Im Jahr 1724 verließ der Zenpriester Gekkai Genshō seinen Tempel in der Stadt Hasuike auf Kyushū, der südlichsten großen Insel Japans. Er wollte nach vielen Jahren im Zentempel sich selbst beweisen, dass er Zen auch im Alltag leben konnte. Nur nutzlos im Tempel herumsitzen und meditieren reichte ihm nicht mehr.
Vor nicht allzu langer Zeit hatte er eine neue Methode kennen gelernt, den grünen Tee zu bereiten. Bis dahin kannte man in Japan nur den Pulvertee, den Matcha. Bei dieser neuen Methode ließ man die Teeblätter ungemahlen und überbrühte sie mit heißem Wasser, damals eine unerhörte Neuheit.
Um 1200 war der japanische Priester Eisai in China gewesen und er hatte dort den Pulvertee kennen gelernt und nach Japan gebracht. Aber diese Methode der Teebereitung war inzwischen in China schon lange vergessen.
Die neue Methode des Aufgusstees war von dem chinesischen Zenpriester Ingen erst um 1700 nach Japan gebracht worden. Ingen war vor den politischen Wirren in China geflohen und nach Japan gegangen, wo er zunächst auf Kyushū lehrte. Er brachte nicht nur neue Trainingsmethoden des Zen nach Japan, sondern auch neue Nahrungsmittel, die bis dahin in Japan unbekannt waren. Die grünen Stangenbohnen, die gekocht und mit einer Soße aus Miso und Sesam überzogen werden, heißen heute noch Ingen. Ingen hatte vor allen auch den Aufgusstee mitgebracht und in der Obaku Schule des Zen verbreitet. Daraus entstand später der Sencha-Dō - eigentlich Koch-Tee-Weg`,der Teeweg, bei dem nur Aufgusstee verwendet wird.
Aus eben dieser Schule stammte unser Priester Gekkai Genshō. Er ging von der Insel Kyushū bis in die alte Kaiserstadt Kyōto, wo er eine winzige Hütte unter einer Brücke am Kamofluss bewohnte. Jeden Tag aber packte er seine Utensilien zusammen, die er brauchte, um den Tee zu bereiten und zu servieren und er baute seinen Teestand in der Nähe der großen alten Zentempel auf. Alles was er benötigte, war in einem Bambuskorb verstaut, den er aufklappen und als Verkaufsstand benutzen konnte. Er verkaufte seinen Tee aber niemals. Lediglich ein dickes Bambusrohr war am Stand aufgehängt, in das die Gäste des Priesters - wenn sie mochten, eine Spende werfen konnten.
Schon nach kurzer Zeit nannten ihn die Leute nur noch Baisaō . den alten Teeverkäufer. Aber Baisaō schenkte nicht nur Tee aus, sondern er nutze die Gelegenheit, wenn seine Gäste den Tee tranken zu Gesprächen und so half er vielen Menschen in den wirren Zeiten. So konnte er die Menschen besser erreichen, als wenn er als Priester im Tempel geblieben wäre.
Aber damals war es den Zenpriestern nicht erlaubt, als freie Mönche ohne festen Sitz in einem Tempel zu leben. Und so verließ er nach 10 Jahren, die er lehrend und Tee bereitend auf der Straße verbracht hatte, den Priesterstand und lebte fortan als Laie unter dem Namen Yūgai Koji - Laie Koji weiter.
Er schrieb viele Gedichte, die er als Kalligrafie verschenkte.
Unser Leben ist ein Schatten
gelebt mitten in einem Traum.
Ist das erkannt,
verschwinden das Selbst und die Anderen.
Strebst Du nach Ruhm,
wird auch die Ehre eines Prinzen nicht genügen.
Tritt einen Schritt zurück:
Ein Flaschenkürbis zum Wasserschöpfen
ist alles, was man braucht.
