Sen no Rikyū

Quellen

Es ist sehr schwer, sich heute eine objektive Meinung über Rikyū und seine Ideen zu machen, weil es keine einzige originale Quelle aus seiner eigenen Hand gibt. Alle Berichte und Texte über Rikyū's Tee stammen aus sekundären Quellen, die zum Teil sehr viel später aufgeschrieben worden sind. Erst in jüngerer Zeit sind über vierhundert Briefe Rikyū's aufgetaucht, in denen Rikyū über seine Aktivitäten als Teemeister bei Hideyoshi berichtet. Außerdem zeigen diese Briefe, dass Rikyu eine außerordentlich wichtige Stellung im Dienste Hideyoshis hatte. Durch seine Tee-Einladungen nahm er offenbar eine außerordentlich wichtige diplomatische Position ein, weil nur in der friedlichen Athmosphäre des Tee Annäherungen zwischen den ärgsten Feinden statt finden konnte.

Aus Rikyū's Zeit gibt es eine Reihe von Aufzeichnungen über Teegesellschaften (茶会記 chakaiki), an denen Rikyū teilgenommen oder die er selbst veranstaltet hat. Diese chakaiki geben zwar keine Auskunft über die Philosophie Rikyūs, zeichnen aber mindestens ein Bild über die verwendeten Geräte, die Gäste und die Themen der Gespräche, die auf den chakai geführt wurden.
Eine neue Quelle über den Tee zu Rikyū's Zeit sind die Aufzeichnungen des Potugiesen João Rodrigues (1561 - 1634) in seiner Historia da Igreja da Japam, die 1954 das erste mal veröffentlicht wurde. Allerdings hat Rodriguez Rikyū niemals direkt erwähnt, obwohl er ihm bei Hideyoshi begegnet sein muss. Aber er zeichnet ein sehr gutes Bild vom Tee zu Rikyū's Zeiten.

Rikyū selbst werden die sogenannten Hyakushû zugeschrieben, eine Sammlung von einhundert Gedichten, die eine Art "Hauptregeln" oder Köpfe (hyaku = 100 Shu = Kopf). Es existieren unterschiedliche Sammlungen unter diesem Namen, die teilweise bis zu 300 Regeln enthalten, teilweise nur ca. 100, wobei nicht alle Regeln übereinstimmen. Vermutlich handelt es sich um eine Sammlung von Merkversen, die teilweise in der Zeit weit vor Rikyū zurückreichen und die teilweise auch erst nach Rikyūs Tod verfasst wurden. Möglicherweise sind eine Reihe der Hyakushu, wenn nicht gar die meisten auf Murata Jukō zurückzuführen, wenn sie nicht sogar noch älter sind. Die einhundert Hyakushu, wie sie in der Urasenke gelesen werden, wurden von Gengensai (1810 - 1877), dem Großmeister der Urasenke in der 11. Generation auf die Fusuma - die Schiebetüren eines Teeraumes geschrieben und stellen vermutlich eine mehr oder wenig zufällige Auswahl dar, die Gegensai für seine Art des Tee-Unterrichtes für nötig erachtete.

Als wichtige posthum geschriebenen Quellen sind das Namboroku und das Zencharoku, das die Verbindung von Tee und Zen betont. Beide Schriften sind vermutlich erst im 18. Jahrhundert niedergeschrieben worden, wenn auch vermutlich basierend auf älteren Überlieferungen. In dieser Zeit begann sich das Iemoto - System in der Teewelt zu etablieren und man benötigte eine historische Legitimation und eine Gestalt, auf die man sich berufen konnte. So wurde Rikyū als der neue "Tee-Gott" verehrt, der er zu seinen Lebzeiten keineswegs gewesen ist. Zu seinen Lebzeiten war Rikyū ein Teemeister neben vielen anderen, wenn er auch, schon durch seine Stellung als Teemeister Oda Nobunaga's und später Hideyoshi's eine herausragende Stellung eingenommen hatte. Dennoch scheint besonders das Namboroku - vermutlich fiktiv - die Aufzeichnungen des Mönches Nambo, einem Schüler Rikyū's über seine Gespräche mit Rikyū über den Tee die Praxis Rikyū's sehr genau wieder zu geben.

