In memoriam Michael A. Birch

一月 Ichigatsu - JANUAR

Chadô im Januar

Die ersten Wochen des Januar sind geprägt vom Jahreswechsel und stehen ganz in der Erwartung des verheißungsvollen Neubeginns. Beim Neujahrsmahl herrschen die Farben rot / weiß vor, denn sie bedeuten Glück und Neuanfang. In der Tokonoma dekoriert man ein spezielles Neujahrsarrangement. Auf einen kleinen Ständer wird Kombu (Seetang für Suppe) gelegt, weil sein Name an Glück erinnert. Darauf liegen Reis oder große Kuchen aus Reismochi, weil immer reiche Nahrung da sein soll. Eine Mandarinenart "Dai" wird in wenigsten drei Stufen darauf gelegt, weil "Dai - Dai - Dai" klingt wie "Generation - Generation ..." (Dai = Mandarine und Generation) Häufig ergänzt ein Hummer den Aufbau, weil er weißes Fleisch in einer roten Schale hat und weil das Schriftzeichen für 10. 000 von einem Skorpion abgeleitet ist, der mit seinen zwei Scheren und dem Hinterleib Ähnlichkeit mit dem Skorpion hat, aber angenehmere Empfindungen hervorruft. Der Skorpion wird ja bekanntlich 10.000 Jahre alt (?!). Kiefernzweige für langes Leben und Dauer schmücken den ganzen Aufbau, der als Horai bezeichnet wird, so wie der Berg im Nordosten, auf dem die Glücksgötter wohnen.
Teeeinladungen sind von diesem Gefühl für den festlichen Neubeginn gekennzeichnet. Erste Blüten wie Winternarzissen schmücken die Tokonoma. Obwohl draußen die Dunkelheit vorherrscht, bemüht man sich, die Atmosphäre des neuen Lichte in den Teeraum zu tragen. Vielleicht wird sogar eine schlichte Raku-Teeschale verwendet, die innen mit Blattgold überzogen ist. Die Natsume, die Dose für den dünnen Tee darf gern mit reichen Goldmuster, vielleicht dem Schatzschiff und den sieben Glücksgöttern verziert sein.

日 出 乾 坤 輝
Hi idete Ken Kon kagayaku

Wiederkehrende Sonne: Himmel und Erde funkeln.


toshi no uchi ni
haru wa kinikeri
hitotose o
kozo to ya iwamu
kotoshi to ya iwamu
Im alten Jahr
hat der Frühling schon begonnen -
soll ich dieses Jahr
nun letztes
oder neues nennen?

Kokin Wakashu

Der Tag des Frühlingsanfangs - risshun - nach dem heutigen Sonnenkalender Anfang Februar, lag nach der alten Zeitrechnung des Mondkalenders manchmal noch im alten Jahr. Damit lag der erste Tag des neuen Jahres später als der Frühlingsanfang. In der Gedichtsammlung Kokin Wakashu wird dies zum Anlass genommen, die strikte zeitliche Abfolge von altem und dann neuem Jahr aufzuheben. Wenn der Tag des Frühlingsbeginns bereits im alten Jahr lag, bedeutet dies, dass es streng genommen gar kein "neues" Jahr gibt. Alt und neu sind untrennbar ineinander verwoben. Der absolute Neubeginn ist nichts als eine Fiktion - die "neue" Zeit trägt den Samen der "alten" in sich und die Dinge entwickeln sich aus der Tradition des Alten weiter. Nur wenn das Alte und das Neue in Harmonie miteinander verwoben sind, trägt das Neue gute Früchte.

Bei der Urasenke, die Rikyû's Tradition seit 15 Generationen lebendig hält, wird deshalb der Jahreswechsel in einer besonderen Weise begangen.
Am letzten Abend des alten Jahres wird noch ein letztes mal Tee zubereitet. Die Holzkohle wird sorgfältig mit Asche bedeckt und die Luftzufuhr wird reduziert, indem die Feuerstelle mit einer speziellen Haube abgedeckt wird. Früh am nächsten Morgen wird mit den Resten der Glut vom Vorabend das neue Feuer entzündet und der erste Tee des neuen Jahres bereitet. Alt und Neu, Tradition und neue Zeit sind eng miteinander verwoben.

