Kaiseki: Vegetarisch oder nicht?

Kaiseki und die japanische Küche, Okashi und Verwandtes

Kaiseki: Vegetarisch oder nicht?

Beitragvon yuki » Freitag 29. Januar 2010, 13:45

Ich habe da mal eine Frage, die mich schon lange beschäftigt. Ist ein Kaiseki eigentlich vegetarisch oder kann man auch Fleisch servieren?
Und noch eins: essen Japaner wirklich kein Fleisch?
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Re: Kaiseki: Vegetarisch oder nicht?

Beitragvon sensei » Freitag 29. Januar 2010, 15:51

Im Prinzip ist das Essen beim Kaiseki von der Küche im Zenkloster abgeleitet.
Das kann man schon an der Auswahl des Essgeschirres erkennen. Im Zenkloster haben die Mönchen 5 Lackschalen, die zum Transport und zur Aufbewahrung ineinander passen.
Im Zen isst man vegetarisch. Das hat den Grund, dass man keine Tiere züchten soll, nur um sie zu essen. Fleisch konnte man also nur essen, wenn man gejagt hat. Die Jagd war aber den Samurai vorbehalten. Eine Ausnahme bildet Fisch, den man ja nicht eigens zum Verzehr gezüchtet hat
Eigentlich stammten die meisten Zenmönche aus Samurai-Familien und sie hätten deshalb auch Fleisch essen können. Aber für sie war es eine Übung der Bescheidenheit, auf Fleisch und Fisch zu verzichten.

Ein Grundproblem der Japanischen Küche ist die Allgegenwart des Dashi, also der Grundbrühe für Suppen, zum Garen von Gemüse usw. Traditionelles Dashi wird aus getrochneten Fischflocken und Kombu, also Seetang hergestellt. Damit ist die Japanische Küche eigentlich niemals wirklich vegetarisch. Nur im Zenkloster verwendet man lediglich Konbu als Grundlage für das Dashi. Zenmönche essen aber sehr gern ein richtiges Dashi. Sie fragen dann einfach nicht nach, ob da auch wirklich keine Fischflocken drin sind. Aber jeder Japaner kennt diesen unverkennbaren Geschmack.

Damit wäre die Frage schon zum Teil beantwortet.
Kaiseki ist nicht im strengen Sinne vegetarisch, schon durch die Verwendung von Dashi nicht. Aber Fisch wird durchaus gern serviert.
Neuerdings findet man auch immer wieder Ente oder Huhn in einem Kaiseki.

Das Grundprinzip eines ausgewogenen Kaiseki ist es, dass sich die Gäste wohl fühlen, ob Vegetarier oder NIcht-Vegetarier.
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Re: Kaiseki: Vegetarisch oder nicht?

Beitragvon Kiun » Samstag 30. Januar 2010, 20:04

yuki hat ein thema aufgegriffen, über welches ich mir auch immer wieder mal gedanken mache. allerdings weniger hinsichtlich der frage vegetarisch oder nicht. ich denke nicht, dass karotten in/aus japan anders sind als jene in europa und saisonales gemüse zu bekommen ist nicht wirklich eine herausforderung.

aber -apropos fisch- wenn man nicht grad am meer lebt, wäre es nicht vielleicht sinnvoller v.a. süsswasserfische zu verwenden? ohne wahnsinnig "öko" zu sein, so bekomme ich manchmal schon fast ein bisschen ein schlechtes gewissen, gerade wenn in den medien das thema überfischung der meere auftaucht...
hat jemand z.b. erfahrung mit sashimi aus süsswasserfisch? oder wie sieht es z.b. aus mit der verwendung von oliven, getrockneten tomaten oder gar lupini im kaiseki - wieviel europa ist genug resp. zu viel?
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Re: Kaiseki: Fisch oder Nicht-Fisch

