Wasser holen, Feuer anzünden und Tee bereiten.

Des Teeweges Urgrund:
Wasser sieden lassen,
Tee schlagen und ihn mit aufrichtigem Herzen trinken.
Mehr nicht!

Diese Formel findet sich immer wieder im Zusammenhang mit dem Teeweg Rikyū's. Im Nambōroku heißt es:

"Man trägt Wasser herbei, sammelt Brennholz, erhitzt das Wasser und bereitet den Tee!"

Befremdlich an dieser Formel ist es, dass im Chanoyu kein Brennholz, sondern Holzkohle benutzt wird, um das Wasser zu erhitzen. Diese Wendung ist angelehnt an ein Gedicht von P'ang, der als Laie seinen buddhistischen Übungen nachging. Oft wird er mit dem Inder Vimalakirti verglichen, der zur Zeit Buddha's lebte, zur vollkommenen Befreiung gelangte und sein Leben als erfolgreicher Kaufmann beendete. Beide sind Vorbilder der Kaufleute und Stadtbürger, die den Teeweg als buddhistischen Übungsweg betrieben. Die Zeile bei P'ang lautet:

"Geheimnisvolle Kraft und wundervolles Wirken:
Wasser herbeitragen, Feuerholz sammeln."

Wasser herbei tragen und Feuerholz sammeln sind ganz alltägliche Dinge, aber bei P'ang bekommen sie eine geheimnisvolle, fast magische Bedeutung. Tatsächlich sind es diese beiden Elemente, Wasser und Feuer, die menschliches Leben erst ermöglichen. Immer wieder werden im Nambōroku beide Elemente erörtert und exakte Anweisungen gegeben, wie sie zu behandeln sind. Im Nambōroku kommt als Drittes der Tee hinzu. Dieses Dreigestirn - Wasser, Feuer, Tee - sind das zentrale Geheimnis des Teeweges. Die Zahl Drei ist sicher nicht zufällig. Es gibt die dreifache Wässerung des Roji und das dreifache Legen der Holzkohle (San-tan 三炭). Nicht erwähnt im Text ist es, dass die erste Legung der Holzkohle aus drei Holzkohle - Stücken besteht, die teilweise zum Glühen gebracht worden sind.

Wasser und Feuer sind nicht nur zwei von den fünf Elementen (Wasser, Feuer, Erde, Metall und Holz). Im chinesischen Denken, vor allem im I Ging und der Alchemie, nehmen beide Elemente eine herausragende Stellung ein. Heute ist as I Ging in Japan weitgehend unbekannt, aber in der Zeit Rikyū's spielte es eine sehr große Rolle. Auch viele Dinge im Teeweg sind durch das I Ging geprägt. Heute noch ist es üblich, in das Aschebett das I Ging Zeichen für Wasser zu schreiben, bevor die Holzkohle darauf gelegt wird. Die Zeilen von P'ang haben also nicht nur eine ganz alltägliche Bedeutung, sie weisen in die geheimnisvolle Welt von Feuer und Wasser :"Geheimnisvolle Kraft und wundervolles Wirken!"

Wasser

Das Wasser spielt im Tee selbstverständlich eine herausragende Rolle. Zu Beginn der Einladung, wenn sich die Gäste in einem Warteraum versammelt haben, wird immer auch zur Begrüßung ein Schluck heißes Wasser gereicht von dem Wasser, mit dem das Essen und der Tee zubereitet werden. Auch im Westen suchen viele Teeliebhaber ganz besondere Quellen oder Brunnen, von denen sie wissen, dass dieses Wasser einen guten Tee ergibt. Verwendet man in Japan solches Wasser, ein "mei-sui, 名水, - "Namen-Wasser" oder "berühmtes Wasser" - so wird eine ganz besondere Zeremonie durchgeführt, in dem Gastgeber und Gäste dem Wasser besondere Aufmerksamkeit schenken.

