Tee und Zen - Ein Geschmack. oder: Teeweg und Religion?
An einem Herbstabend, es wurde schon langsam kühl, führte Sen no Rikyû nach einer stillen und intensiven Tee - Übungsstunde ein Gespräch mit seinen Schülern.
Das Gespräch ist zwar schriftlich nirgendwo überliefert, aber ich habe einen Freund, der kennt einen Japaner, dessen Freund eine Großmutter hat, die bestätigt, dass einer ihrer Vorfahren bei diesem Gespräch zugegen war. Dieser Vorfahre, so meinte die Großmutter, hatte die Gabe, den Menschen ihre Gedanken aus dem Gesicht ablesen zu können. Und so konnte er sehen, was Rikyû nur insgeheim dachte. In seiner Familie wurde dieses Gespräch bis heute treu überliefert. Daher wissen wir, was sowohl Rikyû, als auch sein Schüler - nicht nur gesagt, sondern auch - gedacht haben.
Schüler:
denkt:
(War heute wieder recht anstrengend.
Warum all die vielen verschiedenen Formen?
Er sagt doch immer, dass Chanoyu eine Meditation sei.
Dann genügt es doch, nur eine einzige Form als Meditation zu lernen!
Irgendwo muss es doch einen Trick geben!) sagt:
"Was ist das Geheimnis von Chanoyu?"
Rikyû:
"Er sieht immer nur die Oberfläche und lässt sich von der Vielfalt der Formen und Abläufe verwirren. Als wenn es darauf ankäme, die Form perfekt zu beherrschen! Eigentlich gibt es überhaupt keine Formen und Regeln! Alles ist so einfach: nur Wasser holen und Tee machen! Er muss endlich lernen, mit dem Herzen zu sehen, die Differenzierungen aufgeben und 'ein-fältig' werden.
Was ist denn grundlegender, als in Harmonie mit sich, den Mitmenschen und seiner Umwelt zu leben?
Mal sehen, ob er das hier packt:
natsu wa ika ni mo suzushiki yô ni,
fuyu wa ika ni mo atataka naru yô ni,
sumi wa yu no waku yô ni,
cha wa fuku no yoki yô ni
Im Sommer soll die Atmosphäre möglichst kühl, im Winter aber möglichst warm sein.
Lege die Holzkohlen so, dass das Wasser siedet
und bereite den Tee so, dass die Menge genau stimmt.
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Das ist das ganze Geheimnis!"
Schüler:
("Das ist doch einfach zu dumm! Selbst der einfältigste Reisbauer heizt im Winter ein und öffnet im Sommer Fenster und Türen, damit die Luft herein kann! Sogar meine alte Großmutter, die schon langsam senil wird, macht das genauso.
Er sagt doch immer, " Cha Zen - Ichi mi, Zen und Tee EIN Geschmack?"
dann ist Chanoyu doch mehr als einfach nur im Winter einheizen! Chanoyu ist RELIGION!
Aber wenn ihm der Zen so wichtig ist,
warum unterrichtet er dann so viele Christen? Will er die missionieren oder ist er gar selbst heimlich Christ? Man munkelt ja auch, Oribe, der ja immerhin sein Schüler ist, sei heimlich Christ geworden! Und die ganzen anderen Teeleute um ihn herum: die kungeln mir zu viel mit den Christen! Erst kürzlich war doch dieser portugiesische Priester, dieser Jesuit bei ihm, wie heiß der doch? Fulansu Havielu oder so. Stundenlang haben sie geredet, und dann hat Rikyû ihm auch noch Tee gemacht!
Wenn ich's mir recht überlege, hat er doch eine ganze Menge Bewegungen von der Messfeier dieser portugiesischen Missionare abgeschaut!
Uns sagt er immer, wir sollen die Teeschale mit zwei Bewegungen auswischen, als würden wir die Zeichen "i" い und "ri" り schreiben. Zusammen mit der Bewegung beim Teeschlagen wie "no" の würde es das Wort "I no ri" いのり "Gebet" ergeben. Aber wir schreiben doch: "I RI NO"!
Kürzlich habe ich deutlich gesehen, wie mein christlicher Mitschüler いんり "I N RI" in die Schale geschrieben hat. Was das wieder bedeuten soll?
Eine gewisse Ähnlichkeit mit deren Messfeier scheint er ja auch anzustreben.
Neulich habe ich gesehen, wie einer der portugiesischen Priester den Messkelch ausgewischt hat. Ich muß schon sagen, es hat mich beinahe umgehauen!
Und überhaupt: GLEICHHEIT der Menschen, ja vor wem denn? Das ist doch bloß dieses Zeug, was die Missionare immer reden.
Ist Rikyu's Tee etwa gar nicht Zen, sondern - christlich? Wenn ich ihn direkt frage, wird er ausweichen, aber vielleicht geht es so:)
"Was ist der Sinn von Chanoyu?"
Rikyû:
Jetzt will er mich auf's Glatteis führen.
Vermutlich will er wissen, ob Chanoyu nun Zen oder christlich ist.
Wahrscheinlich har er Angst, dass sein christlicher Mitschüler
weitaus besser in die Stille und das Eins-werden von Gast und Gastgeber finden könnte als er.
Warum nur diese Angst und Missgunst? Er ist eben ein reiner Techniker!
Was ist denn die grundlegendste Erfahrung des menschlichen Seins? Noch grundlegender als in Harmonie mit den Jahreszeiten zu leben ist doch wohl
gemeinsam essen und trinken
Ist das überhaupt noch Religion? Wenn ja, zu welchen Konfession gehört das denn?
Im Zen sagen wir, der wahrhaft zu sich selbst erwachte isst und trinkt, wenn er hungrig ist.
In der Geschichte vom Ochsen treibt er sich zum Schluss sogar in den Kneipen herum.
Erzählen nicht auch die Christen von diesem gemeinsamen Essen?
ALLE Religionen, von denen ich bisher gehört habe, sehen dies als eine der wesentlichen Grunderfahrungen des Menschen an.
Im tiefsten Grunde des Mensch - seins gibt es keine "Religion" mehr, die nach Konfessionen unterscheiden könnte! Gibt es dort überhaupt noch Religion?
Mal sehen, ob er das packt:
Chanoyu to wa
tada yu wo wakashi
cha wo tetete
nomu bakari naru
koto wo shiru-beshi. |
Chanoyu: das bedeutet
dessen muß man sich bewußt sein,
nur Wasser erhitzen Tee bereiten und ihn trinken |
Schüler:
Das kann ich alles!
Halt, will er etwa damit sagen ...? Jetzt weiß ich wieder nicht, ob Chanoyu nun Religion ist oder nicht!
???????
Rikyû:
" Dann lasst uns jetzt noch eine Schale Tee zusammen trinken!"
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