in bayrischen Traditionsvereinen. 

Aber im Ursprung ist die Kunst der Teebereitung reiner Zen. Zen muss nicht in der Form des Za-Zen, des Sitz-Zen geübt werden. Das achtsame Handeln im Alltag kann Zen sein. Als junger Mönch fragte Jōshū seinen Meister Nanzen nach dem wahren Weg. Nanzen antwortete: „Es ist der alltägliche Geist!“ 

Als alter Meister wurde Jōshū nach dem Wesen des Buddha gefragt. Er antwortete mit einer Gegenfrage: „Hast du deine Reisschale schon gewaschen?“ 

Zen ist nichts Spekulatives oder Kompliziertes. Es ist der gewöhnliche Alltag in voller Achtsamkeit und Bewusstheit gelebt. Der Teemeister Rikyu wurde einmal gefragt, was denn das Geheimnis des Teeweges sei. Er antwortete mit alltäglichen Dingen: „Wasser holen, Brennholz sammeln, Wasser erhitzen, Tee schlagen und trinken. Das ist alles“ „Das kann ich schon alles!“ „Dann möchte ich dein Schüler werden!“ 

Was so einfach klingt, ist schwer zu verwirklichen. Unser Alltag ist hektisch und kompliziert geworden. Wir haben unser eigenes Selbst in dieser Hektik verloren. Im Teeweg dagegen ist alles einfach und natürlich. Die Bewegungen und die Atmung werden eine Einheit. Wir hören auf, etwas zu tun, alles geschieht wie von selbst und wir beginnen, den Tee zu tanzen. 

Schöpfen wir das Wasser mit der Bambuskelle, so werden Hand und Schöpfkelle Eins. Es ist, als würden wir das Wasser mit der bloßen Hand aus der Quelle schöpfen. Ich hatte einmal eine Teeschülerin, die an einem Gehirntumor erkrankte. Völlig versunken und selbstvergessen saß sie im Teeraum, schöpfte immer wieder Wasser und goss es langsam und achtsam in die Teeschale. Verzückt lauschte sie dem Geräusch, das wie ein klarer Wasserfall im Gebirge klang: „Das ist so schön!“ Alles andere hatte sie vergessen. Aber der Klang des Wassers in der Teeschale berührte sie im tiefsten Inneren. 

Das kalte Wasser klingt in der Teeschale wie das frische Wasser eines Bergbaches, das auf Felsen trifft. Warmes Wasser klingt weich und mild. Tauchen wir die Schöpfkelle in das heiße Wasser des Teekessels, bemerken wir, wie die Hitze die Schöpfkelle zurückdrängt. Wir spüren am Gewicht des Wassers in der Kelle, ob wir warmes oder kaltes Wasser geschöpft haben. Durch das achtsame Schöpfen überspringen die Sinne ihre Begrenzung: Wir hören die Temperatur des Wassers und spüren sie am Gewicht. Darin liegt nichts Übernatürliches oder Magisches. Beim ganz gewöhnlichen Schöpfen von Wasser werden wir eins mit der Natur und wir vergessen uns selbst vollkommen. Zenmeister Dōgen schrieb einst: „Den Buddhaweg erlernen heißt, sich selbst erlernen. Sich selbst erlernen heißt, sich selbst vergessen.“ 

Meinte der alte Fuchs Jōshū mit seiner Frage: „Warst du schon einmal hier?“ Überhaupt nicht, ob wir früher einmal an diesem oder jenem Ort waren? Vielleicht fragt er, ob wir jemals HIER, im JETZT, bei uns selbst waren, indem wir uns ganz und gar selbst vergessen haben? Wenn wir noch nie bei uns im HIER angekommen sind, wird es höchste Zeit, Tee zu trinken. 

Was gibt es Schöneres, als an einem kalten Winterabend dem Teekessel im Teeraum zu lauschen, der wie der Wind in den Kiefern singt. Die Dufthölzer im Feuer verbreiten den Duft des reinen Landes, und der Tee erfrischt den Geist. Wir werden immer stiller und spüren, wie wir Eins mit der Natur werden. Wenn wir dann wieder zurückkehren in den Alltag, scheint es, als wäre die Hast und Hektik verschwunden. Die gelassene Stille des Teeraumes wirkt im Alltag nach. Vielleicht meinte der alte Jōshū diese Rückkehr in den Alltag: „Trink Tee – dann geh!“ Geh zurück in den Alltag und bring deine Stille hinaus in die Welt auf dass sie sich wandele. Wenn wir so zu uns selbst gefunden haben, verwirklichen wir unsere Buddhanatur.

