Wertschätzung der Chaire

Im Namboroku, den Aufzeichnungen das Mönchen Nambō über seine Gespräche mit Rikyū über den Tee heißt es:

Es gibt keine dogu, die wichtiger als die Hängerolle sind. Sowohl den Gästen als auch dem Gastgeber dient sie dazu, sich ausschließlich auf chanoyu zu konzentrieren und von ganzem Herzen die Erleuchtung dieser Lehre (chanoyu-zammai)anzustreben."

Die Hängerolle mit ihren Zensprüchen bildet den geistigen Rahmen für eine Tee-Einladung und ist damit von unvergleichlicher Wichtigkeit. Aber die Chaire, der Behälter für den dicken Tee hat von den Teegeräten neben der Hängerolle vielleicht die höchste Wertschätzung erfahren.

Wie hoch die schlichte und unscheinbare Teedose aus Keramik eingeschätzt wurde, sollen ein paar Begebenheiten zeigen.

Hosokawa Sansai und Rikyū's Shiribukura Chaire

Teeraum im Kotoin
Teeraum im Kotoin
Der Daimyo Hosokawa Sansai (1564 - 1645) war ein wichtiger Schüler Rikyū's und beide verband die tiefe Liebe zum TeeHosokawa hatte sich in Kyōtō im Daitokuji-Tempel den Subtempel Kotoin als Sitz gebaut. Der gesamte Tempel war im Teestil errichtet. Er weist eine ganze Reihe unterschiedlicher Teeräume auf, der Garten ist als rōji, als Teegarten gestaltet. Rikyū hielt sich gern und oft in diesem Tempel auf, wenn er in der Hauptstadt war.

Hosokawa Sansai besaß ein hochgeachtetes Kurzschwert mit dem Namen Kiyumizu Tōshirō (清水 藤四朗), das er vom Tokugawa Hidetada, dem zweiten Tokugawa Shogun geschenkt bekommen hatte, als er diesem seine Aufwartung machte. Es wird berichtet, das der Tokugawa das Schwert mit folgenden Worten überreichte:

Als wir zusammen mit anderen beim Herrn Toyotomi Hideyoshi waren, schautest Du auf dieses Schwert und sagtest:
"Wenn man dieses Kurzschwert an der Seite tragen oder an einer Teegesellschaft mit Rikyū teilnehmen könnte, wenn er die shiribukura chaire benutzt, so würde dieses Erlebnis das ganze weitere Leben prägen."

Rikyū's Shiribukura (尻膨) chaire
Wenn man bedenkt, welche wichtige Bedeutung und Wertschätzung das Schwert für den Samurai hatte, so erkennt man die herausrangende Bedeutung einer einzelnen Teedose. Die Teedose wird mit dem begehrten und berühmten Schwert im Rang völlig gleichgestellt.
Diese winzige Dose mit einer Höhe von 6,2 cm in einer einfachen und uneleganten dunkelbraunen Glasur erzeugt bei Hosokawa Sansai das Gefühl, dass sie sein ganzes Leben verändern kann, wenn er sie bei einer Teezeremonie mit Rikyu erlebt hat.
Später, im "13. Tag des dritten MOnats im Jahre Keichō" (1602) bekommt Hosokawa eben diese Chaire vom Tokugawa Heditada geschenkt. Der Anlass für das Geschenk ist der besondere Verdienst, den sich Hosokawa Sansai bei der Schlacht von Sekigahara erworben hat.
Eine Chaire - eine winzig kleine Keramikdose als Geschenk für eine erfolgreich geführte Schlacht!

Shigenori Chikamatsu über Karamono Chaire

Einige Jahre später schreibt der Samurai Shigenori Chikamatsu (1695 - 1739) einige Notizen über den Teeweg, die er Chanoyu kojidan - Legenden über den Tee nennt. Sein Manuskript wird erst nach seinem Tod im Jahr 1804 veröffentlicht unter dem Titel Chaso kanwa - Geschichten aus einem Teeraumfenster. Shigenori Chikamatsu war für seinen Herrn für die Pferde und die Pferdepfleger zuständig. Er studierte fleißig militärische Strategie und interessierte sich für Waffen und Schwerter, wie es sich für einen Samurai geziemt. Gleichzeitig übte er eifrig den Teeweg. In seinem Buch schrieb er Geschichten und Legenden über den Tee auf, die er über mehr als 20 Jahre gesammelt hatte. Sein Buch ist eine der wenigen Quellen, in denen über die Preise von Teegeräten geschrieben ist, wofür er sich ausdrücklich entschuldigt. Man redet im Tee selbstverständlich nicht über Preise.

Die Preise von verschiedenen Teegeräten sind in diesem Buch genannt. Das mag ein wenig kommerziell wirken, wenn ein Samurai an solchen Dingen interessiert ist. Aber bei der Abwicklung des Kaufes von Schwertern, Rüstungen und anderen Waffen muss man die Preise abschätzen können, wenn man mit den Händlern verhandelt. Ich bitte den Leser eindringlich, nicht über mich zu lachen, wenn ich als Samurai über solche Dinge schreibe.

