Rückkehr zum Himmel

Rückkehr zum Himmel

Ich werde zum Himmel zurückkehren,
Hand in Hand mit dem Tau,
der unter der Berührung des Frühlichts dahinschwindet.

Ich werde zum Himmel, zurückkehren,
allein mit dem Dämmerlicht,
wenn die Wolken uns am Fuße des Berges beim Spielen zusehen.

Ich werde zum Himmel zurückkehren,
an dem Tag, an dem der Ausflug auf dieser schönen Welt endet,
werde gehen und sagen, es war schön.

Sang-Byeon Chun

Ich arbeite derzeit wieder an dem zweiten Band meines Buches über die Drachen und bin beim Kapitel über Korea angelangt. Da fiel mir wieder ein schmales Gedichtbändchen des südkoreanischen Dichters Sang-Byeong Chun in die Hand, das ich von seiner Witwe Mok Sun-Ok bei einem Besuch in Seoul geschenkt bekommen hatte. Ich hatte sie in ihrer Teestube „Kwi-ch’on“ in der traditionellen Einkaufsstraße Insa-Dong in Seoul mit den vielen Antiquitätengeschäften besucht. Natürlich war dort auch Brother Anthony of Taizé dort. Er ist ein englischer Professor, der seit vielen Jahren in Korea lebt und viele koreanische Dichter und Poeten übersetzt hat. Er hat auch ein Buch über die koreanische Teezeremonie geschrieben, weshalb ich ihn kennenlernen wollte. Inzwischen ist er als Koreaner eingebürgert und heißt nun 안선재 – An Seon-Jae.

Sang-Byeon Chun ist in Deutschland – so wie auch die meisten koreanischen Künstler – bei uns kaum bekannt. Aber er hat einen diplomatischen Konflikt zwischen der südkoreanischen Militärregierung und der Bundesrepublik ausgelöst. 

Chun war in Japan geboren worden. Nachdem Korea am Ende des Weltkrieges aus der japanischen Herrschaft befreit und ein eigener Staat gegründet war, kam er nach Korea. Noch während der Schulzeit begann er, Gedichte in koreanischer Sprache zu schreiben. Aber schon bald begann der fürchterliche Koreakrieg, der formal bis heute nicht beendet ist. Während der Zeit der Militärregierung unter General Park Chung-hee floh Chung wie viele südkoreanische Künstler nach Europa. Er hielt sich in Paris und Deutschland auf. Er wurde unter dem Vorwurf, er sei in der Ostberliner Botschaft Nordkoreas als Spion gegen Südkorea ausgebildet worden, entführt und in Südkorea schwerer Folter unterzogen. Aber er wurde niemals verurteilt oder auch nur angeklagt. Danach war er ein gebrochener Mann, der sich alkoholsüchtig in den Straßen von Seoul herumtrieb. Schließlich galt er als verschollen, aber er war unbekannt in eine psychiatrische Klinik eingeliefert worden. Genau am Tag seiner Einlieferung erschien „posthum“ ein Gedichtband, weil man dachte, er sei verstorben. Seine spätere Frau war in Hiroshima geboren. Sie entkam der Bombe, aber ihr Vater kam bei dem Angriff ums Leben. Sie betrieb die kleine Teestube, die nach dem Gedicht „Rückkehr in den Himmel“ Kwichon heißt. Dort trafen sich immer wieder viele Intellektuelle und Künstler. Die Teestube ist eine kleine Gedenkstätte für Sang-Byeon Chu.

Der Tag des Herrn
Hoch am klaren Herbsthimmel wie heute,
höher darüber fließen die Wolken dahin.

Direkt vor dem Eingang einer katholischen Kirche
warte ich nun.

Wenn der am Eingang wachestehende Verkehrspolizist
sich fertig gereinigt hat, will ich mich auch reinige

Es wäre ja eine Schande,
hätte er eine bessere Einstellung als ich.

Hoch am klaren Herbsthimmel wie heute,
höher darüber fließen die Wolken dahin.

Der Vogel.

Ein junger Soldat, der über die Feuerstellung des neuesten Maschinengewehres nachdachte, langweilte sich zu Tode. Eines Tages sah er liebevoll zu einem Vogel hinauf, der über seinen Kopf geflogen war. Der Soldat, der in den Bergen aufgewachsen war, widmete dem Vogel seine Aufmerksamkeit. Von dieser Aufmerksamkeit wurde die Augen des Mannes rot. Langsam bewegte sich seine Hand und zielte mit der Mündung des Maschinengewehres auf den Vogel und schoss. Blutend stürzte der Vogel vom Himmel herunter. Das Gebüsch streichelte die Leiche, als wäre es die Handfläche des heiligen Paulus, und es versammelten sich alle Bäume, Gräser und Blumen und schrieen laut:
„Das Blut des Unschuldigen kann nicht ausgewaschen werden. Das Blut des Unschuldigen kann nicht ausgewaschen werden!“

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