Zenmeister Dōgen meint, dass alle Wesen vom Ursprung her die Buddhanatur haben. Wenn das so ist, warum soll man dann noch üben? Wir verwirklichen durch Üben unsere Buddhanatur. Jeder Mensch hat die Fähigkeit, zur Quelle zu gehen und Wasser zu schöpfen. Aber wir müssen es TUN! Andernfalls gibt es kein Wasser aus der Quelle! Wir müssen immer und immer wieder zur Quelle gehen und Wasser schöpfen. So geht es im Teeweg nicht darum, eine Fertigkeit zu erlernen, um sie fortan für immer zu besitzen. Wir müssen immer wieder und wieder Tee üben und zur Stille zurückfinden. Tee ist Zen – Meditation.

Darum ist die Praxis im Zen wie im Tee so wichtig. Aber wir müssen auch verstehen, was wir tun. In Japan neigt man dazu, das alleinige Gewicht auf die Praxis zu legen. Frag nicht – Mach! Man sagt, dass der Fisch das Wasser, in dem er schwimmt, nicht verstehen muss. Aber was, wenn das Wasser auszutrocknen droht?

Wir Abendländer sind nicht im Wasser des Zen und des Tee zu Hause. Darum müssen wir versuchen, es zu verstehen um uns angemessen darin bewegen zu können. Unsere Not ist es, dass der Zen und der Tee fremd für uns sind. Aber diese Not ist zugleich eine große Chance. Wir sehen und Staunen. Das Staunen aber ist der Anfang des Verstehens. Japaner fragen nicht mehr nach der Philosophie des Teeweges oder des Zen. Teeweg ist das, was die alte Tante oder die Oma schon immer praktiziert haben, das aber völlig aus der Mode gekommen ist. Hoūnsai, der Großmeister der Urasenke fragte einmal: „Können Ausländer den Teeweg verstehen?“ Ich frage dagegen: „Können Japaner dern Teeweg verstehen?“ Nur wenn sie wieder das Staunen lernen!

Im Gegensatz zu Japan liegt bei uns im Abendland das Schwergewicht auf dem Denken und dem Intellekt. Einmal kam ein Japanologe regelmäßig zu mir ins Teehaus und schaute bei den Übungen zu. „Es wird Zeit, dass du auch mit den Übungen beginnst!“ „Das geht nicht! Ich bin Wissenschaftler. Wenn ich selbst übe, verliere ich meine Objektivität!“ 

Dazu kann ich nur sagen, es genügt nicht, zu wissen, wie das Essen schmeckt. Man muss selber essen. Immer wieder neu. Sonst wird man nicht satt.

Hoffentlich kann dieses Buch eine Brücke schlagen zwischen Ost und West. Hier wird gefragt und gedacht. Aber das Fragen entstammt einer langjährigen Praxis. Vielleicht kehrt der Teeweg eines Tages verwandelt wieder nach Japan zurück als ‚Tee und Zen‘. 

Inzwischen gibt es deutsche Professoren an japanischen Universitäten, die über den Teeweg lehren. Einer meiner Schüler, der in Deutschland in Philosophie promoviert hat, unterrichtet an einer Universität in Shanghai. Sein Forschungsgebiet ist der frühe Teeweg und seine Wiederkehr in der Gegenwart. 

Man könnte meinen, dass unsere heutige Epoche viel zu hektisch und gehetzt ist, um sich die Zeit zu nehmen, die Stille des Teeweges zu suchen. Wir haben keine Zeit für solche unnützen Rituale. Wir haben Wichtigeres zu erledigen. 

In Japan erlebte der Teeweg seinen Höhepunkt mitten in kriegerischen Zeiten. Der große Teemeister Zen no Rikyu war Zen – Laienpriester und der Teemeister von Hideyoshi. Zuvor hatte er in den langen Kriegen dem Fürsten Oda Nobunaga als Teemeister gedient. Rikyu war kein weltabgeschiedener Eremit. Wenn Hideyoshi abwesend war, übertrug er ihm das Kommando über die Festung Osaka, einem der wichtigsten strategischen Punkte im Land. Wie gut wäre es, wenn wir Menschen in wichtigen Positionen hätten, die immer wieder die Stille und den Frieden suchen, den der Teeweg schenken kann. 

Der Zen kam aus dem Osten in den Westen. Aber die Erde ist rund. Wenn man immer weiter nach Westen geht, kehrt man eines Tages wieder an den Ursprung zurück.

Trinken wir gemeinsam eine Schale Tee! Dann lass uns zurückkehren in den Alltag!