Beitragvon ikkyu » Montag 1. Februar 2010, 16:30

Ein Bemerkung zum Sushi oder Sashimi.
Die meisten Menschen denken heute bei Japanischer Küche fast automatisch an Sushi oder Sashimi.
Aber Sushi und Sashimi, beide aus rohem Fisch sind keine ursprüngliche Japanische Küche. Sushi bedeutet eigentlich "gesäuert" und ist in Vietnam im Mekong-Delta erfunden worden. Dort hat man Süßwasserfische in gekochtem Reis eingelegt, um sie zu konservieren. Der Reis fermentierte und wurde säuerlich, man hat ihn einfach weg geworfen. Aber der Fisch wurde dadurch lange haltbar.
In Japan wurde Sushi dann mit gesäuertem Reis und rohem Fisch zubereitet, aber auch erst seit der späteren Edo-Zeit. Erst dann konnte man sich den frischen rohen Seefisch leisten und es wurde in Edo Mode, diesen Fisch zu essen.

Rikyu hätte also niemals Sushi oder Sashimi zum Tee gegessen, ganz einfach, weil er das nicht gekannt hat.
Vermutlich hätte er ihn auch deshalb nicht gegessen, weil das eine Edo - Mode war. Die traditionelle Kyoto-Küche ist überwiegend eine Gemüseküche. Wenn irgendetwas für die Kyotoküche charakteristisch ist, dann die Tsukemono, die fermentierten und gesäuerten Gemüse als Beilage.

Ich würde auch nicht mit Süßwasserfisch als Sushi oder Sashimi experimentieren. Da ist die Gefahr eines Parasitenbefalles viel zu groß.
Auch zur Verwendung von weißfleischigem Seefisch gehört eine gehörige Portion von Erfahrung, die im Fisch enthaltenen Parasiten zu erkennen. Ein unerfahrener Koch sieht die nicht im Fischfleisch.
Eigentlich kann sollte man selbst allerhöchstens ganz frischen Lachs oder frischen Thunfisch essen. Das ist vom gesundheitlichen Standpunkt aus unbedenklich, aber im Fall des Thunfisches vielleicht aus Gründen der Überfischung oder wegen der fraglichen Fangmethoden mit Vorsicht zu behandeln.

Die in Japan sehr beliebte Makrele ist ein Beispiel eines Fisches, der fast immer von Parasiten befallen ist. Durch Kochen oder Braten werden die abgetötet und der Genuss ist völlig unbedenklich. Bei der Verwendung als Sushi wird der Fisch vorher mit Salz fermentiert und dann gesäuert. Erst am nächsten Tag sollte dann die Makrele gegessen werden. Dabei sterben die Parasiten ebenfalls ab.
Man muss auch bedenken, dass zum Sushi oder Sashimi immer der Wasabi gehört, der durch seine Schärfe und die ätherischen Öle eine desinfizierende Wirkung hat.
Wasabi gehört zum Sushi wie der Senf zur Bratwurst. Auch bei der Bratwurst entstehen ja durch das Grillen gesundheitlich bedenkliche Stoffe, deren Wirkung aber durch den Senf wieder völlig aufgehoben wird.

Aber Sushi und Sashimi sind eh keine klassischen Bestandteile eines Kaiseki für den Tee.
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Re: Kaiseki: Vegetarisch oder nicht?

Beitragvon sensei » Dienstag 2. Februar 2010, 22:14

Es gibt eine Geschichte von Rikyû über wabi, die vielleicht ganz gut hierher passt.
Einer seiner Schüler hatte in einem Tempel weit in den Bergen eine alte Tür gefunden, die er in seinem Teehaus einbaute als Element des wabi. Rikyû war überhaupt nicht begeistert:
"Du hast diese Tür mit einem ungeheuren Aufwand von Geld und Material von weit her hierher transportieren lassen. Das ist dann kein wabi.
Mit anderen Worten: wenn wir mit Gewalt nur Japanische Zutaten oder frischen Meeresfisch verwenden, obwohl der an unserem Wohnort nur schwer zu beschaffen ist und sehr teuer ist, dann ist das kein wabi.
Wenn es keinen frischen Seefisch gibt, dann nimmt man eben Süßwasserfisch.
Unweit vom Myoshinan ist eine Fischzucht, die wunderbare frische Fische hat, die in dem klaren und unverseuchten Wasser eines kleinen Baches leben. Den fangfrischen Bachsaibling kann man in einer Mischung aus Dashi, Mizo und Ingwer ganz langsam köcheln. Der fertige Saibling wird ausgelöst und mit etwas Ingwer garniert, den man ja inzwischen selbst hier auf dem Dorf bekommen kann.
Köstliches Essen!
Aber wie Ikkyu geschrieben hat, würde ich nicht versuchen, den Saibling zu Sashimi zu verarbeiten.