Das "Herbei tragen" des Wassers ist heute ein Erlebnis, das nahezu vergessen ist. Wir drehen den Wasserhahn auf und haben zu jeder Tages- und Nachtzeit genügend Wasser. In Griechenland gibt es heute zwar auch schon überall in den Häusern eine Wasserleitung, aber immer wieder sieht man die Menschen an besonderen Brunnen oder Quellen stehen und Wasser schöpfen. "Das Wasser ist einfach schmackhafter und gesünder, als das aus der Leitung!" Wenn man in der Sonnenglut zum Brunnen geht, den Eimer in die Tiefe fallen lässt, hört, wie der Wasserspiegel zerbricht und das Wasser silbern aus der Tiefe leuchtet und glitzert wie ein kostbarer Schatz, wenn man das Gewicht spürt, das der volle Eimer dem Heraufholen entgegen setzt und wenn endlich das kostbare Element an die Oberfläche steigt, dann spürt man wieder, was Wasser als Lebenselement bedeutet. Das Herbeiholen des Wassers ist im Nambōroku geradezu eines der zentralen Geheimnisse des Teeweges. Besonders deutlich wird dies bei einer Teeeinladung am frühen Morgen. Im 11. Stück des Nambōroku heißt es:

Das Entzünden des Holzkohlenfeuers in der Morgendämmerung ist von allergrößter Wichtigkeit. Es ist das tiefste Geheimnis für die drei Legungen des Feuers (San-Tan 三炭). Rikyū sagte dazu:
Es gibt Menschen, die meinen, es sei lediglich wichtig, das Wasser auf die richtige Temperatur zu bringen und heizen es darum schon in der Nacht zuvor auf. Dies ist ein vollkommener Irrtum.
Erhebe dich, wenn die Vögel anfangen, zu zwitschern, richte die Feuerstelle und lege die erste Holzkohle. Dann geh zum Brunnen, schöpfe frisches Wasser und bring es in die Mizuya (Vorbereitungsraum). Wasch den Kessel aus, füll ihn mit Wasser und setz ihn auf das Feuer.

Es genügt nicht, einfach nur Wasser zu erhitzen. Das Wasser muss frisch geschöpft sein, der Teekessel unmittelbar vor der Verwendung mit frischem Wasser gereinigt und dann gefüllt werden. Nur so ist dir Reinheit gewährleistet. Es ist aber keinesfalls so, dass diese Regel nur für die Teeeinladung in der Morgenfrühe gelten würde. Das Wasser, das man für den Tee benutzt muß, unabhängig, zu welcher Tageszeit die Einladung stattfindet, in der Morgendämmerung geschöpft werden:

"Benutze immer Wasser, das in der Morgendämmerung geschöpft wurde, gleichgültig, ob die Einladung am Morgen, im Mittag oder am Abend stattfindet. Daher tragen die Teemenschen immer Sorge, ausreichend Wasser für den ganzen Tag vom Morgengrauen bis in die Nacht zu schöpfen. Auch für eine Abend-Einladung benutze man niemals Wasser, das am Nachmittag geschöpft wurde. In den Stunden von der Abenddämmerung bis Mitternacht ist YIN vorherrschend. Der Geist diesen Wassers ist nieder drückend und krank machend (giftig). Wasser der Morgendämmerung gehört zum Aufgang von YANG, wenn der reine Geist des Wassers aufscheint, es ist "die Blüte des Brunnens", Sei-ka-sui 井華水. Dieses Wasser ist vital und benötigt die sorgfältige Aufmerksamkeit des Tee-Menschen."

In der chinesischen buddhistischen Praxis wurde dieses Seika-sui, Wasser der Brunnen-Blüte, in der Früh zwischen zwei und vier Uhr geschöpft, um es bei Opferzeremonien oder bei der Zubereitung von Medizin zu verwenden. Rikyū gibt keine Urzeit für das Wasser-schöpfen an. ""Wenn die Vögel beginnen zu zwitschern" ist die Zeit der Morgendämmerung, bevor die Sonne aufgeht. Eine Uhrzeit anzugeben, wäre weitaus ungenauer, als diese Angabe, denn die Zeit, in der die Vögel beginnen, zu zwitschern, ist abhängig von der Jahreszeit.