Ist diese Wahrheit wirklich erkannt,
ist der Geist offen und klar
wie die große Leere über uns.
Aber er war zu arm, um sich die teuren Siegel zu kaufen, mit denen man in Japan seine Kalligrafien signiert. Eines Tages - er war schon über 80 Jahre alt - schenkt ihm ein Siegelmacher ein paar Siegelsteine. Da schrieb Baisaō als Antwort ein Gedicht:
Wozu brauche ich in meinem Alter
in Stein geschnittene Worte?
Ich besitze das wortlose Siegel des Geistes,
aufgeprägt unfehlbar und klar.
Da nun durch unerwartete Freundlichkeit
Worte für mich in Stein geschnitten sind,
kann ich in meinen Achtzigern
doch noch Spuren hinterlassen.
Die drei Siegel, mit denen er fortan seine Gedichte siegelte, hatten die Inschriften:
Tsūsen: Weg der Weisheit
Baisa hachijū-ō: Teeverkäufer 80 Jahre alt
Yūgai Koji: Laie Yūgai.
Kurz vor seinem Tod schrieb er noch ein Gedicht über den Tee:
Zurückkommend aus China
wo er die Wurzeln der Wahrheit gesucht hatte,
brachte Eisai den Tee in unser Land.
Uji Tee mit dem reinen Geschmack der Natur:
Nur dumme Menschen schwätzen über seine Farbe und Duft.
Es ist so eine Sache mit den Spuren, die wir in der Welt hinterlassen. Baisao hatte Gedichte geschrieben und mit seinen Siegeln versehen. Und wir sind dabei, Spuren mit unseren Büchern zu hinterlassen. Ob die so lange lebendig bleiben werden wie Baisaos Gedichte? Wohl kaum, auch wenn sie mit in Stein geschnittenen Siegeln versehen werden sollten.
Hier entstehen derzeit einige Bücher gleichzeitig. Immer, wenn ein Thema zu sehr den Kopf ergreift, muss man loslassen und wieder an einem anderen Thema arbeiten. Im Augenblick schreibe ich an einem Buch mit Legenden und Geschichten aus dem alten Japan, von einfachen Volkslegenden bis zu literarischen Überlieferungen aus dem Noh Theater oder dem Kabuki.
Ein zweites Buch, auch schon fast fertig, wird ein ‚Dialog‘ zwischen Hölderlin und dem Zenmeister Dōgen über die reißende Zeit. Und weil wir schon bei Hölderlin sind, gibt es noch ein Buch über Hölderlins Gedicht ‚Hälfte des Lebens‘. Es handelt nicht von den zwei Lebenshälften Jugend und Alter, sondern vielmehr von der Suche nach der anderen Hälfte, die wir verloren haben. Und last, not least ist ein Buch mit Gedanken über Laotses Daodejing in Vorbereitung. Eine kleine Leseprobe gibt es im Blog mit der Geschichte vom fürchterlichen Mori
Aber viel wichtiger als meine eigenen Bücher ist mir derzeit ein Buch von Volker Heubel über die Philosophie des Teeweges. Volker ist derzeit in China, wo er in Hangzhou an einer Universität forscht. Sein Buch ist eine absolute Ausnahme. Teeleute, die wirkliche Kenntnisse des Teeweges haben, schreiben in der Regel nicht. Und die Menschen, die über den Tee schreiben und philosophieren, haben meistens keine Kenntnisse von der Praxis des Teeweges.