Jahreszeitenworte

  • 初空 Hatsu Sora
    Erster Himmel (der Himmel am ersten Tag des neuen Jahres)

  • 初日 Hatsu Hi
    Erster Tag des neuen Jahres

  • 蓬莱 Horai
    Auf dem Horai-Berg wohnen die sieben Glücksgötter. Sie bringen die Gaben wie langes Leben, Weisheit, Gesundheit, Reichtum usw. Die Tokonoma dekoriert man zu Neujahr in spezieller Weise mit Glückssymbolen. Diese Dekoration heißt ebenfalls Horai.

  • 宝舟 Takarabune
    Schatzschiff. Auf dem Schatzschiff senden die Glücksgötter ihre Gaben zu den Menschen. Reich beladen kommt das Schiff vom Horai-San im Nord-Osten auf dem Fluß, der nach Südwesten zum Großen Meer fließt. Ein Ort, der vom Glück gesegnet sein soll, muß also den Berg im NO und den Fluß haben, der von NO nach SW fließt. In einer solchen Lage wurde Heian Kyô, die Hauptstadt des himmlischen Friedens (Kyôtô) gegründet.
    Nicht immer findet man eine solch glückliche Lage für sein Haus. Die Zen - Klöster legten darum einfach einen Garten an, in dem diese Landschaft mit Kies und Steinen als "Kara San Sui", "Trockenlandschaft mit Bergen und Wasser", nachgebildet ist.
    Das berühmteste Beispiel ist der Garten des Daisen In, eines Subtempels des Daitokuji in Kyôtô, in dem sogar das Schatzschiff, aus einem Felsen geformt, zu sehen ist.

  • 人日 Jin Jitsu;   七草 Nana Kusa
    7.Januar: an diesem Tag wird eine Suppe mit sieben verschiedenen Gemüsen gegessen. Sie soll Glück und Gesundheit für das ganze Jahr bringen.

  • 松の内 Matsu no uchi
    Bis zum 15 Januar sind die Eingänge mit Neujahrsschmuck versehen. Nach diesem Tag wird der Schmuck entfernt. Das normale Leben des Jahres nimmt seinen Gang.

  • 初春 Hatsu haru
    Erster Frühling: Es handelt sich hier nicht um den Frühlingsanfang. Die Tage werden wieder länger und das Dunkel der letzten Zeit des Jahres läßt allmählich nach. Man hat das Gefühl, der Himmel wird wieder hell und man atmet förmlich wieder auf. Die ersten Tage des neuen Jahres, wenn die Sonne wieder Stärker wird, sind oft warm und lind wie ein Frühlingstag und manchmal duftet die Erde wie im Frühling. Zwar kommen Nachts noch harte Fröste, aber tagsüber sitzt man gern in den ersten Sonnenstrahlen und wärmt sich. Sogar die ersten Blüten zeigen sich manchmal unter dem Schnee.
    Leider war es aber noch nicht der ersehnte Frühling: es kommt noch neuer Schnee und später dann die große Kälte.

  • 初霞 Hatsu Gasumi
    Erster Nebel. Nebel spielt in Japan eine besondere Rolle. Er ist nicht nur unangenehm, vielmehr verbirgt er die Dinge und zeigt sie in einem geheimnisvollen Licht. Die Klarheit eines reinen Sonnentags nimmt den Dingen jedes Geheimnis. Alles leuchtet, und es scheint, als sei alles vollkommen offenbar. Der Nebel zeigt, daß die Dinge einen geheimnisvollen Schleier und Hintergrund haben.

  • 小寒 Sho kan
    Kleine Kälte um den 6. Januar

  • 大寒 Dai kan
    Große Kälte. Um den 22./23. Januar sind häufig die kältesten Tage des Jahres. Besonders schön sind diese Tage, wenn der Vollmond über einer Schneelandschaft am Himmel steht.

  • 寒月 Kan Getsu
    Kalter Mond. In dieser Zusammensetzung wird das Zeichen für Mond nicht als Monat sondern als Mond gedeutet. Der "kalte Mond" steht tief und riesengroß über einer verschneiten Landschaft. Die Kälte der Winternacht wird noch verstärkt durch diesen kalt-weiß frostigen Mond, der mit seinem kalten Licht förmlich allen Dingen die letzte Wärme zu entziehen scheint.

名物 Meibutsu: Namen für Teegeräte

Zwar können alle jahreszeitlichen Worte hergenommen werden, um besondere Gerätschaften damit zu benennen, aber in der Geschichte des Teeweges gibt es einige herausragende Meibutsu, "Namen-Dinge", Dinge, die so berühmt waren, daß Teemeister oder herausragende Personen ihnen einen Namen verliehen haben. Für die Übungen im Teeweg können solche Namen auch für "namenlose" Dinge genommen werden. Hier einige besondere Beispiele aus alten Aufzeichnungen über Teeeinladungen.

