Über Essen zu reden macht nicht satt.

Über Essen zu reden, macht Euch nicht satt;
Von Kleidung zu schwätzen, schützt nicht vor Kälte.
Zum Sattessen braucht es schon eine Mahlzeit,
Nur in Kleider gehüllt entgeht man dem Frost.

Ihr könnt Euch nicht vom Prüfen und Bedenken lösen,
Behauptet nur, dem Buddha nachzufolgen sei unmöglich.

Kehrt den Blick ins Herz, und alsbald seid ihr Buddha –
Im Außen findet Ihr ihn nie!

Hanshan – Gedichte vom kalten Berg

Der geheimnisvolle chinesische Dichter und Zen – Laie Hanshan (? – oder waren es doch viele Personen? ) lebte am „Kalten Berg“, nach dem er sich auch Han-Shan, „Kalter Berg“ nannte.
Natürlich ging es ihm nicht darum, reichlich und gut zu essen und sich in edle Gewänder zu hüllen. Sein Ziel war es, die Buddhaschaft zu erlangen.
Die Sorge um Kleidung und Essen reißen den Menschen aber heraus in die Außenwelt – und schon ist Buddha verloren.

Hanshan kennt noch ein weiteres Hindernis auf dem Weg: das „Prüfen und Bedenken“. Aber wir Menschen bedenken immer unseren Lebensweg, ja, manchmal sogar jeden Schritt. Martin Heidegger schrieb in „Sein und Zeit“, die Grundstruktur menschlichen Seins ist die Sorge, die Sorge darum, dass mein Leben gelingt. Nicht einfach nur so in der Weise des Überlebens, vielmehr so, dass das Leben gut gelingt. Aber was wird im Alltag aus der Sorge? Das „Be-sorgen“. Man hastet hin und her um dies und das noch zu besorgen. Ja, die Dinge schreien förmlich danach, noch unbedingt besorgt werden zu müssen. Diese Sorge reißt uns heraus aus unserer Mitte ins besinnunglose Be-sorgen und wie leicht vergessen wir darüber die eigentliche Sorge.

Hanshan meint mit seiner Kritik am Prüfen und Bedenken sicher auch nicht, dass wir uns bedenkenlos in einen Weg hineinstürzen. Wie leicht folgt man dann einem Scharlatan, der das Heil verspricht! Kritik und Be-denken sind uns Menschen Grundbedürfnisse. Dennoch finden wir den Buddha in uns nur, wenn es uns gelingt, von der Sorge, dem Be-sorgen und dem Be-denken los zu lassen und einfach nur: zu sein.

Aber wenn einer am kalten Berg lebt, und sei er noch sei eifrig bemüht, die Buddhaschaft mit seinen Übungen und Bemühungen zu verwirklichen, dann braucht er Essen und Kleidung. Sonst ist es bald mit den Übungen vorbei. Essen und Kleidung sind eben Dinge, die der Mensch zum Leben braucht. Die Frage ist nur, ob wir unser ganzes Leben auf den Erwerb dieser Dinge ausrichten, oder genügt ein „einfaches Mahl, bei dem wir nicht hungern“ (Rikyū in Nambōroku). Und zu den menschlichen Grundbedürfnissen, die lebensnotwendig sind, gehört auch die Kleidung, ohne die wir ganz einfach „am kalten Berg“ frieren oder gar erfrieren würden.

Einfache Kleidung, die uns vor den Frieren bewahrt, genügt. Kürzlich habe ich von einer Dame gehört, dass sie für ihren Job gut gekleidet sein muss und dass es üblich ist, jeden Tag neue und andere Kleidung zu tragen. Aber man wird ja gut bezahlt, damit man stets neu gekleidet sein kann. Wie bitte: Ich arbeite, um das Geld zu verdienen, mit dem ich die Kleidung kaufen kann, die ich tragen muss, damit ich mein Geld verdienen kann?

Über die Kleidung schreibt Rikyū in einem kleinen Gedicht:

eri kaete
sumizome nunoko
iro no wataobi
tabi ougi
atarashi seyo.

Man wechsle den Kragen
des tuschegefärbten Alltagsgewandes
mit farbigem Obi.
Tabi und Fächer sind stets neu!

Es genügt, den aufgenähten Kragen des Alltags-Kimono zu wechseln, der mit einem farbigen Obi zusammengehalten wird. Schon ist man frisch und rein, und läuft nicht mit zerrissener, schmuddeliger Kleidung herum wie ein Landstreicher. Nur die Tabi, die weißen Socken mit den gespaltenen Zehen sollten neu sein. Sie werden halt allzu schnell schmutzig. Allerdings haben Mönchen, eben aus diesem Grund, im Teeraum keine Tabi getragen. Das Tragen von Tabi war eh nur den hochgestellten Personen erlaubt. Das Ideal des Teemenschen ist ohnehin das einfache, schlichte Leben, das uns ermöglich in die Stille und zu uns Selbst zu kommen. Aber dennoch: auch Teemenschen und Teelehrer müssen essen und sich kleiden.

Als Rikyû in die Dienste Hideyoshi’s eintrat, schrieb er an seinen Teefreund Yabonouchi Kenchū Jōchi (1536 – 1627), einem gemeinsamen Schüler von Takeno Jōō, dass er ihn um seine Freiheit und Unabhängigkeit beneide und dass er es sehr bedauere, mit dem Tee seinen Lebensunterhalt verdienen zu müssen. Rikyū’s Weggefährte Jamanoue Sōji schrieb in seinen Aufzeichnungen:

Seit Rikyū benutzen wir chanoyu für unseren Lebensunterhalt. Das ist höchst bedauerlich!

Aber auch die Nachkommen von Yabonouchi betreiben heute eine Teeschule in Kyoto, die Yabonouchi Ennan und verdienen damit ihren Lebensunterhalt.

In Deutschland kann man immer wieder erleben, dass Menschen erstaunt reagiren, dass sie für den Unterricht im Teeweg bezahlen sollen. „Aber es ist doch nur Tee!“ (Vielleicht denken sie ja ganz heimlich, ja -, für Tennisunterricht zahlt man selbstverständlich, das ist ja Sport. Aber dieser Teelehrer geht doch den geistigen Weg. Dafür nimmt man doch kein Geld! )
Ich habe schon hitzige und erregte Diskussionen darüber erlebt, dass es eine ungeheurliche Frechheit ist, wenn der Teelehrer für seine Leistungen bezahlt werden möchte. Aber in Japan weiß man, dass es keine Bezahlung ist, wenn man seinem geistigen Lehrer, sei es der Zen- oder der Teemeister für das, was man von ihm bekommen hat, eine Gegengabe zurück gibt. Der muss ja auch essen und sich kleiden. Und schließlich verlangt man von ihm, dass er für den Schüler da ist. Also kann und soll er keiner der üblichen Erwerbstätigkeiten nachgehen. Aber wovon soll er dann leben?
In Japan kann man auf die Strasse gehen und betteln. Aber in Deutschland?

Es bleibt also immer ein Problem, dass geistige Lehrer Geld nehmen (müssen). Und was tut man, wenn jemand statt den vereinbarten Preis zu zahlen, treuherzig versichert, „ich habe aber heute leider nur die Hälfte des Geldes dabei!“ ?

Wir verdienen mit Chanoyu unseren Lebensunterhalt. Das ist höcht bedauerlich!

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