DER TEEWEG IM NOVEMBER

aki no yama
momiji o nusa to
tamukureba
sumu ware sae zo
tabigokochi suru
In den herbstlichen Bergen -
wird buntes Laub als Gabe
der Gottheit dargebracht.
Selbst in meinem Hause hier
fühle ich mich wie auf der Reise

 
Der Dichter dieser Zeilen, Ki no Tsurayuki erlebt den späten Herbst als einen Übergang in eine andere Dimension. Der rot gefärbte Ahorn, der Momiji, hängt wie bunte Seidenstreifen, die 'nusa' - die als Opfer für die Götter mit der Bitte um eine gut Reise an die Bäume gebunden wurden - an den Zweigen. Dieses Bild des Überganges in eine kühle, klare und reine Welt ohne die leidenschaftlichen Farben des Frühjahrs bestimmt schon früh das buddhistische Denken ebenso wie das Alltagsempfinden der Japaner.

Bereits das 'Alphabet' der Japaner, das Iroha ist als ein Gedicht geordnet, in dem jede Silbe des 50 - Silben Systems genau einmal vorkommt. Auch diese Iroha spricht vom Übergang aus der Welt der Leidenschaften in die reine kühle Welt der Erleuchtung:

iro.ha nioedo chirinuru.o
wa.ga yo tare zo tsune naran
ui.ga yo tare zo tsune naran
 
ui.no oku yama kyô koete
asaki yume miji ehi.mo sezu
Die Farben sind noch frisch,
doch sind die Blätter, ach, schon abgefallen!
Wer denn in unserer Welt wird unvergänglich sein?
 
Die Berge fernab von den Wechselfällen (des Lebens)
heute überschreitend,
Werde ich keinen seichten Traum mehr träumen,
bin auch nicht berauscht.

Wir sind eben gerade von der Reise nach Japan zurückgekommen. Nun sitzen wir in unserem Teeraum, genießen die Wärme der eben eröffneten Winterfeuerstelle und denken über unsere Erlebnisse nach.
Wir haben viele Tempel besucht und auf Flohmärkten eingekauft. Wir haben die Teeplantage Koyamaen besucht und die beeindruckende neue Fabrikations - Anlage besichtigt, in der unter klinisch reinen Bedingungen mit ständiger Qualitätskontrolle der Tee verarbeitet wird. Wir haben mit den alten Freunden von der Urasenke im Midorikai dem Teeunterricht beigewohnt und sogar einen alten Freund aus Bulgarien, der bei der Urasenke ein Stipendium bekommen hat wieder getroffen.

Einen besonders tiefen Eindruck hat der Besuch im Familienschrein der Sen - Familie, dem geistigen Zentrum der Urasenke hinterlassen. Mitten im Komplex der für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen historischen Räume liegt der Rikyû-Dô, der Ahnenschrein für Sen no Rikyû, dem Urahn der Familie und des Teeweges, so wie wir ihn pflegen. Verborgen hinter halb geschlossenen Papierfenstern kann man die Standfigur Rikyû's erahnen, die einst im Sanmon - dem großen Tor des Daitokuji gestanden hatte. In seinen letzten Tagen war Rikyû umgeben von einem Gewirr von Lügen, Intrigen und Machtkämpfen. Niemand konnte mehr erkennen, wo Recht und Unrecht, wo Lüge und Wahrheit lagen. Hidêyoshi, der Machthaber und Rikyû's Herr erteilte ihm Hausarrest auf seinem Grundstück in Sakai, heute ein Ortsteil von Osaka. Traurig trat Rikyû seine letzte Reise an. In einem Brief an Shiba Kemmotsu, einem seiner Schüler schrieb Rikyû:

An Shiba Kemmotsu, ehrfurchtsvolle Grüße. Als ich Ihr Gedicht las, brach ich in Tränen aus.
Meine Antwort:
    Meiner Einsamkeit gedenkend
      verließ ich heute Nacht Kyôto
        an Bord des mondhellen Bootes
           den Yodo - Fluss überquerend.
.... Ich bin so traurig!
Den 15. Tag.

Ein paar Tage später fand man die aus dem Tempeltor gestohlene und geschändete Figur Rikyû's geköpft im Bett des Kamo - Flusses in Kyôtô. Drei Tage später trat Rikyû dann seine allerletzte Reise an. Er vollzog den angeordneten Seppuku (Harakiri). Als Abschiedsgedicht schrieb er noch ein Waka:

jin sei shichi djou
riki i ki totsu
waga kono hora sen
so butsu tomoni korosu
 
hitsusagu waga e
soku no hitotsu tachi
ima sono ji zo ten ni nageratsu
Unter den Menschen siebzig Jahre
Kraftbeseelt bis zum Ende.
Mit diesem Juwelenschwert
Töte ich die Patriarchen und die Buddhas.
 
In der Hand halte ich nur noch ein erworbenes Ding -
mein Langschwert
das ich jetzt in den Himmel schleudere
 
Im Frühjahr, Tenshô 19
25. Tag
Rikyû Sôeki Koji

Im Hintergrund des Rikyû-Dô befindet sich ein kleiner Teeraum. Dort bereitet der Großmeister der Urasenke am letzten Abend des alten Jahres Tee für die Familie und als Opfer für Rikyû. Sorgfältig wird dann das Holzkohlenfeuer abgedeckt, damit die Glut nicht völlig erlöscht. Am Neujahrsmorgen wird diese Glut neu entfacht und der erste Tee des neuen Jahres bereitet. Diese Zeremonie ist ein Zeichen, dass der Geist des Tee weiterlebt, trotz aller Widrigkeiten und aller schweren Zeiten.

So freuen wir uns, in diesem Monat eine ganze Reihe von Gästen empfangen zu dürfen, denen wir einen Nachmittag lang, ja manchmal sogar für zwei ganze Tage den Geist des Teeweges näher bringen können. Wir werden gemeinsam ein kleines Kaiseki kochen, das Holzkohlenfeuer anzünden, den Duft des Weihrauches genießen und den Tee zubereiten.

Wir wollen auch zum Jahresende Sie und Ihre Gäste einladen, die Stille und Wärme des Teeraumes, das Sieden des Teekessels, der klingt wie der Wind in den Kiefern, und den Duft des Tee gemeinsam mit uns zu genießen.

Anmeldung per Email
oder Telefon: 09192 - 99 3805 oder 09126 - 288331

Der Teeweg in Nürnberg / Oberrüsselbach

Gerhardt Staufenbiel, Carolin Höhn-Domin, Jörg Eberle


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