Über die Chaire schreibt Chikamatsu:

Erst in den letzten Jahren sind die Preise für Chaire erheblich angestiegen.
Als der alte Mann Emura Sogu ein kleiner Junge war, gab es lediglich zwei sogenannte meibutsu chaire:
die Gyokudo chaire und die enza katatsuki, beide im Besitz von Rikyū. Beide waren von unschätzbarem Wert und sie galten als unvergleichliche meibutsu.
Später kaufte Furuta Oribe eine chinesische Chaire. Sie wurde Shokokuji genannt, weil Oribe sie im Shokukuji Tempel gefunden hatte. Er bezahlte dafür elf Goldstücke. Dies war das erste mal, dass für Tee - Utensilien so hohe Preise gezahlt wurden. Kurz darauf verkaufte sie Oribe an den Fürsten der Kaga-Provinz für tausendfünfhundert kan. Oribe verkaufte die chaire, weil der Fürst Ishida Mitsunari ihn wegen einer dringenden Zahlung presste und so mußte er die chaire verkaufen. Der Alte Mann diente zu der Zeit bei Fürst Oribe. Sechzig Goldstücke und eine rengeo Chatsubo wurden als Zahlung akzeptiert.
Die enza katatsuki wurde in Edo aufbewahrt, aber man sagt, dass sie in den Feuer des Jahres Hinoto-Tori (1597) zerstört wurde.

Die elf "Goldstücke", die Oribe für die Shokokuji chaire zahlte enthieleten fast 2 kg reines Gold. Vermutlich waren es die Tensho oban, die Hideyoshi als Goldwährung hatte prägen lassen. Eine Münze wog 165 gr und bestand aus ca. 80 % reinem Gold. Verkauft hat er sie für tausenfünfhundert Kan. Wenn man nachforscht, wieviel ein Kan wert war, so wird einem leicht schwindlig, weil Oribe die Chaire für etwa 25.000 Euro verkauft hat. Aber kurze Zeit später stieg der Preis für meibutsu chaire auf bis zu dreitausend Goldstücke an.

Zenmeister Seigan Sōi über Preise von Chaire

Der Zenmeister Seigan Sōi (1588 - 1661) vom Daitukiji Tempel in Kyōtō nennt noch ganz andere Preise, die für Karamono Chaire gezahlt wurden:

Zwei bis dreitausend Goldstücke entspricht in etwa einem Wert von etwa 1,5 bis 2,8 Millionen Euro!

Meibutsu (名物), wörtlich Namen-Dinge sind solche Dinge, die sich aus der anonymen Masse herausheben, weil sie einen Namen haben, mit dem sie gerühmt werden. Der Name kann, muss aber nicht ein poetischer Name sein wie etwa die Hatsuhana chaire, erste Blüte, die der Ashikaga Shogun nach einem klassischen Gedicht so genannt hatte. Ein Meibutsu kann nach dem Tempel benannt sein, in dem sie gefunden wurde, wie die Shokukuji Oribes oder nach einem der Besitzer wie etwa Rikyū's shiribukura chaire. Viele der berühmtesten Meibustsu, die Dai-meibutsu - 大名物 - Dinge mit großem Namen sind Karamono, Dinge aus der chinesischen T'ang Dynastie, die nach Japan kamen und dort von Generation auf Generation weitergereicht wurden. Manche der Meibutsu bekommen ihre Wertschätzung durch die Reihe der Namen der Vorbesitzer. Ein Beispiel dafür ist die Hatsuhana, die vom Ashikaga Yoshimasa Shogun ihren Namen bekommen hatte, die später in den Besitz von Tokugawa Ieyasu kam der sie dann Hideyoshi schenkte.
Die meisten der meibutsu waren im Besitz des Kriegeradels, aber das Bürgertum begann nun nachdem die langen Kriege beendet waren unter den Tokugawa den Adel nachzuahmen. Die chinesischen Karamono waren für das Bürgertum unerreichbar, aber man begann in Japan die Karamono - chaire nachzuahmen. Führend waren dabei die Öfen von Seto. So entstanden Kopien der Karamono, die ihrerseits berühmte meibutsu wurden und entsprechen hoch gahandelt wurden.
Nicht nur Zenmeister Seigan Sōi beklagt diese Entwicklung, die zu einer totalen Geldverschwendung wurde. Später wurde diese Art von Tee vom Bakufu Shogunat verboten. Seigan Sōi schreibt:

Meibutsu Chaire werden in der Öffentlichkeit mit zwei bis dreitausend Goldstücken gehandelt, und ebenso verhält es sich mit den Schriftrollen (bokuseki). Für einen Teelöffel werden 100 bis 200 kan (ca. 3500 Euro) gezahlt. Das geschieht, obwohl die Chaire nur nur aus einer handvoll Erde, eine Schriftrolle aus einem Blatt Papier und ein Teelöffel aus einem Span Bambus besteht.
Warum sind die Preise dafür derart hoch? Dafür muss es Ursachen geben, aber wer könnte sie schon ergründen? ... Das ursprüngliche Verständnis des Menschen ist jedenfalls nicht der Grund dafür.


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