DER TEEWEG IM JANUAR

Abschied

Der Büffel geht: lassen wir ihn ziehen

Ab dem 1. Januar wünschen wir uns immer ein "Gutes Neues Jahr!"
Aber ist wirklich schon das Neue Jahr? Noch sind wir ja "zwischen den Jahren" und das ist nicht die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr, sondern die Zeit der "Rauhnächte", also die Zeit zwischen Weihnachten und dem 6. Januar. Wir wissen nie so genau, wie lange wir noch ein gutes Neues Jahr wünschen sollen.
Das neue Jahr begann ja "erst" nach der Gregorianischen Reform mit dem 1. Januar!
Und wenn wir als Teeleute das Jahr nach dem chinesisch- altjapanischen Kalender einteilen, dann beginnt das neue Jahr des Tigers ohnehin erst am 14. Februar, wenn auch in Japan seit der Meiji-Reform der westliche Kalender beginnt. Der Einfachheit halber übernimmt man die Feste des alten (Mond-)Kalenders auf den neuen westlichen Kalender. Nach moderner japanischer Auffassung hat also das Jahr des Tigers schon begonnen (oder doch noch nicht so ganz richtig?).

Der Tiger ist wesentlich bewegter, als der Büffel (oder Ochse, wie wir meistens sagen). Während das Jahr 2009 vom trägen Büffel dominiert wurde, der Zähigkeit, Disziplin und Geduld verlangt, sprüht das Jahr des Metall Tigers nur so vor Energie und Abenteuerlust. Entsprechend unruhig werden die Zeiten sein, die da auf uns zukommen. Ganz besonders wohl fühlt sich in diesem Jahr der Drache, dem die Langsamkeit des Büffels schon ziemlich auf die Nerven gegangen ist.

Tiger und Drache sind nach der alten chinesischen alchemistischen Auffassung ein ideales Paar. Der Tiger ist die Energie, die erdet, der Drache fliegt hoch auf in den Himmel, so ergänzen sich beide auf ideale Weise. Auch in der chinesischen Medizin spielt das Paar eine große Rolle. Der weiße Tiger steht für die wässrige Yin-Energie der linken Niere, der grüne Drache für die feurige Yang-Energie der rechten Niere. Wenn beide in Harmonie sind, ist der Mensch gesund. Der Mönch Eisai hatte den pulverisierten grünen Tee als Medizin aus China mitgebracht und er schrieb ein Buch über das Teetrinken und die Gesundheit. Er pries den grünen Tee als Wundermittel für die Gesundheit. In dem von ihm gegründeten Tempel Kenninji in Kyōto hängt heute noch neben seinem Bild links und rechts je eine Hängerolle mit einem Tiger und einem Drachen.

Der Zenmeister Sengai Shibayama hat das Paar Tiger und Drache auf seine unnachahmliche, fast kindliche Weise gemalt. Dazu hat er geschrieben: "Ein Tiger? Eine Katze?" Und: "Was ist das? Wenn du es einen Drachen nennst, lachen die Leute. Und ich lache mit!"

Wie dem auch sei, das Jahr des Tigers scheint für das Myoshinan Dōjo ziemlich bewegt zu werden.
Derzeit sind wir dabei, zwei Japanreisen vorzubereiten, eine im Frühjahr, eine im Herbst. Dabei kommt es sehr gelegen, dass derzeit in 3-Sat eine Serie über Japan läuft, die viele verschiedene Aspekte dieses fernen und doch so nahen Landes zeigt. Gestern kam wieder einmal der Film über den Marathonmönch, der auf dem heiligen Berg Hiei Nacht für Nacht 30 Kilometer zurücklegt, unterbrochen nur von Gebeten und Mudras, die er an bestimmten Stellen verrichtet. Das weckt Erinnerungen an unsere letzte Japanreise, wo wir dem Mönch am Stadrand von Kyoto begegnet sind. Das war eine besonders glückliche Fügung, denn er verläßt nur ein einziges Mal im Jahr seinen Berg um durch Kyoto zu ziehen. Wer weiß, vielleicht begegnen wir ihm wieder einmal?

Für die Japanreise im Frühjahr ist keine Anmeldung mehr möglich. Aber wer an der Herbstreise nach Japan in Ende Oktober / Anfang November interessiert ist, sollte sich so bald wie möglich melden.

Im Mai werden wir wieder mit der Bonsai-Gruppe in Eckental ein Japanfest veranstalten. Genaueres wird später bekannt gegeben.

Im Augenblick befassen wir uns in unserem philosophischen Gesprächskreis mit dem Yogasutra des Patanjali. Mancher wird sich verdutzt fragen, warum man in einem Zen- und Tee-Dōjo das Yogasutra liest. Ganz einfach, weil das Sutra zu den großartigsten philosophischen Werken der Menschheit gehört und weil Zen und Tee - wenn man so will - nicht anderes als eine besondere Art des Yoga sind. In den alten Sanskrit Texten zählt man weit über dreihundert verschiedene Arten des Yoga, die eine Art des Dhayna, der Meditation sind. Das Wort "Zen" ist nicht anders als die japanisierte Form des Chinesischen Cha'an, des indischen Dhyana. "Yoga ist das Still-werden der wählenden Bewegungen des Bewußtseins" schieb Patanjali. Was tun wir anders, als unseren Geist und unser Herz still werden zu lassen beim Teilen einer Schale Tee?


autor: g.staufenbiel   | © myōshinan chadōjō / teeweg.de