DER TEEWEG IM FEBRUAR

Neujahr 2011: Das Jahr des Hasen


Hase aus dem Kozanji Der Hase aus dem Kozanji vertreibt Zengais Tiger Tiger Sengai Shibayama

Am 3. Februar beginnt in diesem Jahr das Jahr des Hasen, und der Tiger verläßt uns endgültig. Darum wünschen wir allen unseren Freunden und Lesern - auch  {name} - ein glückliches und erfolgreiches Jahr des Hasen.


toshi no uchi ni
haru wa kinikeri
hitotose o
kozo to ya iwamu
kotoshi to ya iwamu

Im alten Jahr
hat der Frühling schon begonnen -
soll ich dieses Jahr nun
Letztes oder
Neues nennen?

Ariwara no Motikata, der Verfasser des ersten Gedichtes in der Sammlung des Kōkin wakashū spielt mit dem Alten und dem Neuen Jahr. In China und Japan ist das Jahr in 24 Abschnitte eingeteilt, die Sekki, die einem bestimmten Stand der Sonne  entsprechen. Der erste dieser Abschnitte ist Risshun - Beginn des Frühjahrs, der nach dem heute gültigen westlichen Kalender um den 5. Februar liegt. Es konnte nach dem alten Mondkalender vorkommen, dass Risshun noch vor dem Beginn des Mondjahres lag. So kam der Frühling noch, ehe das Neue Jahr begonnen hatte.
Frühlingsbeginn ist nach diesem Kalender dann, wenn die Sonne so hoch gestiegen ist, dass sie tagsüber schon wieder Kraft gewonnen hat, und man sich in der Mittagssonne wärmen kann, obwohl es oft noch bitterkalt ist. Der traditionelle Name für den Februar  in Japan ist "Kissaragi" - eine weitere Schicht überziehen - weil es so kalt ist, dass man noch eine zusätzliche Kleidungsschicht braucht, obwohl die Zeit des Daikan, der großen Kälte, schon vorüber ist. Aber wir warten schon voller Ungeduld auf das Frühjahr und die Wärme.

In Japan lugen schon die ersten Pflaumenblüten vorsichtig aus dem Schnee und künden vom kommenden neuen Leben. Aber auch bei uns im Garten blüht schon, - allerdings an einer Südwand, geschütz von den eisigen Winden, die von der fränkischen Alp herunterwehen - die japanische Zaubernuss, die Hamamelis. Oft werden die Blüten noch von Schnee und Eis umhüllt, aber sie künden von der Hoffnung auf die kommende Wärme.
Die Ungeduld hat alle schon erfasst: nun ist es genug mit dem Winter! Wenn doch endlich der Schnee verschwinden würde! Im Radio habe ich schon vor ein paar Wochen gehört, wie der Moderator sagte, dass ja nun der Frühling kommt. Ja, aber erst kommt noch die Zeit der Kälte im Februar!
So ist es oft im Leben: wir haben genug vom Alten und warten sehnsüchtig auf das Neue. Das Alte und Abgestandene beginnt, uns auf die Nerven zu gehen und wir sehen es nur noch negativ und voller Ungeduld.

Im Nambōroku, den Aufzeichnungen des Mönches Nambō von seinen Gesprächen mit Rikyū zitiert Nambō ein berühmtes Gedicht aus dem Shin Kōkin wakashū, das Rikyū als einen besonderen Ausdruck des wabi - Ideals  empfand:

hana wo nomi
matsuran hito ni
yamazato no
yukima no kusa no
haru wo miseba ya
Zeigte man doch den nur die Kirschblüten
erwartenden Menschen
im abgeschiedenen Bergdorf
die Gräser unter dem schmelzenden Schnee
im nahenden Frühling.

Die Menschen sind voller Ungeduld und warten auf die Blüten des Frühlings. Alles andere erscheint ihnen fad und schal. Man wartet ungduldig auf das Neue oder einfach nur auf das Andere, und Alles um uns herum ist wertlos und fad.

