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Dao De Jing Nr 1

道可道 非常道。
名可名 非常名。

無名天地之始。
有名萬物之母。

故常無欲以觀其妙。
常有欲以觀其徼。

此兩者同出而異名
同謂之玄。
玄之又玄
衆妙之門。

dao ke dao, fei chang dao;
ming ke ming, fei chang ming.

wu, ming tian di zhi shi;
you, ming wan wu zhi mu.

gu chang wu, yu yi guan qi miao,
chang you, yu yi guan qi jiao.

ci liang zhe, tong chu er yi ming.
tong wei zhi xuan
xuan zhi you xuan,
zhong miao zhi men.

Der Text

Der Text des Dao De Jing, Kapitel 1 ist hier in der chinesischen Pinjin Lesung wiedergegeben.
Die Abbildung zeigt ein altes koreanisches Siegel mit dem Text der ersten Zeile (DO KA DO HI JO DO) in alter Siegelschrift. Im Weiteren wird, wenn nicht anders angegeben, die japanische Lesung des Textes benutzt. In Japanischer Lesung lautet das erste Kapitel:

DÔ KA DÔ HI JÔ DÔ / MEI KA MEI HI JÔ MEI
MU MEI TEN CHI NO SHI / YU MEI MAN BUTSU NO BÔ

Vorbemerkung

Das Dao De Jing ist eines, vielleicht DAS Grundbuch des chinesischen Denkens. Seine 81 Kapitel fassen das gesamte Denken der Daoisten in knappen Merkversen zusammen, die gesprochen fast eine Art von Gesang darstellen. Die liedartige Form der knappen Verse ermöglicht eine mündliche Weitergabe über lange Zeit. Sicherlich haben die Menschen der damaligen Zeit für jede Gelegenheit des Lebens einen passenden Merkvers aus der Sammlung des Dao De Jing bereit gehabt und unmittelbare Handlungsanweisungen daraus gezogen.
Das Dao De Jing war sicher kein Buch nur für weltabgeschiedene kauzige Alte, die sich in geheimen Riten oder Praktiken übten wie es lange Zeit bei uns im Westen angenommen wurde. Vor nicht allzulanger Zeit (1973) wurde in der Nähe des Dorfes Mawangdui in der Provinz Hunan das Grab eines jungen Kriegers, vermutlich eines Herzogs gefunden. Ihm waren die Verse des Dao De Jing in zwei unterschiedlichen Versionen, die auf Seide geschrieben waren, mit ins Grab gegeben worden. Eine Version ist in der alten Siegelschrift verfasst, der zweite Text wurde in der neueren "Kanzleischrift" der Han-Zeit geschrieben. Vielleicht sollten sie ihm auf seiner Jenseitsreise helfen. Aber vermutlich hatte er sie auf seinen Kriegszügen und bei der Ausübung der Regierungsgewalt auch schon zu Lebzeiten zu Rate gezogen.

Der Text zeigt gegenüber der bekannten Version einen charakteristischen Unterschied. Die beiden Teile des Buches vom Dao und vom De sind in umgekerter Reihenfolge aufgezeichnet, also eigentlich ist der Text die Schrift vom De und vom Dao. Der zweite Teil des Dao De Jing, der Teil vom De - der "Tugend" ist weitaus weniger theoretisch als der Teil vom Dao. Er enthält vielmehr unmittelbare praktisch umsetzbare Handlungsanweisungen, die durchaus für einen kriegsführenden Feldherrn anwendbar sind. Noch Mao Tse Dong hat viele seiner Anweisungen für den Partisanenkrieg von hier bezogen.
Der "heilige Mensch" 聖人 oder wie oft übersetzt wird der "reife Mensch" des Dao De Jing ist kein weltferner Einsiedler, sondern einer, der mitten im Leben das Dao verwirklicht. Er kann durchaus der Herrscher sein - in der Regel ist es auch genau dieser, der in den Texten immer wieder angesprochen ist. Er ist "heilig", wenn er in seinem Handeln auf das Dao hört und dessen Gesetze erfüllt. Mit 先聖 Sen - sei, dem frühen oder vorigen Heiligen ist Konfuzius gemeint, der ja durchaus bestrebt war, als Daoistischer Weiser die Herrscher zu belehren und ihr Handeln zu führen.

Das Dao De Jing unterscheidet sich damit ganz wesentlich von dem anderen, wichtigen daoistischen Text, dem Buch vom südlichen Blütenland des Zhuangzi, der sich voller Misstrauen von den Herrschenden ab- und den Einsiedlern und "weisen" Männern, die in der Abgeschiedenheit leben zuwendet.

Das Dao De Jing war also wohl eine Sammlung von Merksprüchen, die Handlungsanweisungen für den Alltage geben sollten.

Als Merksprüche sind die einzelnen Verse reduziert bis zur äußersten Knappheit. Sie stellen gewissermassen nur das Knochengerüst einer daoistischen Weltsicht dar. Ganz anders sind die Geschichten des Zhuangzi geartet. Sie sind bunt und lebensvoll und sie schillern in vielen Farben des Lebens. Zhuangzi hat keine Merkverse verfasst, sondern Geschichten, die zum Nachdenken anregen oder die heftigen Widerspruch erwecken sollen. In dieser Knappheit liegt die Stärke aber auch die Schwäche des Dao De Jing. Man kann sich die Sprüche gut merken, aber es fehlt die Lebendigkeit und das Fleisch. Aber sie regen in ihrer Knappheit zum Nachdenken und meditieren an. Sie sind fast als eine Art Kôan zu lesen.


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