Anmerkungen zum Dao De JingIn den folgenden Seiten werden in unsystematischer Reihenfolge einige Anmerkungen und Überlegungen zum Dao De Jing gesammelt. Die Anmerkungen sind entstanden in Zusammenhang mit einem Philosophie - Kurs, der schon seit einigen Jahren besteht, und in dem wir gemeinsam die unterschiedlichsten Texte aus der Philosophie gelesen und diskutiert haben.Während der Vorbereitung des Kurses und in den Diskussionen tauchen immer wieder Gedankengänge auf, die sicher auch nicht nur für Kursteilnehmer interessant sind. Deshalb sollen hier einige der Gedankensplitter gesammelt werden. Vielleicht hat ja jemand Lust, sich an der Diskussion um das Dao De Jing zu beteiligen.
Anmerkungen zu den chinesischen Texten:Die Texte sind in computerlesbarer japanischer Schrift wiedergegeben. Dazu wurde die japanische Sprachunterstützung, die in den neueren Windows-Versionen enthalten ist installiert. Ist diese Sprachunterstützung nicht installiert, erscheinen keine japanischen (bez. die aus China entlehnten) Schriftzeichen. Die Japanische Sprachunterstützung wurde deshalb gewählt, weil auf der Seite in der Regel mit der japanischen Schrift gearbeitet wird. In fast allen Fällen reicht dies aus, um den chinesischen Text vollständig darzustellen.Zu den Zitaten aus dem Dao De Jing wurde jeweils die Pinjin-Aussprache dazu gegeben. Ich benutze aber sehr oft auch die japanische Lesung, so wie sie in Japan für chinesische Texte üblich ist. Dies mag zwar unwissenschaftlich sein, aber ich bin nun einmal Lehrer der japanischen Teezeremonie und denke und verstehe diese Texte auch aus der (japanischen) Praxis dieses Weges.
DAOISMUS und der TEEWEGIn aller Regel wird der Teeweg als eine vom Buddhismus beeinflusste Kunst bzw. Übungsweg gesehen. Dies ist auch durchaus richtig. Es gilt nach wie vor: Tee und Zen - EIN Geschmack. Aber die Teemeister zur Zeit Rikyû's haben alle geistigen Einflüsse ihrer Zeit aufgenommen und verarbeitet. Deshalb haben auch die christlichen Ideen, die von den portugiesischen Jesuiten nach Japan gebracht wurden einen starken Einfluss auf die Teemeister ausgeübt. Nicht wenige, wenn nicht sogar alle wirklich wichtigen Meister der Zeit waren Christen oder haben dem Christentum sehr nahe gestanden.
Dao und Tee - der koreanische EinflussBisher wurde der Einfluss des Daoismus auf den Tee sehr stark unterschätzt. Aber was wäre der Zen ohne den Daoismus. Der Zen, so wie er in China geformt und nach Japan überliefert wurde, hat zwei Elternteile. Der Vater ist sicher der indische Buddhismus, der durch Bodhidharma nach China kam. Aber die Mutter ist, ohne Zweifel der daoistische Meister Zhuangzi. Sein - oft respektloser - Witz und seine pragmatische Einstellung haben den Zen tiefgreifend beeinflusst.Wenn schon der Zen ohne die Einflüsse des Daoismus nicht zu denken ist, so sind zusätzlich noch stake Daoistische Einflüsse bei Rikyû zu finden. Dies wurde bisher nicht bemerkt, weil der Daoismus im Japan des 16. Jhdt. keine religiösen oder sonst wie gearteten Gruppierungen gebildet hat. Der Daoismus war ein absolutes Unterschichtphänomen der - verachteten - koreanischen Arbeiter, die meist ihren Lebensunterhalt als Schauerleute in den Hafenstädten verdient haben. Aber Rikyû als Kaufmann aus Sakai dürfe sehr häufig Kontakt mit diesen koreanischen Schauerleuten gehabt haben. Darüber hinaus waren viel Künstler koreanischer Herkunft. Die Teemeister schätzten die anonymen Koreanischen Ido-Chawan ganz besonders. Auch Shôjiro, der als Keramiker für Hideyoshi gearbeitet hat und mit dem zusammen Rikyû die Raku - Keramik entwickelt hat war Koreaner. Die Schlichtheit der schwarzen Rakuware entspricht genau dem Prinzip des Unscheinbaren und Dunklen, wie es der erste Vers des Dao De Jing anspricht. Auch im Baustil der Teehäuser greift Rikyû bewusst und sehr provokativ auf den Stil der einfachen koreanischen Bauernhäuser zurück. Die Verwendung von Akamatsu, einer Rotkiefer, war in Japan absolut unüblich und verachtet, weil das Holz der Akamatsu Harz abgibt. Aber die Bauern in Korea konnten sich kein teures Bauholz für ihre Behausungen leisten, so griffen sie auf das überall vorhandene und billige Akamatsu zurück. Auch die mit Papier bespannten Schiebetüren gestaltete Rikyû im koreanischen Bauernhaus-Stil. Diese Türen sind nicht wie in Japan üblich, außen mit einer Holzleiste geschützt, damit sich das Papier nicht abnutzt.
Wegen dieser tiefgreifenden Einflüsse des (in diesem Falle koreanischen) Daoismus auf den Teeweg ist es durchaus sinnvoll, sich mit dem Dao De Jing zu befassen. Auch der Großmeister der Urasenke in der achten Generation YUGENSAI 又玄斎 (1719-71) wusste das. Er hatte sogar einen Namen, das ein Zitat aus Dao De Jing 1 ist.
Der letzte Vers des Dao De Jing Nr. 1 lautet:
Japanisch gelesen lautet die erste Zeile: 玄 之 又 玄, GEN NO YU-GEN oder GEN MATA GEN
Yugensai nahm diesen Teil des Dao De Jing und hängte die Endung -Sai an, die Bezeichnung eines buddhistischen Laienpriesters, den alle Großmeister der Urasenke in ihrem Namen tragen. Gerhardt Staufenbiel |