Kurz und bündig mit Radio Eriwan geantwortet: " Im Prinzip ja!"
Wenn man Urasenke Schüler ist, hat man es einfach: jede Chaire, die einen Deckel hat, dessen Knopf wie eine umgedrehte Blumenvase aussieht und der oben flach ist, ist eine Karamono Chaire. Das hängt mit der Tenmae zusammen, die seit Gengensai als "Karamono" geübt wird. Gengensai fand, dass man "ehrwürdige" Gegenstände komplizierter handhaben müsse, als weniger ehrwürdige. Das hängt mit der neokonfuzianischen Denkweise zusammen: wer höher im Rang steht, der muss entsprechen würdiger behandelt werden. Bei diesen Tenmae wird dann der Deckel der Chaire auf den Knopf des Deckels gestellt, während man bei den Wamono Chaire den Deckel mit der Unterseite ablegt.
Das ist schlichtweg Gengensais Erfindung und historischer Unsinn. Zu Rikyû's Zeiten hatten die Chaire meistens die verschiedenst geformten Deckel, ja, für eine Chaire ließ man oft 5 verschiedene Deckel anfertigen. Die Deckel kamen sowieso nicht zusammen mit der Chaire aus China. Die Karamono-Chaire stammen ja zum Teil noch aus dem 12. Jhdt und da sind keine Deckel erhalten geblieben. Man ließ sich also nach eigenem Geschmack seine Deckel anfertigen, natürlich in Japan. Rikyû's Marutsubo etwa, eine berühmte Karamono Chaire hat einen Deckel mit weit hervorstehendem runden Knopf. Die alten Deckel für die Karamono-Chaire waren auch viel dünner, als heute üblich. Sie waren auf der Unterseite mit Papier beklebt, das mit Blattgold bedeckt war. Das Papier zusammen mit dem dünnen Deckel sorgte dafür, dass man mit dem Shifuku-Knoten den Deckel fest an die Chaire anpressen konnte, um sie so gut luftdicht abzuschließen.
Kann man Karamono wenigstens an der Form erkennen?
Im Prinzip ja. Formen wie Bunrin, Nasu, Marutsubo, Tsurukubi etc. sind eher Karamono. Aber Vorsicht, es gibt auch alte Seto Bunrin oder Seto-Nasu. Natürlich sind das frühe japanische Kopien der Karamono. Außerdem gibt es auch noch die Shimamono, die Sachen von den Inseln (Shima) mit unbekannter Herkunft. Diese Shimamono kamen mit dem Schiff nach Japan, aber man kannte die genaue Herkunft nicht. Es gibt durchaus Shimamono Meibutsu Chaire, die man nicht auf den ersten Blick von einer Karamono unterscheiden kann.
Aber wenigsten die Katatzuki ist doch japanisch? So wird das jedenfalls bei der Urasenke gelehrt. Bei der Tenmai Dai-En-no-So wird zweimal Koicha zubereitet, einmal mit einer Karamono und einmal mit einer Wamono. Dabei nimmt man dann als Karamono etwa eine Bunrin mit dem "Karamono Deckel" und eine Katatsuki mit dem "normalen" Deckel als Wamono. Entsprechen zu ihrem Rang werden die beiden Chaire unterschiedlich behandelt. Das hat sich Gengensai wirklich nett ausgedacht. Rikyû hätte sich wahrscheinlich tot gelacht.
Eine der berühmtesten Katatsuki Chaire ist die Karamono Kitano Chaire mit einem "normalen" Deckel.
Aber es ist doch so schön, wenn man die Dinge einfach kategorisieren kann. Muss man nicht so viel wissen und nachdenken. Das ist abträglich für die Gesundheit. Einfach die Regeln nach Gengensai lernen und fertig!
Hier als Beispiel eine Karamono Nasu Chaire. Die Kategorisierung als Nasu, also Auberginenen - Form ist sicher Geschmacksache, aber da es ein Meibutsu, also ein Namen-Ding ist, die als Nasu bezeichnet wurde, so sei es so. Man lönnte diese Form durchaus auch als Bunrin - Apfelform einstufen. Jedenfalls hat diese Chaire einen flachen Knopf, kann also auch bei Gengensai als Karamono durchgehen.
Diese Karamono Katatsuku Chaire zeigt nach allen Klassifizierungen von Gengensai eindeutig die Merkmale einer Wamono. Sowohl Form als auch Deckel würden als Womono durchgehen, aber es ist nun mal eindeutig eine Karamono.
Woran kann man das erkennen? Gar nicht, das muss man einfach wissen, weil man das Stück und seine Überlieferungsgeschichte kennt.
Noch ein Nachtrag zur Behandlung des Chashaku bei der Karamono und der Wamono Chaire nach Gengensai:
Bei Karamono wird der Teelöffel mit der Spitze in den Deckel und dem Ende auf dem Boden abgestellt. Bei Wamono Chaire wird der Chashaku immer seitwärts auf dem Deckel abgelegt.
Warum ist das so?
Wenn wir uns die beiden Bilder oben anschauen, so sieht man, dass der Chashaku auf der Nasu-Chaire abrutschen würde, wenn man ihn seitwärts auf den Deckel legen würde. Da ist einfach kein Platz! Aber wenn man ihn wie beschrieben ablegt, geht das wunderbar. Die Katatsuki-Chaire hat in der Regel einen breiteren Deckel, auf dem man den Chashaku gut ablegen kann.
Bei einer Karamono Tsurukubi-Chaire, die so heißt, weil sie einen langen Hals wie ein Kranich hat (Tsuru) kann man den Chashaku nicht gut wie beschreiebn ablegen. Die Chaire ist einfach zu hoch. Also rauf auf den Deckel.
Die Regel liegt nicht in Karamono oder Wamono, sondern in der Praktikabilität. Und was ist, wenn man eine hohe Chaire mit einem schmalen Deckel hat, auf dem der Chashaku abrutscht?