DAO - Das NamenloseDao De Jing Nr 1DAO - Ursprung von Himmel und Erde.NICHT und HABEN 無名 天地 之 始 - MU MEI TEN CHI NO SHI
無名 - 有名 MU MEI - YU MEI MU MEI - NICHT NAME, YU MEI - HABEN NAME. Hier wird bereits eine Polarität genannt. Da ist Etwas ohne Namen, dem ein Etwas mit Namen gegenübersteht.
In der nächsten Zeile ist die Rede von dem, was Namen hat, dem 有名 YU MEI .
Der Mond ist schon von seinem Wesen durch die Zeitlichkeit bestimmt. Greift man nach dem vollen Mond, so wird er sich unversehens wandeln und wieder verschwinden. Abgesehen von der Zeitlichkeit ist es ein unmögliches Unterfangen, nach diesem unbeständigen und sich stets wandelnden Himmelswesens zu greifen. Das Haben kann niemals nach einem Unmöglichen greifen, es kann niemals auf Dauer festhalten. Aber der Mond ist ein eigenartiges Ding. Der Zenmeister Dôgen vergleicht das Erwachen mit dem Mond, der sich im Wasser spiegelt: Der Mond spiegelt sich im Wasser: Der Mond wird nicht nass und das Wasser wird nicht bewegt. Obgleich das Mondlicht groß und weit scheint (leuchtet), befindet er sich in einer winzigen Fläche Wasser. Der ganze Mond und der ganze Himmel sind in einem winzigen Tautropfen auf einem Grashalm. Der Tautropfen versucht nicht, des Mondes habhaft zu werden und ihn festzuhalten. Dennoch ist er ganz und gar vom Mond erfüllt - nicht nur von einem winzigen Teil, wie es der Größe des Tropfens entsprechen würde. Der GANZE Mond ist im Tautropfen. So ist auch "das was Namen hat" ganz und gar erfüllt vom Dao und der Name ge-hört ganz und gar zum Einzelnen. Aber dennoch kann sich der Name ändern, so wie sich auch der Mond ändert. Nur derjenige, der genau an DIESEM Namen festhält, wird ihn immer verfehlen.
SEIN und NICHTS無名 天地 之 始 - MU MEI TEN CHI NO SHI Die Rede ist vom Ursprung 始 von Himmel und Erde. Das Zeichen Shi ist aus zwei Wurzelzeichen zusammengesetzt. Das erste Zeichen ist die Frau 女, das zweite zeigt ein Gestell, ein Dai 台 wie man es benutzt, um Gegenstände aufzustellen oder zu präsentieren. Das Weibliche ist der Beginn dessen, was sichtbar sich zeigt. Himmel und Erde, 天地 Ten Chi, stehen für das Ganze. Sie sind mit dem Genitivpartikel no - 之 mit dem Ursprung verknüpft. Die Rede ist also vom Ursprung, dem Anfang, dem Ursprung von Himmel und Erde. Problematisch ist die Lesung des Satzanfangs. 無名 MU MEI kann in unterschiedlicher Weise verstanden und gelesen Werden. Aus der Satzkonstruktion ist es nicht ersichtlich, ob es heißt: MU MEI - "kein Name" oder "NICHT: Name". Sollte das MU als Substantiv gelesen werden, so würde es etwa heißen:MU ( DAS LEERE): Name des Ursprungs von Himmel und Erde. Gehört das MU als Adjektiv zum Mei, dem Namen, so müsste man lesen:"Das Ohne-Namen, das Namenlose: Ursprung von Himmel und Erde. Das Ohne-Namen ist das Unnennbare, dessen einer Name (der hier nicht genannt wird) DAO ist. Dieses Namenlose ist der Ursprung 始 von Himmel und Erde. Diese grammatische Unklarheit ist vielleicht beabsichtigt. Das Nichts als der Name des Ursprungs von Himmel und Erde hat ja auch keinen Namen, es sei denn, man nimmt "Nichts" als seinen Namen. Erst nachdem die Dinge her-vor-gekommen sind, kann man sie mit Namen belegen. Das Nichts ist kein Ding, das irgendwo vorfindbar wäre, kann also auch keinen Namen haben. Es ist hier nicht von einer Schöpfung aus dem NICHTS die Rede. Dasjenige, was den Ersatznamen "Nichts" trägt, ist nicht als leer und nichtig zu denken.Im Biblischen Schöpfungsbericht ist auch nicht von der Schöpfung aus der wüsten Leere die Rede. Am "Anfang" war es nicht "wüst und leer", wie Luther übersetzt. Am Anfang war das "Tohuwabohu", das wüste Durcheinander. "Gott sprach: 'Licht werde!' - Licht ward!". Dies ist keine Schöpfung aus der Leere. Gott ruft das Licht bei seinem Namen und es antwortet, "Da bin ich!", so wie Moses am brennenden Dornbusch getan hatte. Moses, der ein Niemand ist und der nicht weiß, was er als nächstes tun soll, sieht den brennenden Dornbusch. Als er hinzutritt, ruft die Stimme: "Moshe! Moshe!" und Moses antwortet: "Da bin ich!". Jetzt ist er herausgerufen von Gott, jetzt bekommt er seine Aufgabe - das Volk aus Ägypten heraus zuführen. Jetzt erst ist er "Moshe!" In dem "Augenblick" wo Himmel und Erde benannt sind, treten sie heraus aus dem Namenlosen und mit Ihnen tritt das Nichts, das jetzt einen Namen hat heraus. Wenn man diese Stelle so liest, dann ist nicht vom Namenlosen und dem Namen-habenden die Rede, sondern vom NICHTS und vom SEIN. Das Zeichen YU 有 kann im Kontext als 'haben' oder auch als 'Sein' gelesen werden. Die beiden Verse wären dann mit entsprechender Interpunktion zu lesen:
NICHTS: der Name des Urspunges von Himmel und Erde
|