In der letzten Nacht des Jahres 1623, bevor das Neue Jahr begann, träumte Tokugawa Iemitsu, der dritte Tokugawa Shogun, wie sieben Ungeheuer auf einem Schiff ankamen.
Iemitsu war damals 19 Jahre alt, aber die Last des Shogun-Amtes lag bereits auf seinen Schultern, wenn auch sein Vater, obwohl er bereits offiziell zurückgetreten war, noch weitere 9 Jahre im Hintergrund die eigentliche Macht ausübte. Kein Wunder also, dass den Shogun, der eigentlich noch kein richtiger Shogun war, in der Nacht des Jahreswechsels schwere Träume plagten.
Aber sein religiöser Berater, der Mönch Tenkai (Himmelsmeer), der schon seinem Großvater, dem ersten Shogun Iemitsu gedient hatte, erklärte ihm, dass es keine Ungeheuer waren, die er im Traum gesehen hatte, sondern die sieben Glücksgötter auf dem Schatzschiff, die Shichi Fukujin auf dem Takarabune.
Noch heute legen sich manche Japaner in der Nacht zum Neuen Jahr ein Bild der Glücksgötter im Schatzschiff unter das Kopfkissen um angenehme Träume über eine glückverheißende Zukunft zu haben.
Gerade die Zeit des Jahreswechsels ist eine Zeit des Wandels. Das Licht nimmt zwar langsam wieder zu, aber noch überwiegt die Dunkelheit, und die Natur ist in einer Zwischenzeit der scheinbaren Stagnation. Da plagen uns schon leicht Gedanken über das Gewesene und das Neue, was wohl kommen wird.
In den Duineser Elegien vergleicht Rilke das menschliche Leben mit einem Theaterstück: „Wer saß nicht bang vor seines Herzens Vorhang - und die Szenerie war Abschied!“ Was hat das Alte Jahr gebracht? Wo sind all die Hoffnungen hin, die wir hatten? War es nicht wieder einfach nur ein Jahr in dem nichts anderes geschehen ist , als dass wir wieder nur ein Jahr älter geworden sind?
Aber das Leben ist kein Theaterstück, in dem wir nur als Zuschauer vor der Bühne säßen: die Spieler dieses Stückes sind wir selbst. Auch wenn wir meinen, unser Leben fest im Griff zu heben: ist es nicht nur eine Rolle, die wir spielen in einem Stück, dessen Ausgang niemand kennt? Rilke vergleicht uns mit Puppen in einem Puppentheater, die an Drähten hängen, die unbekannte Mächte ziehen, um die Puppen zu spielen. Wir sind in dem Stück unseres Lebens sowohl Zuschauer als auch Spieler und Gespielte. Rilke meint, erst wenn es uns gelingt diese drei Rollen bewusst in uns zu vereinen, dann kann unser Leben glücken. Das bedeutet nicht, dass man sich passiv in das Schicksal fügt, sondern aktiv in dem Stück mit spielt und voller Spannung erwartet, wie es weiter geht.
Der Shogun hatte seinen weisen Mönch, der ihm seine Ängste nahm, indem er ihm erklärte, dass er keine Dämonen, sondern die Glücksgötter im Traum gesehen hatte. Wenn wir dem kommenden Unbekannten angstvoll entgegensehen, erleben wir Dämonen. Wenn wir es aber freudig erwarten, dann kommen die Glücksgötter mit ihren Gaben. Kämpfen wir gegen unser Schicksal an, so erleben wir Kampf, Streit und sehen Dämonen, akzeptieren wir die Rolle in unserem Lebens-Stück, dann spielen wir unser Leben, so wie Kinder spielen, und die Dämonen werden zu Glücksboten.
Der Mönch Tenkai hatte schon dem ersten Tokugawa Shogun Ieyasu die sieben Glücksgötter als Vorbild für seine Regierung empfohlen, indem er sie mit den sieben TugendenBishamonten Jurōjin / Fukurokuju Ebisu / Daikuku-Ten / Bishamonten Hotei |
Langes Leben (Jurōjin), Wohlstand (Daikoku), Beliebtheit (Fukurokuju), Aufrichtigkeit (Ebisu), Liebenswürdigkeit (Benzaiten), Autorität (Bishamonten), Großmut (Hotei).
