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Ki im Tee
Verfasst:
Samstag 30. Januar 2010, 20:15
von Kiun
"Seine gesamte Energie, sein Ki ist vollkommen nach Innen gezogen und er ist im Zustand des Samadhi. SO SOLLTE Tee sein!"
sensei's zitat lässt mich die frage stellen: welche aktive rolle spielt KI im tee? gibt es möglichkeiten quasi das KI-bewusstsein teespezifisch zu fördern?
Re: Ki im Tee
Verfasst:
Montag 1. Februar 2010, 16:48
von ikkyu
Böse Frage:
Wie kommt das Ki in den Tee?
Hat da einer was in den Tee getan?
Aber mal im Ernst:
In den Kampfkünsten man - so denke ich wenigstens - mehr über Ki. Eine heißt ja sogar
AI-KI-Dô. Nur im Teeweg scheint man noch nie was davon gehört zu haben.
Was hat mir mal eine vornehme Japanerin gesagt was Sadô ist:
Traditionen pflegen, nette Gespräche führen und schöne Teegeräte bewundern.
Dazu braucht man kein KI!
Das stört nur bei den Gesprächen!
Re: Ki im Tee
Verfasst:
Dienstag 2. Februar 2010, 22:30
von caro
Wir lesen gerade zusammen mit unserem Sensei das Yogasutra von Patanjali.
Dort sind wir auf ein paar Begriffe gestoßen, die auch in die Richtung der Frage nach dem Ki weisen.
Das eine ist prâna, so etwas wie "Lebensenergie". Prâna sitzt z.B. im Blut. Wenn das Blut aufhört zu fließen, so erlischt prâna. Die auffälligste Erscheinung von prâna aber ist der Atem. Prânajama ist die Zügelung des Atems um die Lebensenergie zum Fließen zu bringen.
In den Upanishaden haben wir dann gelesen, dass das "Selbst" das Atmân ist. Atmân ist so etwas wie eine universelle Energie, die aber erkennen will. Es kann aber nur erkennen, wenn es Augen und Ohren etc. hat. Atmân selbst hat aber keine Augen, Ohren .., sondern nur purusha - der Mensch. Purusha ist das Individuum, aber gewissermaßen "benutzt" Atmân den pirusha, um erkennen zu können.
Interessanterweise ist das indogermanische Wort Atmân das Selbe wie im Deutschen das Atmen. Durch den Atem wird Purusha Eins mit Atmân, das aber in allen anderen Individuen auch ist.
Wenn wir atmen, gewinnen wir Bewußtsein. Hört der Atem auf, so erlöscht das Bewußtsein. Darum ist das griechische Pneuma nichts anderes als der Atem, zugleich aber auch "Geist" oder Bewußtsein.
Das Ki hat verschiedene Erscheinungsformen. Es ist wie prâna auch im Blut enthalten, das durch die Adern strömt. Aber diese Energie ist nur schwer zu beeinflussen. Ki ist auch im Atem, den man bewusst steuern kann. Wenn wir also mit dem Ki im Tee arbeiten, dann, indem wir die richtige Atemtechnik entwickeln. Ohne richtige Atmung bleibt das Ki eher schwach.
Aber ich denke, dazu sollte lieber Sensei etwas sagen.
Re: Ki im Tee
Verfasst:
Mittwoch 3. Februar 2010, 09:38
von sensei
caro hat schon recht: die Atmung spielt eine große Rolle im Teeweg.
Als ich mit dem Teeweg angefangen hatte, fragte ich meinen Lehrer Yoshinori Kawasaki nach der Atmung. Ich kam auf diese Frage, weil ich bei der Ausbildung von Yogalehrern mitgewirkt hatte und mir die Pranayama Übungen bekannt waren. Yoshinoris Antwort.
"Die Atmung ist im Teeweg sehr wichtig. Aber das wird niemals unterrichtet. Wenn man lange genug geübt hat, ergibt sich das von allein!"
Da bin ich mir nicht gar so sicher. Die richtige Atmung ergibt sich von allein? Vielleicht.
Eigentlich ist es auch nicht nur die Atmung, sondern die Atmung in Verbindung mit der Bewegung. Tee hat deshalb mehr Verbindungen zum T'aiChi odhe Chogon als zu Pranayama. Pranayama ist die Zügelung des Atems in ruhiger, unbewegter Sitzhaltung. T'aiChi oder Chigong ist eine Meditation in Bewegung. Werden die Bewegungen zusammen mit der Atmung ausgeführt, so bringen sie das Ki oder chinesisch eben Chi zum Fließen. Insofern hatte Yoshinori Recht: durch intensives Üben der Bewegungsabläufe wird sich irgendwann einmal die richtige Atmung einstellen.
Die meisten Anfänger machen den Fehler, dass sie vor lauter Konzentration auf die Abläufe vergessen zu atmen. Atmung und Bewegung laufen nicht synchron, sondern oft sogar gegeneinander. Da wird kein Ki geweckt.
Von einer japanischen Lehrerin habe ich einmal die Meinung gehört, man solle so atmen wie in der Zen-Meditation: ganz langsam ausatmen und nach einer Pause relativ schnell einatmen. Sie sagte noch, dass die Zen-Meister gaaaanz langsam atmen können und so solle man auch im Tee atmen.