Was geschieht, wenn man diesen ungeduldig Wartenden den Schnee im abgeschiedenen Bergdorf zeigen würde? Sie würden die Schönheit auch dieser Zeit des Überganges entdecken. Der Schnee beginnt zu schmelzen und es entstehen schon die ersten grasigen Flecken zwischen dem Schnee. Es duftet nach Schmelzwasser, das  überall in kleinen Bächen zu Tal fließt. Auch die Gräser, die noch nicht wirklich grün werden, duften, und die Zweige an den Büschen und Bäumen bilden schon kleine, kaum wahrnehmbare Knospen. Der getaute und wieder gefrorene Schnee glitzert hell in der Sonne und der Harsch knirscht unter unseren Schritten. Obwohl es zunächst so scheint, als sei dies  eine Zeit des Stillstandes, so spürt man doch überall den Aufbruch der Natur. Auch die Vögel zwitschern schon in der Mittagsonne, die hell in den Schneekristallen glitzert.
Dieser Aufbruch liegt unmittebar im Augenblick. Wir müssen uns nicht weg sehnen in ferne Zeiten oder an ferne Orte, um die Schönheit um uns herum zu erkennen. Ja, je mehr wir uns weg sehnen, desto mehr leiden wir an der scheinbaren Bedeutungslosigkeit unseres Ortes und unserer Zeit.

Wenn man diese Schönheit erkennt, und ganz in der Zeit des frühen, kaum wahrnehmbaren Erwachens der  Natur angekommen ist, genießt man den Anblick des Bergdorfes im Schnee und seine Schönheit, ohne sich schon wieder weit weg in die Zukunft zu sehnen, wenn die Kirschblüten explosionsartig aufblühen. Wir sind angekommen im Augenblick. Dies Angekommen-Sein ist keine dumpfe Bescheidung auf das, was halt gerade ist, es ist die Erkenntnis des Aufbruches und der Schönheit, die um uns herum ist, und von der wir ein Teil sind.

Dieses Ankommen im Augenblick und seiner ganz besonderen Schönheit ist wabi, die "unscheinbare Schlichtheit". Ein Bild für wabi ist das abgeschiedene Bergdorf, zu dem kaum jemand hin findet. Dieses Bergdorf in seiner Schlichtheit scheint in der Zeit zurückgeblieben, denn in den Tälern ist der Schnee schon längst geschwunden.  Aber hier ist keine Einsamkeit von Verbannten, sondern der Wohnort der Erwachten, die los lassen können und ganz im Augenblick leben. Wabi ist kein ästhetisches Prinzip, wie man oft liest, sondern ein Lebens- und Geistesprinzip. Der erwachte Geist lebt wabi in der Schlichtheit und Schönheit des Augenblickes..

Das Gedicht vom Bergdorf im Schnee des Frühling ruft uns in das Erwachen und in das Erleben des Augenblickes mit seiner vollen Schönheit. Könnten wir doch immer mit wachem Geist die Schönheit des Augenblickes um uns herum wahrnehmen!


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TERMINE:

Donnerstag, den 3. Februar: Teezeremonie zum Neujahrstag ( Jahr des Hasen), Beginn: 17.00 Uhr

Samstag, den 5. Februar: Neujahrsfest mit Meditation, Teezeremonie und Shakuhachi Beginn: 15.00 Uhr

Sonntag, den 6. Februar: Gespächskreis Nietzsche, Beginn: 14.00 Uhr

Sonntag, den 20. Februar: Gesprächskreis Nietzsche,  Beginn: 14.00 Uhr

VORSCHAU MÄRZ:

Samstag, den 5. März: Hinamatsuri - Puppenfest mit Ausstellung historischer Puppen, Teezeremonie  u.a. - offene Veranstaltung ab 15.00 Uhr

Sonntag, den 6. März: Gesprächskreis Nietzsche, Beginn: 14.00 Uhr 

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autor: g.staufenbiel   | © myōshinan chadōjō / teeweg.de