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Winter

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Drei Pfund Hanf

Teeweg zum Jahreswechsel

Drei Pfund Hanf

 

Genau zu Weihnachten ist nach monatelanger harter Arbeit der neue Teeraum in Waldfenster in der Rhön „fertig“ geworden. Aber es bleibt noch viel zu tun.  Nach letzten Vorbereitungen an Heiligabend konnten wir im Kerzenlicht die erste Teezeremonie halten. Mit einer feierlichen Zeremonie mit Teegeräten im chinesischen Stil gab es Tee und ein gemeinsames Spiel auf der Zen – Shakuhachi. Es war, als wären Weihnachten und Ostern auf einen Tag zusammen gefallen.

Es war eine harte Zeit. Wir mussten den geliebten Ort verlassen, der die letzten fünfzehn Jahre Heimat war. Das alte Teehaus und der Meditations- und Konzertraum wurden abgebaut und der „thermischen Verwertung“ zugeführt – sprich: verbrannt. Es war ein ungeheurer finanzieller und emotionaler Verlust. Durch nicht immer ganz wohlgemeinte „Hilfe“ sind viele Werte unwiederbringlich zerstört worden. Manchmal sind wir bis an die Grenze der Belastbarkeit gekommen. Zu allem Überfluss ist auch noch unser kleiner geliebter Hund ganz plötzlich gestorben. Für ihn waren die unguten Umstände des Ortswechsels einfach zu groß.

Der neue Ort – das mehr als zweihundert Jahre alte Forsthaus in der Rhön – wurde renoviert, die Dachräume gedämmt und die neuen Teeräume gebaut. Jetzt gibt es hier zwei Räume, einen kleinen und heimeligen Raum mit zwei und einer dreiviertel Tatami und einen größeren Raum mit den idealen viereinhalb Matten. Ohne die vielen großen und kleinen Spenden, die hier eingegangen sind, wäre die Arbeit so nicht möglich gewesen. Voller Dank verneige ich mich in Ehrfurcht vor allen Spendern. 

In diesem viereinhalb Tatami Raum haben wir Heiligabend den ersten Tee zubereitet. In der Tokonoma hing eine kleine Hängerolle mit dem Zen – Spruch: „Drei Pfund Hanf“. Einst fragte ein chinesischer Mönch seinen Zenmeister Dong-Shan: „ru he shi Fo – Was ist Buddha?“ Dong -Shan antwortete: „Drei Pfund Hanf!“

Die Frage ist mehrdeutig. „Wer oder was ist Buddha“ oder „Wie steht es um die Buddhanatur?“ oder auch ganz praktisch „Wie kann ich (sofort) Buddha werden?“ Dagegen ist die Antwort eindeutig wie ein Schwerthieb: Nichts Großes oder Seltenes! Einfach nur drei Pfund Hanf. Mit Hanf ist nicht der Cannabis gemeint, den man raucht, um in höhere Sphären aufzusteigen. Es ist die schlichte, ganz gewöhnliche und billige Faser, mit der man das raue Mönchsgewand webt oder das Schlaflager oder die Sitzkissen für die Meditation ausstopft. Buddha ist der schlichte Alltag.

In einem anderen Koan aus dem Hekiganroku sagt der alte Meister Zhao-zhou, dass er sich in seiner Jugend ein Gewand aus sechs Pfund Hanf gefertigt hatte. Das sollte ihm wohl bei der harten täglichen Arbeit auf dem winterlichen Feld schützen. Aber es war viel zu schwer für ihn. Vielleicht hätten drei Pfund genügt? Manchmal sollte man sich nicht allzu viel aufschultern, dann kommt man weiter!

Hier im Teeraum wirkt die Hängerolle, als sei sie extra dafür gemacht worden. Sie passt genau in die relativ niedrige Tokonoma. Außerdem haben wir die letzten Monate Unmengen von Hanf gestopft, um das Dach und die Wände zu isolieren. Der Raum ist nicht prächtig und elegant. Die uralten Eichenbalken des ehemaligen Forsthauses sind krumm und schief und die alten Lehmwände, die an der Fensterseite noch sichtbar sind, wirken, als hätte noch Rikyu selbst sie verputzt. So sieht wabi und sabi aus! Wie ein Gewand aus drei Pfund Hanf!