    茶入 Chaire - Behälter für den dicken Tee

  • 来福 Raifuku
    Künftiges oder kommendes Glück

  • 初草 Hatsu Kusa
    Diese Chaire hat keinerlei Pracht oder auffällige Merkmale. Alles ist völlig schlicht und unscheinbar wie das braune Gras, das gerade eben zwischen dem schmelzenden Schnee hervorlugt. Zwar ist das Gras noch unscheinbar und fast verborgen, aber es läßt in der Kälte und Todesstarre des Winters den Neubeginn ahnen.
    Rikyû nahm in einem Gespräch mit dem Mönch Nambô über wabi Bezug auf das berühmte Gedicht des Hofadligen Fujiware no Sadaie (miwatase ba hana mo momiji mo ... / man schaut sich um: weder Kirschblüten noch roter Ahorn ...). Rikyû antwortet mit einem weiteren Gedicht:

    hana wo nomi
    matsubaran hito ni
    yamazato no
    yuki ma no kusa no
    haru wo miseba ya.
    Zeigte man doch den nur die Kirschblüten
    erwartenden Menschen
    den Frühling
    der Gräser im tauenden Schnee
    des Bergdorfes!

    Wer die Pracht der Kirschblüten oder des rot leuchtenden Ahorn kennt, kann sich im Verzicht aus der Welt der Pracht zurückziehen. Dennoch ist dieser Rückzug von einer Wehmut und einer stillen Sehnsucht zurück gezeichnet. Wabi ist damit ein wehmütig-sehnsüchtiges Lebensgefühl einer reichen Schicht, die sich bewußt aus der Pracht zurückzog.
    Erst wenn es gelingt, aus der völligen Reduktion auf das Minimale, also aus dem unscheinbaren und versteckten Bergdorf im Schnee, wo nur einfache Bauern leben, den Blick auf das schlichte Gras, das verborgen unter dem Schnee auf die neue Zeit wartet zu richten, verliert sich die Sehnsucht zurück und der Blick richtet sich nach vorn!

    茶杓 Chashaku - Teelöffel

  • 蓬莱山 Horai San
    Der Berg Horai, der Wohnsitz der sieben Glücksgötter.

  • 千代の光 Chiyo no Hikari
    oder in der japanischen Lesung "Sen Dai no Hikari", wörtlich: Leuchten von tausend Generationen.
    Nach der japanischen Auffassung liegt nichts daran, daß der Einzelne glücklich wird oder ein langes Leben hat. Wichtiger ist, daß sein Werk, das er von vielen Generationen vor ihm übernommen hat, weitergeführt wird für "tausend Generationen". So leuchtet die Familie in der getreuen Überlieferung vieler Generationen und in der Weitergabe dieser alten Güter. Die Sen Familie hat nun seit mehr als 400 Jahren das Werk Rikyû's weitergeführt und wird es auch noch weit in die Zukunft tragen.

    茶碗 Chawan - Teeschalen

  • 雲海 Ûnkai
    Wolken - Meer. Die Wolken verdecken den klaren Himmel und bringen dunkles und trübes Wetter. Damit sind aber keinerlei negative Empfindungen verbunden, im Gegenteil. Die Wolken brechen das gnadenlos helle Licht und hüllen Alles in geheimnisvolles Dunkel. Bereits das Schriftzeichen 雲 zeigt oben den Regen, der von den Wolken gehalten wird. Der Regen bringt aber Reichtum und Fülle, weil er das Wachstum fördert.
    Das Meer, die "Mutter von Allem" (Schriftzeichen 海: vorn das Radikal für Wasser, danach oben 'Mensch' und unten 'Mutter': 'JEDER Mensch hat eine Mutter' ), der Ursprung von Allem. UNKAI ist damit nicht nur ein Meer von Wolken, es ist die Gabe des Lebens für alle.
    Für einen Chashaku wäre dies nicht der richtige Name. Der Chawan enthält den Tee wie einen Schatz, so wie die Wolken das Geheimnis und das Lebenswasser bergen.

  • 瑞雲 Zuiun
    Glückverheißende Wolke(n). 瑞 Zui ist ein gutes Omen, ein glückverheißendes Vorzeichen. Die Wolken bergen das kommende Glück.



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