Volker Heubel hat Sinologie, Philosophie und vergleichender Religionswissenschaft an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen studiert. Danach studierte er in einem Aufbaustudium »Interkulturelle Japan-Kompetenz« an den Universitäten Tübingen und Dôshisha (Kyôto, Japan). Er spricht und schreibt sowohl Chinesisch als auch Japanisch. Gleichzeitig aber übte er sich im Teeweg. Wie oft haben wir hier im Myoshinan gesessen und gemeinsam Tee geübt. Volker hat sehr oft als Gastgeber im Myoshinan zu einem komplette Chaji von etwa 5 Stunden eingeladen. Ich werde nie vergessen, wie wir einmal ein Chaji mit dem Thema »Zenmeister Ikkyu« hatten. Immerhin sagt man ja, dass Ikkyu mitgewirkt hat, dass der Teeweg in Japan als ein Übungsweg des Zen verstanden wurde. Vom ersten bis zum letzten Augenblick war Ikkyu in Zitaten und Anspielung präsent. Sogar Kalligrafien von Volker mit Gedichten Ikkyus waren im Teeraum aufgehängt.
Sein Buch heißt »Wegmomente - Aspekte der Philosophie des Teeweges in der Konstellation von Rombach, Hisamatsu und Laozi«
Schon der Titel zeigt die Weite seines Ansatzes. Es gibt zwar in der deutschen Philosophie Ansätze einer Idee des Weges, so schon bei Heidegger und bei dem Philosophen Rombach. Was aber im Westen fehlt, ist die Verknüpfung des Denkens mit der Praxis. In Japan dagegen findet man oft in den Schulen, die Wege unterrichten, also in den Teeschulen oder den Dojos der Kampfkünste eine gute Übung der Praxis, aber dort wird die Praxis nicht oder nur ganz selten hinterfragt.: »Frag nicht, tu einfach!«
Erstmals in deutscher Sprache liegen nun philosophische Ansätze aus Japan über den Teeweg vor. Volker beschäftigt sich in seinem Buch intensiv mit Hisamatsus Theorie des Teeweges. Hisamatsu war Philosoph in Kyoto, aber er war zugleich auch ein Teemeister, der mit seinen Philosophie Studenten Teezeremonie geübt hat.
Volker hat aber auch die gesamte gegenwärtige Diskussion in Japan über die Zukunft des Teeweges diskutiert. Die meisten Texte, die er bespricht, sind von ihm erstmalig in eine andere Spache übersetzt worden.
Wer sich für die japanischen Übungswege und deren Verankerung in der tradtionellen Philosophie interessiert, sollte das Buch unbedingt kennen. Aber auch, wer sich einfach nur für japanische Kultur interessiert, kommt an diesem Buch nicht vorbei.
Das Buch kann direkt über Shōten den Shop im Teeweg.de erworben werden. Keine Sorge wegen der Übermittlung von Daten: Alle Daten werden über eine sichere Verbindung und verschlüsselt übertragen.
Grad gestern sind die Arbeiten an einer CD mit besinnlichen Texten, Shakuhachi und Gongs und Klangschalen fertig geworden. Ich spiele die Zen-Shakuhachi, Winfried Lernet die Gongs und Klangschalen. Es ist über eine Stunde Zeit, die Stille zu hören. Die lyrischen Texte stammen von Johannes Heiner und werden von ihm gesprochen. Ich denke, es ist eine schöne Aufnahme geworden.
Nun muss die CD nur noch gepresst werden, dann kann sie in den Handel kommen. Sie wird dann auch im Onlineshop zu bestellen sein.
TERMINE:
Jeden Donnerstag treffen wir uns zur Meditation im Stil des Zen. Derzeit sind es drei Gruppen:
13.00 Uhr Teezeremonie
15.00 Uhr Zenmeditation
19.00 Uhr Zenmeditation
Gäste sind willkommen, aber wegen des geringen Platzangebotes bitte Voranmeldung!
Unterricht im Teeweg
Im Myoshinan wie immer nach persönlicher Anmeldung und Terminabsprache jederzeit möglich. Auch individuelle Seminare über ein Wochenende oder in den Ferien sind möglich.
Teeweg im Benediktushof
Termin: 1.6. - 4.06.2014
Haiku und Zen - ein Weg zur Achtsamkeit
Im Juli gibt es im Benediktushof ein Seminar über japanische Haiku und Zen.
