Briefe aus Japan

Japan im Januar

Liebste Freundin!

Was war das wieder für ein anstrengendes Wochenende!
Vielleicht erinnerst Du Dich noch daran, wie in meinem letzten Brief erwähnt, daß der Jahreswechsel O-Shogatsu in Japan eigentlich zum wichtigsten Feiertag zählt, denn das neue Jahr vermittelt wahrscheinlich nicht nur der japanischen Bevölkerung ein Gefühl der Erneuerung und des Neubeginns.
Zu dieser Art der Erneuerung gehört unweigerlich der Hausputz Susuharai dazu, abgehalten in der Zeit des O-Shogatsu. Als ich der Hausfrau meiner Gastfamilie dafür meine Mithilfe anbot, hätte ich wissen müssen was da auf mich zukommt. Susuharai umfaßt nicht nur eine gründliche Säuberung im Hausinneren, nein natürlich auch außerhalb des Hauses muß alles geputzt und geschrubbt werden. Es wird dabei sowohl physisch, als auch spirituell der Schmutz entfernt und somit alles für das Neue Jahr frisch gemacht. Ich sage Dir, ich scheuerte und wischte und die Zeit schien dabei gar nicht zu vergehen.
Endlich mit dieser Arbeit fertig, ging es gleich nahtlos und ohne Pause in der Küche weiter.

Osechi, das tradtitionelle japanische Neujahrs-Essen, mußte vorbereitet werden. Es wird von der Hausfrau recht bald zubereitet, sodaß es während den Neujahrs-Feiertagen nicht erforderlich ist zu kochen. Osechi zuzubereiten ist sehr schwierig und von großem Aufwand. Es wird dann kunstvoll im Lackgeschirr (Jyuhbako oder O-jyuh) arrangiert und serviert. Aber es wäre nicht Japan, gäbe es Osechi nicht auch bereits fix und fertig im Supermarkt zu kaufen.

Keine Angst, ich werde Dir jetzt nichts über die Zubereitung von Osechi schreiben. Das wäre zu umfangreich und darüber sind schon genug Kochbücher veröffentlicht worden. Nein, was ich viel interessanter finde ist die Symbolik der einzelnen Speisen,was dazu führt, daß Osechi auf einem kleinen Tisch im Hausaltar den Göttern geopfert wird.

Hast Du zum Beispiel gewußt, daß Bambus-Schösslinge, im chinesischen Setsu ausgesprochen, für Tugend, Treue und Beständigkeit stehen?
Oder Mandarinen, im chinesischen Daidai genannt, die Bedeutung von Generation zu Generation haben?
Die Große Klette symbolisiert Energie, der Rettich (Daikon) ein langes Leben.
Datemaki, gerollte Omeletten, stehen für den Lernprozess! Frage mich bitte nicht, warum das so ist, ich weiß es nicht.
Kachiguri, getrocknete Maronen, für den Erfolg, weil das Homonym Kachi gewinnen oder siegen bedeutet.
Kubomaki sind gerollte Algenblätter, Yoru-kobu meint, erfreut oder gücklich zu sein.
Kamaboko eine Fischpaste, zu einer Rolle geformt, innen rot bzw. rosa gefärbt, umgeben von weißer Paste, symbolisiert den Sonnenaufgang.
Kurikinton sind süße Maronen (Kuri) und Süßkartoffel. Kuriageru heißt sich fortbewegen, Kinton ist der Schatz.
Kuramame sind süsse schwarze Sojabohnen. Mame ist die schwere Arbeit, aber genau so die Gesundheit und die Körperkraft und Kuro wörtlich 'schwarz' aber Mame ni kurasu meint: 'Gesundheit im ganzen Jahr'
Kazunoko, gelber Roggen vom Hering steht wegen der vielen Eier für Reichtum.
Der Hummer symbolisiert die alte Zeit aufgund seines gekrümmten Rückens. Zusammen mit Mandarinen während des Neujahrs an der Eingangstür hängend, heißt es: "Glück für dich im Ertrag an Land und Kraft am Meer."

Die Lotus ist der Inbegriff für Glück in der Zukunft.
Namazu, gesäuerter Fisch, gemischt mit Rettich und in Streifen geschnittenen Karotten steht für Feier und ist eines der ältesten Gerichte Japans.
Nimono eine gekochte Speise, mit Rettich für ein langes Leben, großen Kletten für die nötige Energie und Lotus-Wurzeln für die Hoffnung auf zukünftiges Glück.
Algen, in Japan Konbu genannt, sind das Symbol für Glück und Freude, weil es das Synonym für Fröhlichkeit ist.
Tazukuri sind getrocknete süße Sardinen. Sie werden für eine gute Ernte auf den Reisfeldern geopfert.
Ja und zu guter Letzt durften natürlich auch die Mochis nicht fehlen.
Am Neujahres-Tag gibt es die nämlich schon zum Frühstück. Selbstverständlich kann man auch die bereits fertig im Supermarkt kaufen.

Leider war diese Option für meine Gastfamilie undenkbar, darum mußten all die oben angeführten Speisen selbst zubereitet werden.
Endlich mit der Arbeit in der Küche fertig, und im Gedanken schon auf meinem Futon liegend, hatte sich meine Gastfamilie eine besondere Überraschung für mich ausgedacht: einen Besuch einer japanischen Teezeremonie mit anschließendem Shakuhachi-Konzert, das ist die traditionelle japanische Bambusflöte.
Aber darüber werde ich Dir erst in meinem nächsten Brief ausführlich berichten.

Es grüß Dich auf's herzlichste
Deine garu-furendo
K.May

P.S. Viele Grüße auch an unsere Freundin Takahara