DER TEEWEG IM DEZEMBER

  Der Winter

Wenn sich der Tag des Jahrs hinabgeneiget
Und rings das Feld mit den Gebirgen schweiget,
So glänzt das Blau des Himmels an den Tagen,
Die wie Gestirn in heitrer Höhe ragen.

Der Wechsel und die Pracht ist minder umgebreitet,
Dort, wo ein Strom hinab mit Eile gleitet,
Der Ruhe Geist ist aber in den Stunden
Der prächtigen Natur mit Tiefigkeit verbunden.

Mit Untertänigkeit
Scardanelli

d. 24.
Januar
1743

Friedrich Hölderlin hat mit diesem kleinen Wintergedicht "der Ruhe Geist" beschworen, der in Tiefigkeit der Natur verbunden ist.
Die Tage werden nun kürzer und die Natur ist wieder in ihre große Stille heimgekehrt. So träumen auch die Pflanzen und Bäume der neuen Zeit dem Frühling entgegen. In Japan hingegen blühen jetzt die Teesträucher und verheißen die neue Ernte.
Eigentlich war ja früher diese Zeit des Jahres die "staade Zeit", in der man sich am Herd versammelte, Geschichten erzählte und gemeinsam Lieder sang.
Aber was ist nur aus dieser "stillen Zeit" geworden? Es ist der reine Stress. Überall werden Weihnachtsfeiern organisiert, die Weihnachtsmärkte werden von Menschenmassen überrannt und die Weihnachtseinkäufe müssen noch dringend erledigt werden. Am Schluss sinken wir völlig gestresst zusammen um dann noch genervt "Stille Nacht" zu singen weil es der Brauch so verlangt.
Auch in Japan ist das Jahresende keine stille Zeit. Überall feiert man Bônenkai - die Verabschiedung des Alten Jahres und man sieht Priester durch die Straße rennen, weil sie unbedingt noch vor Jahresende in den Häusern zum Segen die Sutren rezitieren müssen. Darum heißt der Dezember in Japan auch Shiwasu - "rennender Priester". Aber der Dezember ist auch der Monat, in dem die Teesträucher blühen und in uns die Vorfreude auf die neue Teeernte wecken. Vergessen wir also nicht die Stille und Geborgenheit, die uns im Teeraum geschenkt wird.
Hier in unserem Dôjo versuchen wir, dem Monat etwas von seiner Stille zurück zu geben, indem wird jeden Abend den Tee bei Kerzenschein genießen. Wenn der Teekessel singt wie der Wind in den Kiefer und die Stille noch größer werden läßt, breitet sich die Wärme von der Winterfeuerstelle im Raum aus und läßt unsere Herzen zur Ruhe kommen. Matsuo Bashô, der große Haiku Dichter Japans hatte geschrieben:

Aki chikaki
kokoro no yoru ya
yo jo han

Der Herbst kommt nahe.
Die Herzen neigen sich zu:
Viereinhalb Matten
Im winzigen Teeraum Raum mit viereinhalb Matten kehrt die Stille ein und die Sehnsucht der Herzen nach Nähe und Begegnung erfüllt sich, ganz besonders in der Zeit, wo es draußen kalt wird und die Dunkelheit früh einbricht.
Aber es ist nicht nur ein Gefühl oder eine Empfindung, dass wir in der Geborgenheit des Teeraumes zu uns selbst und in die Stille finden.
Der SPIEGEL hat einen großen Bericht veröffentlicht über die Wirkung von Meditation auf das Gehirn. Die moderne Hirnforschung hat nachweisen können, dass schon nach 8 Wochen regelmäßiger Meditation auch bei Anfängern im Stammhirn Hirnzellen nachwachsen. Dies war für die Wissenschaft durchaus eine Überraschung, weil man bisher dachte, dass sich keine neuen Hirnzellen bilden würden. Bei Menschen, die regelmäßig meditieren, ist auch die Hirnrinde deutlich dicker als bei Nichtmeditierenden. Die neu gebildeteten Hirnzellen haben offenbar eine enorme Wirkung auf die Stressbewältigung. Unbewältigter Stress führt zu Verstimmungen bis hin zur Depression. Die frisch gebildeten Hirnzellen helfen offenbar, den Stress zu bewältigen und verhindern so die Entwicklung von Depressionen.
Inzwischen ist auch ein Buch erschienen, in dem der Hirnforscher Wolf Singer im Gespräch mit Matthieu Ricard, der früher Molekularbiologe war und der nun als buddhistischer Mönch lebt über die Auswirkungen der Meditation auf das Gehirn diskutieren. Das Buch kann man bei Amazon über unsere Homepage bestellen.
Man muss kein Leben als buddhistischer Mönch führen, um in den Genuß der Meditation zu kommen. Vimalakirti, ein Zeitgenosse Buddha's, lebte ein bürgerliches Leben als Kaufmann, aber er galt als ebenso weise wie Buddha selbst.
Man darf auch nicht in die Haltung verfallen, dass man meditieren MUSS, um etwas Gutes für sein Gehirn zu tun. Dadurch entsteht nur neuer Stress.
Der Urvater des Teeweges Sen no Rikyû trägt dies schon in seinem Namen. Ri-kyu heißt wörtlich: Ruhen des Nutzens. Nur in der Haltung der Muße bereitet die Meditation Freude, nur die Freude vermittelt uns die Kraft, bei allem Stress ein Leben in Ruhe und Gelassenheit zu leben.

Friedrich Hölderlin schrieb in seinem Gedicht über Archipelagos, das Meer der Griechen:

... und wenn die reißende Zeit mir
Zu gewaltig das Haupt ergreift und die Not und das Irrsal
Unter Sterblichen mir mein sterblich Leben erschüttert,
Laß der Stille mich dann in deiner Tiefe gedenken.

    TERMINE
  • An diesem Sonntag, den 14.12. um 14.00 Uhr treffen wir uns, um über Rilkes Duineser Elegie zu sprechen. Neuzugänge und Gäste sind herzlich willkommen.
  • Das Seminar über Dôgen musste aus gesundheitlichen Gründen verschoben werden. Wir werden es in der Weihnachts - stress freien Zeit Anfang Januar nachholen.
    Termin: Sonntag, 11. Januar 2009, Beginn: 14.00 Uhr
  • Bei unserem besinnlich - meditativen Sylvester Seminar sind noch Plätze frei.
Der Unterricht im Teeweg und Sondertermine wie Teezeremonie bei Kerzenschein oder Einführung in den Teeweg finden wie üblich nach Absprache statt.
Derzeit sammeln wir Interessenten für einen neuen Kochkurs in Japanischer Küche.

Alle weiteren Termine für die nächsten 120 Tage finden Sie in unserem Terminkalender, der regelmäßig aktualisiert wird.

Wir wünschen Ihnen ein schönes und geruhsames Weihnachtsfest und einen guten Übergang in das Neue Jahr.
Ihr Team vom japanischen Teehaus Myoshin An - Dôjô in Oberrüsselbach

Gerhardt Staufenbiel (Teezeremonie Lehrer)
Carolin Höhn - Domin / Geschäftsführung


autor: g.staufenbiel   | © myōshinan chadōjō / teeweg.de