von gabriel » Freitag 26. Juni 2009, 09:42
Ja, das Gebiet der Wagashi ist interessant. Ich kann mich freilich nicht mit einem der großen Konditoren messen, das will ich auch gar nicht. Hin und wieder, wenn ich meinem Konto den argen Klimmzug zumute, gehe ich in Londonzu Minamoto Kitchoan. Das ist hohe Kunst, was dort zu finden ist. Von der Verpackung bis zum Produkt ist alles erste Qualität.Bei mir geht es in der Bescheidenheit darum, einerseits die Jahreszeiten Thematik zu beachten, wobei ich mal Blütenformen oder Blütenfarben andeute, dann wiederum Produkte der Jahreszeit mit einbeziehe. Im Frühling verwende ich beispielsweise selbstgesammelte Veilchen als Duftnote und Verzierung. Wenn man Glück hat, kann man sie zwei, drei Wochen bei mir in der Umgebung reichlich sammeln, dann ist diese schöne Zeit schon wieder vorbei. Das ist immer so eine Sache, einerseits schärft der Teeweg den Sinn für diese Jahres-Augenblicke, andereseits wird mir immer ganz wehmütig, wenn ich von solchen Blüten Abschied nehmen muss. Niemand weiß, wie oft er diese Zeit wieder erleben wird, bevor der Ruf kommt. Das klingt jetzt melancholischer,als ich es meine, doch man lebt dadurch ganz und gar im Augenblick. Flüchtig ist so ein Frühlings-Tee. Wie anders fühlt sich eine Süßigkeit mit Kastanien an! Als ob es immer so sein kann, liegt die Kastanie vor einem, glänzend und glatt. Dabei ist auch sie nur eine Strophe des Jahres.Der andere, eigentlich sehr spannende Aspekt der Okashizubereitung ist die Frage der Authentizität. Einerseits verwirklicht man ja das Japanische, sogut man kann, andereseits haben wir ja den Auftrag, nichts Fremdes, Verwirrendes oder Exotisches zu benutzen, was das Wabi-Sabi stört. Das ist hier im europäischen Raum schon eine Zwickmühle. Das fängt schon beim Reismehl an und hat bei den Azukibohnen noch lange nicht aufgehört. Ich denke, es gilt hier je nach Situation abzuwägen, was man erreichen will. Wer sind die Gäste, was ist ihr Hintergrund? Da kann man auch einmal statt Anko, feingestampfte Datteln verwenden, wenn man Omanju macht, oder ich bereite aus (Reis)mehl einen biskuitartigen Teig,der mit Koshian gefüllt und überzogen, wie ein ganz kleines Petitfour angeboten wird. Das ist von japanischer Seite her mit dem Einfluß der Portugiesen zu belegen und für den ansässigen Japan-Unkundigen nachvollziehbarer als omochi. Der Tee ist ja schon für viele Neulinge eineigenes Abenteuer. Wie oft habe ich die Frage gehört: "muss ich das alles trinken?" Es ist immer so komisch! Ich mache für dicken Tee meistens zweierlei, die einen für die anwesenden Japaner und Japanophilen, die andereren für die "echten" Ansassen. Der dritte Hauptschwerpunkt für mich ist die Bekömmlichkeit.
Okashi sollen nicht nur schön und lecker, sie sollen auch gesund sein. Die klassischen Zutaten sind ja sehr richtig für diesen Aspekt. Der Japaner isst ja weniger süß als wir, da muss man ein wenig abwägen, für wen man die Dinge zubereitet. Außer in wenigen Fällen, wo er nicht geeignet ist, nehme ich Fruchtzucker statt weißem Industriezucker. Gerade diesen gab es nämlich zu Rikyus Zeit gottseidank noch nicht. Eher den Muscovado aus dem mineralreichen, unbearbeiteten Zuckerrohr, der wie Karamel schmeckt. Der ist auch in Ordnung, eignet sich aber nicht für Weißes. Reismehl ist als Vollkornmehl für manches schwierig, da muss man oft das Feingesiebte verwenden. Dafür hat der Klebreis aber ein langsames Kohlenhydrat, das ist ohne besser als alles was wir im Allgemeinen an Reis kennen. Wenn man vorher ordentlich Kombu, Miso und ähnliches angeboten hat, schaden ein, zwei Okashi bestimmt nicht. Zum Färben nehme ich Saffran, Kirsch- oder Beetensaft, Matcha und reines Azulen für die blaue Farbe. Die Farben und Geschmacksnuancen sind damit unendlich viel besser als chemische Lebensmittelnfarben, die sowieso nicht mit dem Teeweg vereinbar sein sollten. Da sollte manch ein zeitgenössischer Higashi-Hersteller einen Moment innehalten. Jetzt geht's weiter:
-aFo-