von sensei » Freitag 12. März 2010, 11:43
Danke für den Hinweis auf die Seite.
Ich schätze Gretchen persönlich wirklich sehr hoch, aber ihre Übersetzungen sind eben doch "Urasenke". Was soll es auch anders sein, schließlich arbeitet sie ja dort und wird von der Urasenke bezahlt.
Ein typisches Beispiel für Urasenke Übersetzungen ist das Hyakushu Nr 1 von Gretchen übersetzt:
1,その道に入らんと思ふ心こそ
我が身ながらの師匠なりけれ
To have the mind to enter this path is,
indeed, to have an inherent teacher.
Grob interpretiert verstehe ich die Übersetzung so, dass man den Weg nur betreten kann mit der richtigen Einstellung, wenn man einen guten Lehrer hat. Vermutlich ist es der Lehrer, der mir die "richtige Einstellung" erst vermittelt.
Meine Übersetzung ( sieht ein klein wenig anders aus. Ebenfalls grob interpretiert sage ich in der Übesetzung, das mein eigenes Herz, das inniglich den Weg zu gehen wünscht mein eigentlicher Lehrer ist.
Klar, wenn man Teelehrer bei einer Institution ist, muss man betonen, dass man niemals den rechten Weg findet, wenn man nicht den rechten Lehrer hat. Und der ist ausgewiesen durch entsprechende Diplome einer Schule.
Meine Interpretation des Verses sagt, das ich ohne den innigen Wunsch in meinen Herzen zu spüren, niemals wirklich den Weg finde. Und wenn ich nicht den richtigen Lehrer habe, dann such ich so lange, bis ich ihn gefunden habe. Aber wirklich lernen kann ich nur, wenn der Wunsch aus meinem eigenen Inneren kommt. Wir sagen ja auch, dass man einen Hund nicht zum Jagen tragen kann. Wenn er das Jagen nicht in seinem Herzen hat, wird er niemals jagen, selbst, wenn er direkt vor das Wild gesetzt wird. Er wird einfach nicht verstehen, was er da soll.
Ich kann zwar von einem Teelehrer Techniken lernen, aber ich werde niemals von ihm den innigen Wunsch übermittelt bekommen, selbst auf dem Weg weiter zu kommen. Möglicherweise bleibe ich für immer Schüler, weil nur mein Lehrer sagen kann, was auf dem Weg gut ist oder was nicht gut ist. Aber das ist ja für eine Institution, die Tee - Unterricht verkauft ja nur gut. Immer schön Schüler bleiben!
Viele der Hyakushû zeigen eben eine andere Praxis, als es die Urasenke heute unterrichtet. Ein Beispiel ist die Nr. 22 in der Übersetzung von Gretchen:
筒茶碗深き底よりふき上り
重ねて内へ手をやらぬもの
A cylindrical teabowl is to be
wiped from its deep bottom up,
and the hand not put into it again.
Aha, ein Tsutsu-Chawan wird geputzt, indem man zuerst den Boden und dann von dort aus nach oben wischt und niemals mehr die Hand ins Innere des Chawan gibt. Und was tun wir bei der Urasenke? Wir wischen den Chawan von oben nach unten, legen dann das Chakin auf den Boden und nehmen es mit der Hand, die ganz tief in den Chawan hineigreift wieder heraus. Was würde Rikyû dazu sagen?
Die Idee hinter dem Gedicht ist es, dass man den Chawan von unten nach oben putzt. Dort wo der Tee zu liegen kommt und wo der Chasen nachher den Tee schlägt, muss die größte Reinheit sein. Also kann man nicht nach dem Reinigen wieder mit der Hand in den Chawan hineinfahren. Außerdem ist das Chakin, wenn man zuerst den Rand putzt und dann den Boden nicht mehr wirklich rein.
Was tut eine gute Hausfrau oder ein guter Hausmann istinktiv, wenn er Teller abwäscht? Er reinigt den Teller von Innen nach Außen. Oder? Also eine ganz natürliche Handlung.
Heute benutzt man in der Urasenke den Tsutsu-chawan nur für Usucha. Aber wenn wir uns die Chawan anschauen, die Rikyu zusammen mit dem Raku - Chojiro eben für Koicha entwickelt hat, so sind die überraschend eng und hoch. Sie müssen also eigentlich wie ein Tsutsujawan behandelt werden. Diese Chawan wurden auch nicht so behandelt, wie wir das heute tun. Man hat niemals den Chawan hereingetragen mit dem Chakin und dem Chasen zusammen. Solche Chawan wurden leer herein getragen. Chakin und Chasen wurden in einem flachen Chawan, etwa einem Ido-Chawan getrennt herein getragen. Der Raku-Chawan, der eigentlich ein Han-Tsutsu, also ein halbhoher Tsutsu war, wurde nur zum Tee bereiten benutzt. Die Schlußreinigung des Chasen wurde dann mit dem zweiten Chawan gemacht und nicht mehr mit dem Haupt-Chawan. Zunächst also den Haupt-Chawan nur mit heißem Wasser ausspülen und dann im zweiten Hilfs-chawan den Chasen mit kaltem Wasser reinigen. Man hätte niemals in den heißen Chawan kaltes Wasser gegeben, ganz einfach, weil man befürchtete, dass der Chawan dann reißen könnte. Ganz besonders galt das für die alten kostbaren chinesischen Tenmokko Chawan. Ein Raku würde das schon aushalten, aber man hat das einfach nicht getan.
Genug jetzt. Der langen Rede kurzer Sinn: in den Hyakushû findet sich sehr oft eine völlig andere Praxis, als sie heute in den Teeschulen üblich ist. Dennoch führen alle die Hyakushû und Rikyû als ihren Urvater, dessen Tradition unverändert bis heute beibehalten worden sein soll an. Hm?!
CHA ZEN - ICHI MI / Tee und Zen: EIN Geschmack