Wie werden verschiedene Medetationsmethoden kennen lernen. Vor allem aber befassen wir uns mit der Haiku Dichtung als Schulung der Achtsamkeit. Es werden klassische Haiku vorgestellt und erläutert, wir werden aber auch selber Haiku schreiben und gemeinsam diskutieren und verbessern. Eine ganz neue Erfahrung einer Zen-Meditation.
Termin: 25.07. bis 27.07.2014
Wanderreise Griechenland
Mit der Naturhistorischen Gesellschaft, in der wir im letzten Jahr die Ausstellung über die Drachen gestaltet hatten, organisiere ich eine Wanderreise nach Griechenland zu unbekannten Stätten, die nur auf mehr oder weniger langen Wanderungen erreicht werden können. Es sind nur wenige Plätze vorhanden. Auskunft bei mir.
Termin: Anfang Oktober 2014, Dauer 10 Tage
VORSCHAU:
CD Aufnahmen
In den letzten Wochen haben wir zusammen mit Johannes Heiner (lyrikrilke.de) und Winfried Lernet (Klangschalen) eine CD aufgenommen. Die Arbeit an der CD hat nun fast vier Monate gedauert. Johannes Heiner hat besinnliche Texte geschrieben und gesprochen, Winfried und ich haben dazu mit Klangschalen, Gongs und der Shakuhachi musiziert. Die CD wird voraussichtlich nach Ostern erhältlich sein.
SPENDENAUFRUF
Wir haben jetzt die Möglichkeit, das bisher ungenutzte Schwimmbad zu einem Dojo auszubauen. Klaus Kraler, ein befreundeter Schreiner und Zen-Priester hat angeboten, die Arbeiten unentgeltlich auszuführen. Wir müssen also lediglich das Material bezahlen. Für die ersten Ausbauschritte sind etwa 2000 Euro nötig. Die Halle ist ca. 60 qm groß und bietet ausreichend Platz für Meditationsgruppen, für Ausstellungen und Konzerte und sonstige Veranstaltungen. Sie wird auch für befreundete Gruppen zur Verfügung stehen. Spenden an das unten angegebene Konto werden gern angenommen. Vermerk: Halle.
Es ist auch recht willkommen, wenn bei der Arbeit geholfen wird. Helfer müssen nicht unbedingt handwerklich begabt sein. Es sind auch Reinigungs- oder Malerarbeiten angesagt. Jede Hand wird gebraucht. Wir werden voraussichtlich Anfang Mai 2014 mit den Arbeiten beginnen.
Bitte melden. Wenn es dann los geht, werden gesonderte Nachrichten verschickt.
Ich sage auch nicht nein, wenn jemand Freude an Gartenarbeit hat. Im letzten Sommer ist sehr viel im Garten geschehen. Ein neuer Meditationsplatz mit einem kleinen "Waldweg" dorthin ist entstanden und muss noch weiter gepflegt und ausgebaut werden. Unkraut jäten ist sehr meditativ! Und vielleicht haben wir ja auch genügend Kraft, einen kleinen Gartenteich anzulegen. Dann kann man am Seeufer Teezeremonie genießen.
Das ist samu: Meditation in der Arbeit.
Viele Grüsse an {name}
Gerhardt Staufenbiel (Teezeremonie Lehrer, Leiter des Myōshinan Cha-Dōjō)
in Zusammenarbeit mit chanomiya.com
Anmeldung / Abmeldung Monatsbrief
An / Abmeldung Newsletter
Anmerkung: Der Newsletter enthält nur eine gekürzte Form des Monatsbriefes und wichtige Daten.
Ihr Dana (freiwillige Gegengabe) überweisen Sie bitte auf das Konto
Myoshinan - Staufenbiel
Vereinigte Raiffeisenbanken Igensdorf
Konto-Nr.: 206727212
BLZ.: 770 694 61
Verwendung: Dana