Morgen werden wir wieder hier im Dôjô einen Kochkurs in japanischer Küche machen.
Vor langer Zeit, als ich begonnen hatte, den Teeweg zu gehen, wollte ich auch einmal ein Kaiseki kochen. Aber es gab weder Kochrezepte noch die Zutaten zur Japanischen Küche in Deutschland zu kaufen. Irgendwo hatte ich von Shoyu, Miso, Su und Dashi gelesen, aber wo konnte man die Zutaten kaufen, wie waren sie zuzubereiten?
Da stieß ich auf ein Buch: Zen für Küche und Leben von Uchiyama Rôshi. Uchiyama interpretiert und erläutert darin das „Tenzo Kyonkum“ von Zenmeister Dôgen über das Kochen im Zenkloster.
Das musste die Lösung für mein Problem sein! Aber völlig enttäuscht musste ich feststellen, das in dem Buch keinerlei Rezepte enthalten waren. Es ging zum Beispiel darum, dass der Koch mit seiner ganzen Aufmerksamkeit den Reis waschen soll, damit keine Steine oder andere Verunreinigungen enthalten wären. Aha! Das Kochen ist nichts anderes als eine Schulung der Aufmerksamkeit und der Achtsamkeit. Jeden Augenblick ganz und gar bei der Sache sein, niemals mit den Gedanken abschweifen.
Eigentlich hatte ich nach Kochrezepten gesucht, aber gefunden hatte ich eine Anleitung, jeden Augenblick da zu sein. Kochen ist nichts anderes als Zen!
Einige Zeit später lernte ich Fumon Rôshi kennen, der damals gerade nach Deutschland gekommen war und die deutsche Sprache lernte. Ich wollte von ihm einen Hinweis auf ein gutes Buch über Zen haben und er empfahl mir das Buch seines Lehrers. Aber welches Buch? Nun, genau das „Zen für Küche und Leben“. Dies sei das Beste, was je in deutscher Sprache über Zen geschrieben worden sei.
Nun übe ich seit vielen Jahren den Tee-Zen und ein Bestandteil des Tee-Zen ist auch der Koch-Zen, denn wir reichen am Beginn einer Teegesellschaft ein kleines Essen, ein Kaiseki. Wörtlich heißt Kai-seki der Stein in der Brusttasche (des Kimono), den sich die Mönche bei langen Zen-Sesshins auf den Magen legten, damit der nicht während der Meditation knurrt vor Hunger. So soll das Essen im Teeweg „gerade ausreichen“, damit wir nicht Hunger leiden“ wie Sen no Rikyû im Namboroku sagt. Aber dazu muss das Essen nicht nur physisch satt machen.
In der ehemaligen DDR hatte man von einer „Sättigungsbeilage“ gesprochen. Da gab es also die feinen und leckeren Sachen und den Papp, die Beilage, die satt macht. Eigentlich bin ich schon satt, wenn ich so etwas höre.
Nein, das Kaiseki muss alle sechs Sinne satt machen, damit der Hunger gestillt ist, den Hunger zu schmecken, zu riechen, zu hören, zu fühlen, zu sehen und zu wissen.
Dann wird ein Kaiseki trotz aller Schlichtheit zu einem kleinen Kunstwerk. Denn alle sechs Geschmäcker sollten vorhanden sein, alle fünf Farben und das Essen muss unseren Intellekt befriedigen. Das geht nur, wenn der Koch bei der Zubereitung ganz und gar bei der Sache ist und mit den Gedanken niemals abschweift.
Also wird es morgen wieder einmal keinen Kochkurs geben sondern wir werden Zen üben. Kein Sitz-Zen, sondern Koch-Zen.
Aber Dôgen sagt – wie Uchiyama in seinem Buch erläutert, dass jeder Tätigkeit unseres Lebens Sa-Zen ist, Sitz- en, denn es geht darum, den rechten Sitz im Leben zu finden. Jeden Augenblick.
Also doch keinen Kochkurs sondern Sa-Zen.