Langes Leben ist keine Tugend in unserem moralischen Sinn, sondern eher eine Gabe. Aber langes Leben ohne Erfüllung in Wohlstand, Liebe, Zuwendung zu Anderen oder Großmut ist kein Wert an sich.Ebisu ist der einzige „einheimische“ Glücksgott, der wohl ursprünglich aus den Tiefen des Meeres stammt. Sein Name erinnert an die Ebi, die Langusten oder Hummerkrabben. Dargestellt wird er immer mit einem reichen Fang von Tai - den Meerbrassen. Aber Tai klingt für Japaner auch wie „Generation, Zeitalter“. So ist Tai - Tai die Abfolge von Generation zu Generation, das Glückhafte fortdauern der Tradition, die immer von einer Generation auf die nächste weiter gegeben wird. So bringt Ebisu nicht nur ausreichend Nahrung in Form von Fischen, sondern er sorgt auch für den Fortgang der Generationen und der Tradition.
Beide, Daikoku und Ebisu, gewähren ihre Gaben aber nur demjenigen, der sich redlich müht. Einem Faulpelz, der wie im Schlaraffenland wartet, dass ihm die gebratenen Tai oder die frittierten Ebi in den Mund fliegen, bekommt keine Gaben.
Die sieben Glücksgötter sind aus einer Mixtur von shintoistischen und buddhistischen Elementen und aus Einflüssen aus Japan, China und Indien entstanden. Hotei oder Putai hat sein Vorbild in einem berühmten Zen-Mönch Chinas. Sein Name bedeutet eigentlich „Stoffsack“, und den trägt er denn auch immer mit sich. Daraus verteilt er großzügig an Alle, die weniger haben als er. In der Geschichte vom Ochsen und seinem Hirten begegnet uns Hotei - Putai im letzen Bild. Es ist einer, der durch alle Mühen hindurch den Weg zu sich selbst gefunden hat. Mit dickem Bauch, seinen großen Sack auf dem Rücken steht er breit lachend vor einem kümmerlichen, kleinen Hirten, der - ein ärmliches Bündel auf dem Rücken tragend - auf dem Weg ist, um seinen Ochsen - sein Selbst - zu suchen. Er ist wie ein jämmerliches Spiegelbild seines Gegenüber.
Der Putai war einst so, wie der kläglich seinen Ochsen suchende Hirte. Darum kann er dem Suchenden voll Mitleid auf seinem Weg zu sich Selbst helfen. Vielleicht ist damit Hotei für uns alle, die wir auf der Suche nach uns selbst sind, der wichtigste der Glücksgötter. Er zeigt uns, dass man keine irdischen Güter benötigt, um das Glück zu finden. Alles, was er besitzt, trägt er in seinem Sack mit sich. Zuhause ist er dort, wo er sich gerade aufhält. Er ist kein Suchender mehr, weil er gefunden hat. Weil er gefunden hat, genügt ihm zum Glück, das sich in seinem strahlenden Lachen zeigt, das, was er gerade bei sich trägt.
Hotei kann freigebig schenken, was er besitzt, weil er um so mehr bekommt, je mehr er selbst von sich gibt.
Glück ist nicht die Hauptsache, sondern das Nebenprodukt eines sinnvollen Lebens. Zu tun, was einem entspricht, sich auch auf andere Menschen beziehen, nicht nur auf sich selbst, mit Ihnen seinen inneren Reichtum teilen und ständig dazulernen und unterwegs sein – das sind die Grundbedingungen für ein glückliches Leben.
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Im nächsten Jahr werden wir wieder viele neue Veranstaltungen, Kurse und Seminare anbieten, weil Carolin Höhn-Domin sich verstärkt im Myōshinan engagieren wird. Bis dahin wünschen wir Ihnen schöne und friedvolle Tage und einen guten Übergang in das nächste Jahr des Hasen, das hoffentlich sehr friedvoll werden wird.
Gerhardt Staufenbiel (Teezeremonie Lehrer, Leiter des Myōshinan Dōjō)
Carolin Höhn - Domin / Geschäftsführung
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