Die Hängerolle habe ich auf unserer Chinareise im Dezember vor vier Jahren vom jungen Zenmeister Chong Di im An-Guo Tempel in Huangzhou / Wuhan geschenkt bekommen. Der Tempel liegt in einem Neubaugebiet direkt am Ufer des Yangtze, der durch einen hohen Wall eingedämmt ist. Hier traf sich der Dichter Su Shi oder Su Dong Po (1037 – 1101) mit seinem Zenmeister zu regelmäßigen Gesprächen. Su Shi war verbittert, weil er nach erfolgreicher Arbeit als Gouverneur in der Stadt Hangzhou ganz im Süden in den kleinen Ort am Ufer des Yangtse verbannt worden war. Er lebte dort auf einem armseligen Landgut in bitterer Armut, aber in den Gesprächen mit dem Zenmeister fand er schließlich seinen Frieden. In einem seiner Gedichte schildert er die Trauer über die Trennung von seinem Bruder:

Menschen haben Kummer und Freude, Trennung und Zusammenkunft,
Der Mond ist dunkel und klar, voll und halb,
Das war schon immer ausgesprochen schwer.
Aber ich hoffe, wir beide werden ein langes Leben haben.
Auch wenn uns tausend Meilen trennen,
können wir doch die Schönheit des Mondes gleichzeitig genießen.

Zenmeister Chong Di war nicht nur ein großer Verehrer des Dichters, über den er uns begeistert einen Vortrag hielt. Er liebt auch Japan und die Kultur des Teeweges. Mit einfachsten Mitteln hatte er einen Raum im Tempel so japanisch gestaltet, wie es ihm möglich war. Es ist ein Raum wie ein Gewand aus drei Pfund Hanf. Auf dem Boden lagen Strohmatten und das Wandregal war ähnlich wie eine Tokonoma gestaltet. Dort hing eine Schriftrolle: „Bambus hat Knoten oben und unten.“
 

Der Bambus ist im Inneren leer, so wie der Geist des Zen Menschen gelassen und ruhig ist. Aber aus dieser Leere entspringt seine Stärke. Wenn Schnee oder Sturm ihn beugen, so gibt er nach ohne zu brechen. Wenn die schwere Zeit vorbei ist, steht er wieder aufrecht und ungebrochen da. Ein knorriger Eichbaum oder eine alte Kiefer, die sich der Last entgegenstemmen, können brechen. 

Die Knoten des Bambus unterbrechen scheinbar das Wachstum. Sie sind wie die Knoten und Blockaden, die sich manchmal im Leben bilden und uns am Weiterkommen hindern. Aber sie sind es, die dem Bambus seine Stärke verleihen. Nur aus den schwierigen Situationen des Lebens gewinnen wir Kraft. So wachsen die Knoten aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Oben und Unten zusammen.  Sie formen in ihrer Einheit den gesamten Bambus und das Lebens von der Kindheit bis ins Alter.

Meister Chong Di empfing uns in seinem „japanischen“ Raum und bereitete für die gesamte Gemeinschaft auf chinesische Weise den Tee. Anschließend spielte ich für die Chinesen die japanische Zenflöte. Manche waren so gerührt, dass heimlich Tränen flossen. Jeder Unterschied und jeder Konflikt zwischen China und Japan waren verschwunden. Gemeinsam mit meinem Schüler Michael bereiteten wir – die Deutschen – auf japanische Weise mit unseren mitgebrachten Geräten den Tee. Bei den Gesprächen übersetzte Volker, ein früherer Teeschüler, der jetzt in Shanghai an der Universität über die Geschichte des Tee forscht und lehrt. Es war eine echte und innige Gemeinschaft von China, Japan und Deutschland.

Zum Abschied vom Tempel schenkte ich Meister Chong Di mein Buch über die „Heiligen Drachen“ und er überreichte mir die Schriftrolle „Drei Pfund Hanf“, die er von einem japanischen Meister bei seinem letzten Besuch in Japan bekommen hatte. Nun hängt diese Rolle im alten Forsthaus in der deutschen Rhön.

SEN RI DŌ FU – 千里 同風 – Tausend Meilen derselbe Wind.

 

Unterricht im Teeweg

Ab sofort ist wieder der Unterricht im Teeweg möglich. Zwar gibt es in den beiden Teeräumen noch einiges zu tun, aber der Unterricht ist schon jetzt möglich. Das Gästezimmer ist noch nicht fertig. Es wird wohl früher Sommer werden, dann können auswärtige Gäste auch bei uns im Forsthaus übernachten. Bis dahin gibt es einige Pensionen im Ort, die zu wirklich günstigen Preisen vermieten. Eine Ferienwohnung mit zwei Zimmern, Küche und Bad kostet ab dem dritten Tag ab 30 Euro für zwei Personen. Die wunderbaren Wälder der Umgebung bieten ausreichend Gelegenheit für Wanderungen und Erholung.

