Am Samstag Abend saßen wir im Zengarten des Benediktushofes.
Ich spielte ein wenig auf der Shakuhachi und wird verfassten ein paar Haiku.
Es wurde allmählich dunkel, aber noch stand das Abendrot hell am Himmel.
Dichte Wolken deckten den Himmel zu und es waren weder Sterne noch Mond zu sehen.
Dann bemerkte jemand, dass heute Nacht Neumond ist.
Wir sollten unbedingt ein Haiku auf den Neumond verfassen!
Eine merkwürdige Situation: über den Mond zu schreiben, der nicht zu sehen ist, weil er dunkel und zudem auch noch von Wolken verdeckt war.
Eine doppelte Unsichtbarkeit?!
Könnten wir den Neumond denn sehen, wenn er nicht von Wolken verdeckt wäre?
Oder würden wir dann sehen, dass wir ihn nicht sehen können?
So sehr wir uns auch anstrengten, es wollte uns kein Haiku auf den Neumond einfallen.
So erzählte ich die Geschichte von dem Hasen im Mond, der in der silbernen Mondschale steht und in seinem Mörser Blätter und Zweige des Kassienbaumes, des chinesischen Zimtbaumes stampft und daraus das Lebenswasser bereitet. Wenn die Mondschale ganz voll ist, dann ist der Mond nicht mehr zu sehen, weil er ja kein Sonnenlicht mehr reflektiert. Aber nun kann er das Lebenswasser herunter senden zur Erde, das am frühen Morgen dann in der Form von Tautropfen auf den Wiesen liegt.
In mein Zimmer zurückgekehrt, schrieb ich dennoch ein paar Haiku über den Neumond.
Aber am nächsten Morgen wurde uns klar, warum wir am Abend keine Haiku schreiben konnten:
Es war einfach eine abstrakte Situation. Wir konnten den ohnehin nicht sichtbaren Neumond nicht sehen, weil er zusätzlich hinter den Wolken verborgen war.
Aus einer abstrakten Überlegung ohne sinnliche Erfahrung will einfach kein gutes Haiku entstehen!