Eine andere Geschichte von Rikyû ist sicher auch sehr interessant.
Er war von seinem Sohn Dôan zu einem Chaji eingeladen. Als er kam, sah er Dôan im Garten, wie er frische Winterrüben erntete. Rikyu dachte, dass dies eine ganz wunderbare Idee sei, die frisch vor den Augen der Gäste geernteten Rüben beim Essen zu servieren. Aber er wartete vergeblich auf die Rüben. Stattdessen servierte Dôan teuren Seefisch, der von weit her kam. Verärgert fragte Rikyû seinen Sohn, wieso er die Rüben nicht serviert hatte. Dôan erklärte, dass er nicht derart simples Essen servieren wollte. Aber Rikyû schalt ihn und meinte, was könnte es besseres geben als solche frisch geernteten Rüben, von denen der Gast noch gesehen hat, wie sie geerntet wurden.

Also: einfachstes frisch geerntetes regionales Essen - und wenn es Winterrüben sind - entspricht am ehesten dem wabi Ideal des Tee.
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Re: Kaiseki: Vegetarisch oder nicht?

Beitragvon blanka » Mittwoch 16. Mai 2012, 22:33

Gehört ein Kaiseki- oder Chaseki-Essen zu jeder vollen Teeeinladung unabhängig von der Tageszeit?
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Re: Kaiseki: Vegetarisch oder nicht?

Beitragvon sensei » Dienstag 12. Juni 2012, 16:44

Das Kaiseki - Essen hat auch eine historische Entwicklung gemacht. Ganz früher einmal gab es die Tee - Wettbewerbe, bei denen man mehrere Proben von Koicha kostete und dann entscheiden musste, welcher davon Honcha (wahrer Tee, ursprünglich abstammend aus den Plantagen von Myōe Shōnin) und welcher Hi-cha (falscher Tee, eben nicht aus diesen Plantagen) war.
Dabei sind große Mengen von Tee verkostet worden. Anschließend gab es dann ein Festessen.

Rikyū bemerkte dann, dass der Koicha einfach bekömmlicher ist, wenn man vor dem Teegenuss eine Kleinigkeit gegessen hatte. Deshalb servierte er eben das Essen VOR und nicht NACH dem Tee. Das konnten einfach ein paar Früchte oder Mochi sein.
Später wurde das Kaiseki immer kunstvoller und aufwändiger. Schließlich kam es soweit, dass ein Kaiseki mehr Zeit in Anspruch nimmt bei einer Tee - Einladung als der Tee selbst.

Das finde ich persönlich nicht ganz dem ursprünglichen Geist entsprechend, denn schließlich ging es um den Tee und nicht um das Essen. Aber es ist durchaus sinnvoll, vor dem Koicha mindestens ein größeres Mochi zu servieren, eben wegen der Bekömmlichkeit.

Nun zu den Tageszeiten.
Es ist wenig sinnvoll, bei einem Chaji beim Tagesanbruch ein volles Kaiseki zu servieren. Eine Misosuppe, etwas Reis und eingelegtes Gemüse tun es vollkommen.

Im Sommer ist es in Japan sehr heiß, es ist also die Frage, ob man nicht im Sommer nur ein leichtes Essen serviert und nicht das volle Kaiseki. Eventuell genügt ein O - Bento mit sommerlichen Kleinigkeiten.

Lädt man am Abend ein, allerdings nicht zu spät, denn dann ist der Teegenuss nicht mehr sinnvoll, dann kann man eben doch ein größeres Essen servieren.

Man kann und soll eben mit dem Kaiseki experimentieren und ausprobieren, was am besten passt.
Kaiseki ist nicht derart ritualisiert und festgelegt wie die Teezeremonie.
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