Yojiro Tanaka oder SEN no Rikyū

Den Familienname Sen, geschrieben mit dem japanischen Schriftzeichen für tausend hat Rikyū selbst niemals verwendet. Sein Familienname war Tanaka und er stammte aus einer Familie von Fischhändlern. Sein Vater Yohei gehörte zur Nayashu Vereinigung der Warenhaus Besitzer, was vermuten läßt, dass er ein erfolgreicher Kaufmann gewesen sein muß, der aber wohl keinerlei Interesse am Tee hatte. Rikyūs Vorname war Yojiro, später verwendeter er als Rufnamen Sōeki. Im Namboroku wird auch niemals der Name Rikyū verwendet. Es heißt immer: "Sōeki sprach". Der Name Sōeki wurde ihm nach seinem Zen-Training unter dem Zenpriester Dairin Soto und dessen Schüler Shorei Sokin als buddhistischer Laienname verliehen.

Im 18. Jahrhundert tauchte die Legende auf, die Familie Tanaka stamme von Sen'ami, einem doboshu, einem Kunstberater des Ashikaga Shōgun Yoshimasa ab, der in den Wirren des Onon-Krieges die Hauptstadt verlassen habe und sich als Fischhändler in Sakai niederließ. Abgesehen davon, dass sich ein Höfling wohl kaum als Fischhändler niederlassen würde, ist ein doboshu mit diesem Namen nicht nachweisbar.

In der Zeit, als diese historische Konstruktion auftauchte, versuchte man, das Iemoto - System aufzubauen und man brauchte eine Rückführung auf eine bedeutende Persönlichkeit, die möglichst früh und möglichst hochrangig angesiedelt werden musste. Also behauptete man, Rikyūs Großvater habe seinen Dienst am Hofe des Shōgun verrichtet. Vermutlich war es aber ein einfacher Bürger Sakais, der den Namen Sen'ami als Beinamen trug.
Zu jener Zeit war die buddistische Richtung des Jodo Shishu in Osaka und Sakai sehr stark vertreten. Der Haupttempel des Jodo Shinshu war der Honganji in Kyoto, aber in Osaka hatte diese Schule einen starken Subtempel mit einer eigenen Streitmacht aus bewaffneten Bauern und einfachen Arbeitern. Erst Oda Nobunaga gelang es, den gewaltigen politischen Einfluß des Jodo Shinshu einzudämmen. Eine der Hauptideen des Jodo Shinshu war es, dass es auch einachen Menschen ohne Bildung möglich ist, in das "Reine Land" des Buddha zu gelangen, einfach durch ständige Rezitation des Lobpreises des Namens Amida - "namu amida butsu". Diese Idee von der Gleichheit der Menschen findet sich durchaus in Rikyūs Tee wieder, wie es auch das "Ein-Blatt-Testament" Rikyūs belegt. Der Name Sen'ami bezeichnet einfach eine Person, die das Namu amida butsu mindestens tausend mal (Sen ) rezitiert hatte und das war zu jener Zeit ein häufiger Name in Sakai. Die Nachkommen Rikyūs nahmen aber nicht den Familiennamen Sen an, um sich auf einen Fischhändler als Vorfahren zu berufen, das war wohl viel zu anrüchig.

Der Name Rikyū

Rikyū war zum wichtigsten Teemeister Hideyoshis geworden und er diente ihm als diplomatischer Vermittler. Mit den Teegesellschaften, bei denen häufig Hideyoshi selbst unter Anleitung von Rikyū den Tee servierte, gewann Hideyoshi auch das Vertrauen des Tennō Ogimachi, der ihm den Titel des Naidaijin verlieh, der Person, die für die inneren Angelegenheiten zuständig ist, also etwa des Innenministers. Als Dank wollte Hideyoshi dem Tennō Tee servieren, was bis dahin noch niemals geschehen war. Dazu brauchte er die Hilfe von Rikyū.
Hideyoshi konnte mit seinem neuen Hofrang den Palast betreten, aber Rikyū war ein Bürger und ihm war daher das Betreten des kaiserlichen Palastes untersagt.
Es gab aber die Bestimmung, das buddistische Priester den Kaiserpalast betreten durften. Es gab in Japan eine Reihe von Berufen, die als unrein galten, so z.B. der Beruf des Gärtners. Damit die kaiserlichen Gärtner gepflegt werden konnten, wurden die Gärtner zu buddistischen Priestern geweiht und hatten damit die Erlaubnis, den Palast zu betrete. Auch die doboshu, die Kunstberater mußten Priester sein, andernfalls hätten sie niemals die Paläste betreten dürfen.

Hideyoshi sorgte nun dafür, dass Tanaka Sōeki im Daitikuji zum Priester geweiht wurde und der Hauptpriester des Daitokuji Kokei Sōchin (1532 - 97) verlieh ihm den buddhistischen Namen Rikyū - 利休, wörtlich etwa "Ruhen des Nutzens". Dami war Yojiro Tanaka zu Rikyū geworden.


autor: g.staufenbiel   | © myōshinan chadōjō / teeweg.de