Das ist schlichtweg Unsinn. Meditation in ruhiger Sitzposition und Meditation in Bewegung sind zwei paar Schuhe. Wenn ich mich beim Tee vorbeuge, um etwa die Natsume zu nehmen und dabei EIN-atme, weil das mein langer Atemzyklus eben gerade so ergibt, so ist das un-physiologisch und Un-Sinn - statt das Ki zum Fließen zu bringen wird es gewaltsam gestoppt.
Wenn ich Shakuhachi spiele, dann trifft diese Anweisung sicher zu. Ganz langsam und kontrolliert ausatmen: nur so kann ich den Ton der Shakuhachi formen. Aber auch dabei wird nicht einfach die Luft abgelassen - dann kommt kein Ton. Das ist dann schon eher fast ein Pranayama, eine Zügelung des Atems. Aber der Körper ist beim Spielen vollkommen still und die Sitzposition ruhig und fest. Unser Shakuhachi Lehrer hat uns beim Spielen jede Bewegung des Körpers ausgetrieben. Wir sitzen wie ein Berg. Shakuhachi ist Zen-Atmung in Ruhe, Tee ist Zen-Atmung in Bewegung!
Von eben dieser Lehrerin wurde ich einmal ziemlich gewaltsam in meiner Sitzposition und Atmung korrigiert. Die Folge war, dass ich überhaupt nicht mehr richtig atmen konnte.Nach einigen Wochen hatte ich das Gefühl, mein Ki kommt nur noch bis oben im Brustraum und ich spürte, wie mein Herz immer enger wurde. Ich fühlte, dass ich vermutlich einen Herzinfarkt bekommen könnte, wenn ich nicht wieder aus diesem Atempanzer herausfinden würde. Falsches Atmen das erzwungenen Regeln folgt kann zerstören.
Man hört oft, man müsse mit dem HARA atmen und dann wird die Bauchdecke ganz wild einwärts und auswärts bewegt. Das ist keine Hara-Atmung. Wenn wir Tee machen, können wir auch nicht mit dem Hara, also dem Unterbauch atmen, weil der durch unsere Sitzposition eingeklemmt ist. Wir atmen mit den Hüften und mit dem Becken. Wir müssen hinten im Iliosakralgelenk die Atmung spüren.
Aber bitte: Ohne erfahrenen Lehrer keine Experimente mit der Atmung.
Eigentlich ist alles ganz natürlich. Wenn wir vollkommen entspannt sind - das heißt nicht, dass wir wie ein Waschlappen herumsitzen sollen - dann kommt die Atmung ganz natürlich. Wir sind dann eher wie ein geschmeidiger Tiger, der sich völlig entspannt streckt. Aber man spürt seine ungeheure Kraft, die in ihm steckt. Unser Sitz muss fest sein wie ein Berg, der die Bewegungen trägt. Alle Bewegung kommt dann aus dem Iliosakralgelenk. Dann haben wir eine "gespannte" Kraft wie ein Bogen oder eine Leier. Nur so sind wir in der Lage, den Pfeil abzuschießen.
Noch ein kleiner Nachtrag:
Beim Tee niemals die Hände benutzen, dann kommt Ki von ganz allein!
Re: Ki im Tee
Verfasst:
Mittwoch 3. Februar 2010, 13:27
von sensei
Vielleicht noch eine kleine Geschichte zur Illustration:
Wir waren einmal mitten in den Übungen im Teehaus. Es war eine konzentrierte Stille, als einer der Schüler Tee bereitete. Da kam eine Dame zu Besuch, die wußte, wie man in den Teeraum hineinkommt. Also musste niemand von uns gehen, um sie abzuholen. Sie setzte sich still hin und beobachtete.
Als wir dann eine Pause in unseren Übungen machte, sagte sie, dass sie eine ungeheure Energie im Teeraum verspürt hatte, als sie kam. Sie meinte, das sei so dicht gewesen, dass man die Energie mit einem Messer hätte schneiden können.
Diese Geschichte zeigt, dass das Ki nicht nur in demjenigen zum Fließen kommt, der gerade Tee bereitet. Es ist wie ein Netz, das alle im Raum miteinander verbindet. Jeder gibt seinen Anteil an Ki zum gesamten Ki hinzu. Darum sagt man auch, dass Gast und Gastgeber EINS werden. Sie kommunizieren über das Feld des Ki ohne Worte miteinander. Einerseits partizipiert jeder vom Ki des Anderen, andererseits gibt jeder sein eigenes Kin hinzu.
So etwa wird wohl im indischen Denken das Atman verstanden: es ist die Universelle Energie, die aber in jedem Purusha, also in jedem Individuum verwirklicht ist. Eigentlich ist nicht in jedem Individuum gerade nur das individuelle Ki vorhanden. Das Ki ist zwar mein eigenes, ganz besonderes Ki, aber zugleich auch das Ki aller Anderen. Es ist das Ki, das überall ist.
Re: Ki im Tee
Verfasst:
Donnerstag 13. Januar 2011, 00:55
von julian
"Shakuhachi ist Zen-Atmung in Ruhe, Tee ist Zen-Atmung in Bewegung!"
großartig!