Silvester im Myoshinan

Silvester und den Übergang ins Neue Jahr werden wir im kleinen Kreis wieder mit Teezeremonie und Meditation feiern. Bei den Rezitationen des Hannya Shingyo werden wir auch um Segen für alle Spender bitten. Ohne ihre Hilfe wäre der schnelle Ausbau nicht möglich gewesen. Dennoch bleibt viel zu tun und wir sind für jede weitere Spende dankbar. 

 

Unterricht in Zen – Shakuhachi

Der Unterricht in Zen – Shakuhachi in der Tradition des Zentempels Icchoken / Hakata ist ununterbrochen weiter möglich gewesen. Es gibt auch die Möglichkeit für online Unterricht über skype oder ähnliche Software. 

 

Shakuhachi und Zen – Seminar auf Teneriffa

In den Osterferien 2020 treffen wir uns wieder zu einem Seminar. Diesmal auf Teneriffa. Im Künstlerdorf Mariposa sind wir völlig ungestört und können den ganzen Tag Zen und Shakuhachi üben wie schon im letzten April in Griechenland.
Das Seminar ist auch für Anfänger in der Shakuhachi oder Spieler anderer Schulen geeignet. Wir üben das Spiel der Shakuhachi als Meditation in der Tradition des Zentempels Icchoken auf Kyushu, nicht als Musik. Die philosophischen und bildhaften Hintergründe der Stücke werden ausführlich diskutiert, sodaß wir verstehen, was wir spielen.
Anfänger können eine Shakuhachi ausleihen oder kaufen.

Unterricht im Teeweg ist ebenfalls möglich. Wir üben die Chabako Zeremonie für die Reise. Auch passive Teilnehmer, die nur zuhören und an den Meditationen teilnehmen wollen, sind willkommen. Der einmalige Ort verspricht Ruhe und Erholung.

Künstlerparadies Maripose auf Teneriffa

Anfragen und Anmeldung hier:

Kontakt

Tee und Zen – ein Geschmack
Seminar am Benediktushof

Im Februar gibt es wieder ein Tee – Seminar am Benediktushof. Bei ausreichender Anmeldung ist auch Unterricht für Fortgeschrittene möglich. Bitte Rückmeldung im Myoshinan

Kontakt

Fr., 21.02.2020, 18:00 Uhr – So., 23.02.2020, 13:00 Uhr

Anmeldung am Benediktushof

 

Rilke und Buddha – Duineser Elegien
Seminar

In diesem Seminar soll es nicht um Vermittlung von philologischen Wissen, sondern um die Begegnung mit dem wahren Selbst gehen. Rilkes epochales Meisterwerk bietet viele Zugänge zur Auseinandersetzung mit sich selbst. Aber es weist weit voraus in eine Zeit der Begegnung mit Buddha. Viele Ansätze aus den Elegien scheinen direkt aus dem Denken des Buddha zu stammen. Sie führen in den Frieden und die Freude des Daseins inmitten der alltäglichen Dinge.

Vormittags werden wir den Text lesen und im lockeren Gespräch versuchen zu verstehen und nachzuvollziehen. In den Nachmittagen gibt es Möglichkeit zur Freizeit und zum Rückzug zu sich selbst. Teezeremonien und kleine Meditationen mit der Zen Shakuhachi runden das Seminar ab.

Es besteht auch die Möglichkeit, das Spiel der Shakuhachi als Meditation zu erlernen und Teezeremonie als Meditation zu üben.

Ort: Mariposa auf Teneriffa oder Lachania auf Rhodos
Zeit: Pfingstferien oder Oktober

Interessenten melden sich bitte bereits jetzt unverbindlich damit die weitere Planung möglich ist.

Kontakt



 

 

  

 

 

  

 


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Winter in der Rhön

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Nach fast drei Monaten schwerer Arbeit am Teehaus mit über siebenhundert oder achthundert Arbeitsstunden nähern wir uns dem Ende der Arbeiten. Die Erste Wand ist schon verputzt, die Decken vertäfelt. Nur noch eine Schiebetür muss eingepasst werden, dann gehts mit Riesenschritten dem Ende zu. Das Weihnachtsfest werden wir wohl mit einer ersten feierlichen Teezeremonie in den neuen Räumen feiern.

Inzwischen ist draussen der Winter angekommen und es schneit heftig.Da sind die Pausen mit Glühwein und Kastanien eine willkommene Erholung. Langsam wird es auch Zeit, denn nach über einem Jahr schwerer Arbeit muss jetzt Weihnachten die Ruhe einkehren.

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