Es kommt nicht auf die Uhrzeit an, sondern eben auf die Verteilung von YIN und YANG. Die Angabe einer Uhrzeit für das Wasserschöpfen ist sogar falsch. In der Natur ist die Zeit vor dem Sonnenaufgang eine ganz besondere Zeit. Es wird kühl. Die Tiere der Nacht ziehen sich in ihren Bau oder ihre Nester zurück, die Tageswesen werden wach. Ein Hirt in Griechenland erklärte mir, dass er immer eine Stunde vor Sonnenaufgang seine Tiere vorbereitet um dann mit ihnen in den Bergen auf Futtersuche zu gehen. Auf die Frage, ob er nach der Uhrzeit aufsteht, sagte er, dass er überhaupt keine Uhr besitzt. "Wenn es in der Früh kühl wird, wachen ich und meine Tiere auf, dann ist es Zeit, uns vorzubereiten auf den Tag! Abends, wenn die Sonne verschwunden ist, werden wir müde und gehen schlafen." Beim Leben in und mit der Natur ist der Tagesrhythmus durch die Verteilung von YIN und YANG vorgegeben. Im Sommer geht die Sonne früher auf, die Zeit zum Wasserholen ist eine andere, als im Herbst oder Winter. Auch die Tagesstunden sind im Sommer länger, als im Winter.
Auch im Westen wurde die Zeit eingeteilt in 12 Tages und zwölf Nachtstunden. Im Sommer ist die Tagesstunde wesentlich "länger", als die Nachtstunde, im Winter ist es umgekehrt. Aber diese Zeit ist eine "erfüllte" Zeit, denn im Sommer gibt es so viel zu tun, der Winter ist die Zeit für die Ruhe.
Wir haben uns so sehr an das Leben mit der Uhr gewöhnt, die unsere Zeit einteilt, dass dieser natürliche Rhythmus verschwunden ist.

"Das Entzünden des Holzkohlenfeuers in der Morgendämmerung ist von allergrößter Wichtigkeit. Es ist das tiefste Geheimnis für die drei Legungen des Feuers (San-Tan 三炭). Rikyū sagte dazu:
.... Erhebe dich, wenn die Vögel anfangen, zu zwitschern, richte die Feuerstelle und lege die erste Holzkohle. Dann geh zum Brunnen, schöpfe frisches Wasser, bring es in die Mizuya .. und setz den Kessel auf das Feuer."

Erhebe dich, wenn die Vögel anfangen zu zwitschern, ist keine einfache Zeitangabe. Diese Regel soll ja nicht nur gelten für Teeeinladungen am Morgen, sie gilt für den ganzen Tag und ebenso für abendliche Einladungen. Es ist "das tiefste Geheimnis für die drei Legungen des Feuers". Der Wesenskern des Tee im kleinen Raum ist es nicht, technische Anweisungen zu befolgen. Dieses tiefste Geheimnis bedeutet die Forderung an den Gastgeber, eins zu werden mit dem Rhythmus der Natur, mit dem Wechsel von YIN und YANG. Das Ideal ist ein Lebensideal, das die taoistischen Weisen in China vorgelebt haben.

Wenn die Vögel anfangen zu zwitschern, das ist die Zeit der Morgenkühle. Alles ist frisch und kühl. Es wäre falsch, sofort zum Brunnen zu gehen und Wasser zu schöpfen. Zuerst wird die Feuerstelle vorbereitet, die Holzkohlen angezündet und in der Feuerstelle als erste Holzkohle gelegt. Dann erst geht man zum Brunnen. "Auch die Gäste, wenn sie den Roji betreten, richten ihr Herz auf das Feuer und das Erhitzen des Wassers." Gast - Gastgeber sind eins!


autor: g.staufenbiel   | © myōshinan chadōjō / teeweg.de